Politik/Inland

Das gab’s noch nie: Alle vier Sozialpartner neu

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl hat drei ÖGB-Präsidenten und zwei Arbeiterkammer-Präsidenten erlebt. Am Freitag nächster Woche wird Leitl nach siebzehn Jahren den Chefsessel in der Unternehmervertretung für seinen Nachfolger Harald Mahrer räumen. Drei Tage davor, am Dienstag, werden die Landwirtschaftskammern  den Vorarlberger Josef Moosbrugger zum neuen Präsidenten wählen.

Am 27. April wurde Renate Anderl  zur Chefin der Arbeiterkammer gekürt, am 14 Juni wird Wolfgang Katzian Erich Foglar als ÖGB-Präsident ablösen.
Binnen weniger Wochen stellt sich die österreichischste alle Institutionen, die Sozialpartnerschaft, personell völlig neu auf.
Was ist davon zu erwarten?

Informelles Treffen

Die Vier kennen einander im Grunde gar nicht. Anderl hat als Bundesrätin mit dem früheren Wirtschaftsminister Mahrer ein paar freundliche Worte gewechselt, das war’s. Am meisten in Berührung kamen Katzian und Mahrer. Der Gewerkschafter hat den Wirtschaftsminister vor einigen Monaten zu Vortrag und Diskussion in den Vorstand der Privatangestelltengewerkschaft eingeladen.

Katzian und Mahrer haben sich, als sie wussten, dass sie in den kommenden fünf Jahren die Sozialpartnerschaft  lenken würden, informell zusammen gesetzt und beschnuppert. Die Situation zwischen den beiden ist heikel und entspannt zugleich durch den Umstand, dass die Vorfeldparteien SPÖ und ÖVP zur Zeit nicht miteinander regieren.

Entspannt, weil den Sozialpartnern derzeit nicht Schwieriges zugeschoben wird  – die Regierung hat ihnen beispielsweise den Zwölfstundentag  aus der Hand genommen. Die Gewerkschaft schaut sich jetzt einmal an, was FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache da im Sinn der Arbeitnehmer gegen die Industriellenvereinigung zusammen bringt.

Heikel ist die Lage dort, wo die Regierung strukturell die Sozialpartner zurück drängen will – etwa aus der Selbstverwaltung der Sozialversicherung. Hier ist noch nicht klar, ob die neuen Sozialpartner genau so zusammenhalten wie die Vorgänger.  Leitl hat der Sozialpartnerschaft stets Vorrang gegeben vor Parteipolitik und auch vor einer rabiaten Interessenspolitik. Bei Mahrer steht der Praxistest noch aus.

Reformbedarf im ÖGB

Katzian wird hauptsächlich mit dem eigenen Haus beschäftigt sein. Viel zu viel ist im ÖGB liegen geblieben, und wird angesichts des Wandels in der Arbeitswelt immer drängender. Beispiel: Es gibt immer weniger Arbeiter, und die verbleibenden Arbeiter wandeln sich, Stichwort Robotik, zu IT-Spezialisten.  Wenn de Regierung Arbeiter und Angestellte gleichstellt, braucht es keine Arbeiterbetriebsräte mehr.  Anderes Beispiel: Die Gesundheitsberufe sind derzeit auf vier Fachgewerkschaften aufgeteilt. Drittes Beispiel: die Gewerkschaft wird sich wegen der Digitalisierung viel mehr für Fortbildung von Arbeitnehmern in die Bresche werfen müssen.

AK-Abwehrkampf

Renate Anderl wird in ihren ersten eineinhalb Jahren  mit der Vorbereitung der Arbeiterkammerwahl 2019 beschäftigt sein, was gleichzeitig ein Abwehrkampf gegen die Bundesregierung wird. Die AK-Wahl wird als Stimmungsbarometer gelten, ob die Regierung mit ihrer Absicht, die AK-Beiträge zu senken, auf positive Resonanz stößt. Oder ob die AK-Mitglieder bei der Wahl ein Zeichen gegen diese türkisblauen Pläne setzen.

Ein Schattendasein spielen heute in der Sozialpartnerschaft die Landwirtschaftskammern. Historisch, als es Preisregelungen bei Lebensmitteln gab, waren die Lohn-Preis-Abkommen von entscheidender Bedeutung. „Der Wert von Lebensmitteln, wie sie produziert werden und wer den Tisch deckt, sind auch heute wichtige Fragen“, sagt der angehende Präsident Josef Moosbrugger. Er will auch neue Themen in die Sozialpartnerschaft einbringen:  Klimawandel und Energiepolitik.

162.000 Bauernbetriebe

Die Landwirtschaftskammern sind streng föderal organisiert, im Bund gibt es nur einen „Präsidenten der neun Präsidenten“. 162.000 Landwirtschaftsbetriebe sind in den LWK Mitglieder, aber 650.000 Einzelpersonenweil in sieben von neun Kammern Grundbesitzer wahlberechtigt sind. Die Pflichtumlagen decken maximal 30 Prozent des Kammerbudgets ab, eine Gesamthöhe war am Freitag nicht zu eruieren. Nur ein Beispiel: Die Kärntner Bauern lieferten 2017 2,7 Millionen Pflichtbeiträge ab, die oberösterreichischen 9,2 Millionen.

Sozialpartner: Die vier Institutionen

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Video: Warum eigentlich, Frau Anderl?

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