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Lehman-Zeuge in Buwog-Prozess: Zuschlag nach Runde eins möglich

Im Korruptionsprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/ÖVP) und andere ist am Mittwoch ein früherer Mitarbeiter der US-Investmentbank Lehman Brothers befragt worden, der per Video aus London zugeschaltet wurde. Ihm zufolge hätte ein Zuschlag für die zu privatisierenden Bundeswohnungen schon nach der ersten Bieterrunde erfolgen können, es gab jedoch auch die Option für eine zweite Runde.

Der frühere Lehman-Mitarbeiter hatte die Privatisierung des Finanzministeriums beratend begleitet. Dabei habe man mit den beiden Spitzenbeamten des Ministeriums, Heinrich Traumüller und Josef Mantler, zusammengearbeitet. Die "Auswahlkommission" habe eigentlich nichts auszuwählen gehabt, sondern musste nur die Ziffern vergleichen, so der Zeuge. Entscheidend für den Privatisierungsprozess war eine Sitzung im Finanzministerium am 7. Juni 2004, nachdem zuvor die Angebote beim Notar geöffnet wurden.

"Zusatzangebote" der Immofinanz

Der Zeuge war selber bei der Angebotsöffnung dabei. Das Wochenende darauf habe er vermutlich in London verbracht, aber gemeinsam mit dem Beraterteam die Angebote analysiert und die Präsentation für das Finanzministerium vorbereitet. Dabei habe man festgestellt, dass im Angebot des Österreich-Konsortiums (Immofinanz, RLB OÖ und andere) Zusatzangebote enthalten waren, die aber nicht in Zahlen ausgedrückt waren. Das habe den Vorgaben widersprochen, daher habe man diese als ungültig qualifiziert, also nicht einbezogen.

Andererseits habe sich aber daraus ergeben, dass das Österreich-Konsortium vielleicht noch mehr bieten könne - wenn es diese Zusatzangebote selber irgendwie einpreise. Außerdem habe der zweite Bieter, die CA Immo, selber im Angebot auf einen Abschlag für ein Zinsänderungsrisiko hingewiesen. Ungewöhnlich sei gewesen, dass die CA Immo eine detaillierte Finanzierungsbestätigung ihrer finanzierenden Bank von 960 Mio. Euro beilegte, das eigene Angebot aber deutlich darunter lag.

Die Zahl 960.000.000

Zahlreiche Fragen von Richterin Marion Hohenecker kreisten dann um diese Zahl, 960 Mio. Euro, die im Prozess eine große Rolle spielt. Denn weil er überrascht war, dass man so etwas offenlegt, hatte sich ein anderer Lehman-Banker extra diese Zusage am Wochenende zuschicken lassen. Ob dann in der entscheidenden Sitzung am Montag, bei der auch Grasser anwesend war, diese Zahl ausführlich erörtert oder nur erwähnt wurde, daran konnte sich der Zeuge nicht erinnern. In der Sitzung fiel dann die Entscheidung für eine zweite Runde.

Hätte es hingegen einen Zuschlag für die CA Immo gegeben, die mit deutlichem Vorsprung vor dem Österreich-Konsortium lag, hätte auch Kärnten kein Zünglein an der Waage sein können und die Bundeswohnungen wären auf jeden Fall an die CA Immo gegangen. Erst durch die zweite Runde wurde das Rennen wieder offen. Im "last and final offer" (LAFO) lag dann das Konsortium mit rund 961 Mio. Euro ganz knapp vor der CA Immo mit 960 Mio. Euro. Und da Kärnten die Eisenbahnerwohnungen ESG nicht herauskaufte, gingen die Bundeswohnungen an das Österreich-Konsortium. Die Immofinanz zahlte im Geheimen an die ebenfalls angeklagten Peter Hochegger und Walter Meischberger eine Provision von ein Prozent des Kaufpreises. Hochegger hatte der Immofinanz mitgeteilt, man müsse mehr als 960 Mio. Euro bieten. Laut Anklage profitierten auch Grasser und der mitangeklagte Makler Ernst Karl Plech von der Provision - was beide entschieden zurückweisen.

Vorkaufsrecht Kärntens war von Anfang an Thema

Der Zeuge schilderte auch, dass im Sommer 2003 versucht wurde, dem Land Kärnten bereits vor dem Bieterprozess einen Teil der Bundeswohnungen, die Kärntner Eisenbahnerwohnungen (ESG) anzubieten. Kärnten habe aber nicht gekauft, weil für das Land der von Lehman festgesetzte Preis von 120 Mio. Euro für die ESG schlicht zu teuer gewesen wäre.

Das Vorkaufsrecht für die ESG hatte Grasser mit dem damaligen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider vereinbart. Es spielt im Prozess eine wichtige Rolle, weil dessen Ausnutzung - oder eben Nicht-Nutzung - entscheidend war, wer letztendlich den Zuschlag bei der Privatisierung bekam. Siegreich war ein Konsortium rund um die Immofinanz und die RLB Oberösterreich, unterlegen ist die CA Immo.

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Die Rolle Traumüllers

Der heutige Zeuge führte mehrmals aus welche wichtige Rolle Grassers damaliger Kabinettchefs Heinrich Traumüller spielte, der morgen zum wiederholten Mal als Zeuge geladen ist. Er hatte bei seinen früheren Zeugenauftritten betont, dass er keinerlei Anhaltspunkte dafür hat, dass die Privatisierung nicht korrekt abgelaufen ist. Er habe während der ganzen Privatisierung keinerlei Manipulationen und keine Tatpläne oder ungesetzliches Vorgehen wahrgenommen - "das ist mir wichtig", sagte er Anfang März.

Der heutige Zeuge beschrieb Traumüller als sehr korrekte und engagierte Person, die in alle Bereiche der Buwog-Privatisierung eingebunden war. Soweit er sich erinnern könne war Traumüller auch jener, der meinte, dass das Vorkaufsrecht Kärntens für die ESG politisch gewollt sei - denn eine rechtliche Grundlage dafür gab es nicht, ein entsprechender Notariatsakt fehlte. Ein Vorkaufsrecht sei "tendenziell wertmindernd", sagte der Zeuge. Denn der Bieter habe Aufwand für die Prüfung und Bewertung, und komme dann vielleicht gar nicht zum Zug, weil das Objekt vorher dem Vorkaufsberechtigten angeboten werden müsse - der dann auch zuschlagen kann.

Rücksicht auf Kärnten

Der Zeuge bestätigte auch, dass man damals sogar Rücksicht auf die Kärntner Landespolitik genommen hatte. Denn vor den Kärntner Landtagswahlen im März 2004 war eine "Quiet Period", eine mehrwöchige Stillhalteperiode, im Zeitplan des Verkaufsprozesses für die Bundeswohnungen vorgesehen. In der Zeit wollte man mit dem Privatisierungsprozess "möglichst wenig in der Presse aufschlagen", sagte der Zeuge.

Angebote aus erster Bieterrunde "nicht mangelhaft"

P. erklärte, dass die Angebote der ersten Bieterrunde aus seiner Sicht "nicht mangelhaft" waren. Ebenso bestätigt er auf Nachfrage der Richterin, dass die Angebote "bewertbar und vergleichbar" waren. Bekanntlich wurde nach dieser ersten Bieterrunde, bei der das Angebot der CA-Immo vorne lag, eine zweite Bieterrunde angesetzt.

Nach der ersten Bieterrunde hätte die CA Immo die Vergabe der Bundeswohnungen gewonnen - und zwar in beiden Fällen, sowohl wenn das Land Kärnten die Villacher Eisenbahnerwohnungsgesellschaft ESG, die ebenfalls im Portfolio war, herauskauft als auch wenn nicht. Erst in der zweiten Runde, wo das Österreich-Konsortium vorne lag, war dann die Ausübung des Vorkaufsrechts für die ESG das "Zünglein an der Waage". Da Kärnten nicht ausübte, blieb das Österreich-Konsortium vorne. Hätte Kärnten allerdings die ESG herausgekauft, wäre der Zuschlag an die CA Immo gegangen.

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Dauerthema Sitzordnung: Anwälte zufrieden

Durch die Zuschaltung des Zeugen per Video im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts ergab sich auch eine Änderung der Sitzordnung - zur Zufriedenheit der Verteidiger der Angeklagten, die bis dato an jedem Prozesstag ihre Platzierung im Gericht moniert hatten.

Die meisten Verteidiger störten sich bisher daran, dass sie niedriger saßen als die Staatsanwälte. Des weiteren befürchteten sie, dass die vier Reihen hinter ihnen sitzenden Journalisten auf ihre Unterlagen blicken könnten. Dass dieses Problem lösbar wäre, wie die heutige Sitzordnung zeige, betone zu Prozessbeginn Grasser-Anwalt Norbert Wess - obwohl er noch immer die "mangelnde Rückendeckung" monierte.

Replik von Richterin Marion Hohenecker: Es sind heute auch deutlich weniger Angeklagte und Verteidiger anwesend, da die mitangeklagte Causa Terminal Tower heute nicht behandelt wird. Heute, Mittwoch, geht es einmal mehr um den Korruptionsverdacht bei der Privatisierung der Bundeswohnungen (u.a. Buwog) unter dem damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/ÖVP).

Schlechte Tonqualität: Zeuge muss noch einmal befragt werden

Weniger zufrieden waren die Anwälte mit der Tonqualität der Videoübertragung. Der heutige Zeuge wird daher noch einmal befragt, weil die Verteidiger seine per Videokonferenz übermittelten Aussagen schlecht verstanden und vor ihren Fragen an den Investmentbanker auf die Übermittlung des Tonbandes bzw. Protokolles warten wollen.

Traumüller kommt erneut

Am Donnerstag wird einmal mehr Traumüller befragt, der schon drei mal aussagen musste. Zuletzt wurde Traumüller am 26. März von Richterin Hohenecker rund um die Vorgänge im Juni 2004, der entscheidenden Phase im Vergabeverfahren für die Bundeswohnungen, befragt. Das Problem dabei: Für die Sitzung vom 7. Juni 2004, in der eine zweite Bieterrunde von Grasser beschlossen wurde, gibt es kein Sitzungsprotokoll, sondern nur handschriftliche Notizen von Traumüller.

Er war damals Leiter des Privatisierungsverfahrens im Ministerium, wie er selber sagte. Wie es dazu kam, dass am 7. Juni eine offenbar informelle Sitzung über eine zweite Runde entschied, und am 8. Juni die Kommissionssitzung, die sich eigentlich mit den Angeboten befassen sollte, kurzerhand abgesagt wurde, konnte er genau sowenig beantworten wie die Frage, wer zu der Besprechung am 7. Juni eingeladen hat. Bis heute, dem 95. Verhandlungstag, ist auch offen, wer aller bei der Sitzung dabei war.

Am Dienstag standen die Aussagen des Belastungszeugen Michael Ramprecht im Mittelpunkt der Zeugenbefragungen. Dessen Bruder und seine Ehefrau bestätigten am Vormittag seine bisherigen Aussagen. Zwei weitere Zeugen am Nachmittag zeichneten hingegen das Bild eines "schwierigen Menschen", der sie bedroht habe.

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