BP-Wahl: Die Kandidaten im ORF: "Oida, es reicht"
Der Reigen der Fernsehauftritte vor der Hofburg-Wahl neigt sich dem Ende zu. Am Donnerstag waren die sieben Anwärter für das höchste Amt im Staat in den ORF eingeladen, um dort in Einzelinterviews ihre Vorstellungen kundzutun. Eine klassische Elefanten-Runde scheiterte daran, dass Amtsinhaber Alexander Van der Bellen wie einige seiner Vorgänger (u.a. Heinz Fischer) beim Anlauf zur Wiederwahl auf Konfrontationen verzichtete.
So mussten sich die sieben Männer nacheinander in der Reihenfolge ihrer Umfragenstärke den Fragen von Susanne Schnabl und Armin Wolf stellen, was MFG-Chef Michael Brunner den ersten Platz am Interviewten-Sessel bescherte.
Brunner: "Rechtsstaat nicht mehr gegeben"
Brunner wollte seine Chancen nicht einschätzen, sondern sich lieber vom Wahlabend überraschen lassen. Einen Plan B hat Brunner: sollte er nicht Präsident werden, wird er voraussichtlich Spitzenkandidat der impfkritischen MFG bei der Nationalratswahl.
Inhaltlich arbeitete sich Brunner wieder am Staat ab: "Glauben Sie tatsächlich noch an einen funktionierenden Rechtsstaat in Österreich?" Die Rolle des Präsidenten will er stärken, dazu die Regierung entlassen und durch ein Übergangskabinett ersetzen.
Staudinger: "Das bringe ich nicht zusammen"
Schuhproduzent Heinrich Staudinger - ebenfalls Nachzügler in den Umfragen - gab sich wieder unkonventionell. Auch als Bundespräsident würde er sich nicht an Gesetze halten, die er nicht nachvollziehen kann: "Das bringe ich nicht zusammen. Ich brauche gewisse Spielräume."
Selbst als Oberbefehlshaber des Bundesheers würde er bei diesem die Waffen reduzieren. Ohnehin könne sich niemand vorstellen, dass man mit dem österreichischen Heer ein Match gewinnen könne. Man sollte sich mehr ein Beispiel an Mahatma Gandhi nehmen. Seine Äußerung in einer "Puls4"-Sendung, wonach "me too" eine Erfindung des CIA gewesen sei, nahm er halbherzig als eine Art Gedankenspiel zurück, zumindest bereute er die Aussage.
Grosz: "Ich würde Ihnen dringend raten, das zurückzunehmen"
Gerald Grosz war im Wahlkampf mit deftigen Beschimpfungen in Richtung Staatsoberhaupt und Regierungsspitze aufgefallen. Die verteidigte er unter anderem damit, dass er damit auch den Ärger der Bevölkerung über die Politik zum Ausdruck bringe.
Wie Brunner würde auch Grosz, der ebenfalls ein Scheitern z.B. in der Corona-Politik attestierte, eine Übergangsregierung bis zu einer Neuwahl etablieren: "Das wäre die Erlösung." Dem Übergangskabinett gäbe er per Präambel als Aufgabe unter anderem mit, die Russland-Sanktionen zu beenden.
Dass er auf eine zivilrechtliche Verurteilung aus der Vergangenheit angesprochen wurde, entrüstete Grosz ungemein, sodass er während der hitzigen Diskussion in Richtung von Moderatorin Susanne Schnabl meinte: "Ich würde Ihnen dringend raten, diese Anschuldigungen zurückzunehmen!"
Wlazny: "Werde seit Wochen von den Grünen beschimpft"
Dominik Wlazny, der als Sänger und Bierpartei-Gründer Marco Pogo bekannt wurde, hat inhaltlich durchaus Überschneidungen mit dem Amtsinhaber. Als bessere Alternative sieht er sich dennoch: "Ich bin in meiner politischen Tätigkeit unverbraucht." Dass er mit 35 gerade einmal das Mindestalter für einen Antritt erreicht hat, sieht Wlazny als Vorteil. Trotz seiner jungen Jahre nehme er als Unternehmer und Arzt viel Erfahrung mit. Kritik am Namen Bierpartei teilt er nicht: "Ich habe in dem Wahlkampf eigentlich nie über Bier geredet."
Inhaltlich wiederholte auch er die Botschaften des Wahlkampfs. Zentral bleibt dabei, dass er Regierungsmitglieder vor deren Angelobung von einer Kommission quasi begutachten lassen würde. Gegenüber dem Amtsinhaber meinte Wlazny, man solle nicht so tun, als wäre Van der Bellen ein unabhängiger Präsident. Denn: "Ich werde seit Wochen von den Grünen unter der Gürtellinie beschimpft und meine Plakate sieben Plakate mit Stickern überklebt."
Wallentin: "Binnen-I in Gesetzestexten verfassungswidrig"
Rechtsanwalt Tassilo Wallentin meint, dass es für viele der schwierigen Fragen der Zeit von Asyl bis Inflation gar nicht so komplizierte Lösungen gebe. Nur könne das gegenwärtige System den Anstoß nicht geben. Dafür brauche es jemanden von außen wie ihn, der frischen Wind bringe. Er würde etwa mit Kamerateams hinausgehen und den Menschen zeigen, was im Lande los sei. Das würde eine Regierung zum Handeln zwingen.
Gesetze mit Binnen-I würde Wallentin nicht unterschreiben, weil das sexuell Uneindeutige und Transsexuelle ausklammern würde. Es sei nicht klar, wer davon erfasst sein soll, und daher "möglicherweise verfassungswidrig".
Rosenkranz: "EU ist kriegsgeil"
Der freiheitliche Präsidentschaftskandidat Walter Rosenkranz legte seinen Fokus auf die Neutralität, die Österreich durch die Unterstützung der Russland-Sanktionen verlassen habe. Der EU warf er in dem Kontext vor, "kriegsgeil" zu sein. Wenn man auf einen Eisberg zusteuere - und das sei nicht mehr sehr fern, sollte man lieber in einem Rettungsboot davon fahren, sprich: Über ein Referendum die EU verlassen.
Die Sanktionspolitik könnte für Rosenkranz auch ein Anlass dafür sein, die Regierung zu entlassen. Beraten will er sich dabei aber mit Experten. Auch einzelnen Ministern - angesprochen wurden Leonore Gewessler und Johannes Rauch (Grüne) - könnte unter Präsident Rosenkranz die Abberufung drohen. Allerdings würde er sich als Staatsoberhaupt von den Regierungsmitgliedern davor persönlich ein Bild machen.
Van der Bellen: "Oida, es reicht"
Der Amtsinhaber musste sich verteidigen, weil er nicht mit den Herausfordern diskutieren wollte. Sein Argument blieb, dass die Leute nach sechs Jahren schon wüssten, wie er in Krisensituationen reagiere. Auch hätten ihn die Auftritte der Gegenkandidaten im Wahlkampf eher in dieser Entscheidung bestärkt.
Kritik an Social-Media-Auftritten wies Van der Bellen als humorlos zurück: "Kein Mensch glaubt ernsthaft, dass Juli, mein Hund, ein Interview gibt." Bedauert wurde von Van der Bellen seine Aussage, wonach die Jugend in den aktuell schwierigen Zeiten die Zähne zusammenbeißen solle: "Das war in jeder Beziehung blöd".
Zu alt für das Amt hält sich der 78-Jährige nicht: "Ich finde, ich bin jetzt langsam reif genug und alt genug, um dieses Amt auszuüben." Sollte er sich im Falle einer Wiederwahl im Verlauf der nächsten sechs Jahre jedoch nicht mehr fit genug fühlen, "würde ich mir selbst sagen: 'Oida, es reicht.'"