BVT-Affäre: Polit-Krimi um die Sicherheit
Von Daniela Kittner
Die beunruhigenden Vorgänge in Österreichs Sicherheitsapparat – eine Polizeieinheit nahm im Auftrag der Justiz aus bisher unklaren Gründen den Verfassungsschutz auseinander – fanden am 28. Februar statt.
Als eine ganze Woche später einige Medien wegen der außergewöhnlichen Vorkommnisse politisch Alarm rufen, reagiert die Regierungsspitze wie folgt:
Vizekanzler Heinz-Christian Strache spekuliert – wie es seiner Gewohnheit entspricht, spätabends auf Facebook – ob Österreichs Amt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung "ein Staat im Staat" sei?
Eine erstaunliche Frage, die der Vizekanzler da öffentlich stellt.
Kanzler Sebastian Kurz äußert sich ebenfalls, und zwar dahingehend, dass er "volle Aufklärung" verlangt.
Berechtigte Forderung.
Aber sollten es nicht die Regierungsspitzen sein, die beunruhigten Staatsbürgern Fragen beantworten und Aufklärung liefern? Gibt’s da eigentlich Chefs, die die Sache im Griff haben?
Terrorbekämpfung, (Rechts-)Extremismus und Spionage – es handelt sich nicht gerade um Nebensächlichkeiten, für die das BVT zuständig ist. Kanzler und Vizekanzler führen "Sicherheit" als zentrales Thema in ihrer Agenda und haben sich eigens eine Zuständigkeit für die Geheimdienste ins Ministeriengesetz schreiben lassen. Das soll der Kontrolle dienen und signalisieren, dass die Regierungsspitze höchstselbst ein Auge auf die sensiblen Sicherheitsapparate hat.
Irgendwie beschleicht einen das Gefühl, dieser neue Paragraf wurde noch nicht ganz mit Leben erfüllt.
Was steckt hinter den Vorgängen im Sicherheitsapparat?
Sicher ist, es geht um einen Macht- und Intrigenkampf, der sich gegen eine Seilschaft im Umfeld des (niederösterreichischen) ÖAAB richtet. Ob Vorwürfe zu Recht oder zu Unrecht bestehen, ist noch nicht klar. Betroffene, ÖVP-nahe Beamte im Innenministerium bezichtigen die FPÖ (sprich: den neuen Minister und Generalsekretär), mit "brachialer und brutaler Gewalt wie beim Häuserkampf in Bagdad" gegen sie vorzugehen.
Der frühere Chef des BVT, Gert-René Polli, widerspricht. Er sagt, im Innenministerium habe sich ein "Netzwerk von Günstlingen" und von Leuten, "deren einzige Kompetenz das Parteibuch ist", breit gemacht (das Interview ist hier in der TVthek). Polli kann man insofern schwer eine parteipolitische Schlagseite gegen die ÖVP-nahe Seilschaft nachsagen, als Polli selbst seinerzeit unter Wolfgang Schüssel und Ernst Strasser mit der Reform der Staatspolizei beauftragt war und in der Folge das BVT gründete.
Polli ist übrigens im Wahlkampf 2017 als Sicherheitsexperte gemeinsam mit Strache aufgetreten, und es wird ihm nachgesagt, dass er nach seinem Ausflug in die Privatwirtschaft nun wieder an die BVT-Spitze zurück kehren möchte (siehe auch Chronik-Bericht).
Entgegen manchen Berichten dürfte Innenminister Herbert Kickl nicht beabsichtigen, das BVT abzuschaffen. Ob Kickl an Polli als alten, neuen BVT-Chef denkt, ist nicht eruierbar. Falsch ist jedenfalls Pollis Aussage in dem erwähnten ORF-Interview, wonach Österreichs Sicherheitsbehörden bereits so viel an Vertrauen verloren hätten, dass sie nicht zur internationalen Sicherheitskonferenz in München eingeladen worden seien.
Dies wäre in der Tat ein heftiges Alarmsignal gewesen. Die KURIER-Nachfrage im Innenministerium erbrachte jedoch, dass sowohl der Minister selbst als auch sein Generalsekretär Peter Goldgruber auf der Konferenz in München waren, Kickl aber aus Krankheitsgründen früher abreisen musste.
Noch zu klären bleibt auch, inwieweit eine von der FPÖ parteipolitisch motivierte Umfärbeaktion hinter den Attacken auf die schwarzen Polizisten steckt. Eine betroffene Beamtin, deren Unterlagen beschlagnahmt wurden, obwohl gegen sie gar nichts vorliegt, ist Chefin der Abteilung zur Bekämpfung von Rechtsextremismus.
Umfärbungen sind in Österreich zwar ortsüblich, aber das Innenministerium ist schon etwas anderes als, mit Verlaub, der Aufsichtsrat der ÖBB. Und noch einmal etwas anderes ist es, wenn FPÖler, in deren Umfeld sich mitunter Rechtsextreme tummeln, die zuständige Behörde filzen und deren Chef ablösen. "Das schüchtert die Beamten ein", meint ein besorgter Regierungsinsider.
All die Verstrickungen sind jedenfalls klassisch dazu angetan, dass sich der Nationalrat der Causa annimmt und gegebenenfalls einen Untersuchungsausschuss einsetzt.