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Letztes TV-Duell geriet zur Schlammschlacht

Der längste Wahlkampf in der heimischen Geschichte geht dem Ende zu. Und es wird auch Zeit. Das finale TV-Duell am Donnerstag Abend im ORF geriet überraschend aggressiv und so gar nicht staatstragend. Mehrfach werfen die Kandidaten einander Lügen vor. "Die Attacken waren darauf ausgerichtet, die Glaubwürdigkeit des Konkurrenten zu zerstören", sagt OGM-Chef Wolfgang Bachmayer, der gemeinsam mit Medientrainer Gerald Groß für den KURIER das Duell analysierte.

Der erste Angriff ging von Van der Bellen aus. "Zutiefst getroffen hat mich, dass Ursula Stenzel meinen Vater mehrmals als Nazi bezeichnet hat. Mein Vater ist seit 50 Jahren tot, er kann sich nicht wehren", sagte Van der Bellen und zeigte ein Foto von seinem Vater in die Kamera. "Sehen Sie, er ist ein Mensch", war der Begleittext.

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Eine ausführliche Analyse der beiden Kontrahenten lesen Sie auch hier

Hofer revanchierte sich, indem er Postings zitierte, in denen er als Krüppel beschimpft wird. Bachmayer: "Van der Bellens Angriff war platt, und Hofer kocht sinnloserweise die Kloake hoch."

Hofer spottet

Dann spottet Hofer über Van der Bellen: "Sie waren nie ein Grüner, nie Freimaurer, nie Kommunist." – "Sie lügen schon wieder", kontert Van der Bellen. "Zeigen Sie ein Parteibuch her!"

Dann kramt Hofer alte Spionagevorwürfe des früheren Generaldirektors für öffentliche Sicherheit, Michael Sika, hervor. Demnach habe Van der Bellen für den Osten ein Rüstungsprojekt ausspioniert. Van der Bellen winkt müde ab: "So etwas liegt mir völlig fern."

"Die Attacken sind darauf ausgerichtet, die Glaubwürdigkeit des Konkurrenten zu zerstören. Hofer stellt Van der Bellen als Flipflopper dar"


Wolfgang Bachmayer, OGM-Chef

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Mehrmals gelingt es Hofer, Van der Bellen mit Zitaten zu überführen, dass er die Meinung geändert habe. Hofer nennt das "Lügen". Bachmayer: "Hofer zielt darauf ab, Van der Bellen als Flipflopper hinzustellen, was natürlich für einen Bundespräsidenten nicht besonders vorteilhaft ist, wenn er keine Linie hat."

Dann geht es angeblich um Sachthemen. Arbeitslosigkeit und Milchpreis. Sicherheit und EU. Van der Bellen betet die Gesetzeslage herunter, verliert sich EU-Recht bis hin zur amerikanischen Verfassung. Hofer ist konkret. Er sagt, die Bauern leiden unter den Russlandsanktionen. Er sagt, Bettler sind oft Mitglieder von Banden. Er nennt Zuwanderung als einen Grund für Unsicherheit in Österreich. Und er spricht sich gegen eine europäische Verfassung aus, die das Aufgeben von Souveränitätsrechten bedeuten würde. Mit einem Wort: Hofer bringt seine Botschaften unter.

VdB philosophiert

"Hofer hat den Vorteil, dass er in Bildern spricht, während Van der Bellen abstrakt vor sich hin philosophiert. Van der Bellen bemüht sich, ehrliche Antworten zu geben. Hofer holt seine Zielgruppen, im Fall des Milchpreises die Bauern, ab, wo sie sind." Insgesamt sei Hofer aktiver, aber auch aggressiver aufgetreten als Van der Bellen, sagt Groß.

"Norbert Hofer hat den Vorteil, in Bildern zu sprechen, während Alexander Van der Bellen in der Art eines Professors abstrakt vor sich hin philosophiert."


Gerald Groß, Medientrainer

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Der Donnerstag hatte bereits hitzig begonnen. Ein paar Stunden vor der Fernseh-Wahlshow hatte eine Äußerung Hofers beziehungsweise deren Interpretation für Aufregung gesorgt. Die APA berichtete unter dem Titel"Hofer vertraut bei Todesstrafe auf ,Gespür’ der Menschen", dass "Hofer einer Volksabstimmung über die Wiedereinführung der Todesstrafe keinen Riegel vorschieben" wolle. Der Freiheitliche wurde so zitiert: "Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen ein gutes Gespür dafür haben, welche Themen für direkt-demokratische Abstimmungen geeignet sind – und dass die Wiedereinführung der Todesstrafe nicht mit unseren Werten vereinbar ist."

Todesstrafe

Nicht nur in den Sozialen Medien ging es ob dieser Aussage rund. Auch die Polit-Konkurrenz meldete sich zu Wort. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder etwa befand: "Todesstrafe kann nie Gegenstand einer Abstimmung sein." Van der Bellen reagierte ebenfalls: "Ein Bundespräsident muss in Sachen europäischer Grundwerte eine unmissverständliche Haltung vertreten. Alleine das Zulassen einer Volksabstimmung über die Einführung der Todesstrafe stellt das Grund- und Menschenrecht auf Leben zur Disposition."

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Ob des Wirbels fühlte sich Hofer zu einer Klarstellung bemüßigt: "Aus dem Umstand, dass ich die Todesstrafe als nicht mit unseren Werten vereinbar erachte, folgt, dass ich eine solche Volksabstimmung strikt ablehne." In der TV-Debatte warf Hofer dann den Medien vor, seine Aussagen zu verdrehen.

Am Sonntag wird hoffentlich rechtsgültig feststehen, wer Bundespräsident wird. Hofer und Van der Bellen sagten zum Schluss der TV-Debatte doch noch versöhnlich: Wer immer gewinne, man werde miteinander in Kontakt bleiben.

Es war der gefühlt hundertste TV-Auftritt der beiden Kandidaten – und dennoch ein singuläres Ereignis. Fernseh-Auftritte sind und bleiben Gefühlskino. Es geht immer mehr um das Wie als um das Was – erst recht bei der (nach menschlichem Ermessen) letzten TV-Konfrontation. Der XXL-Wahlkampf für die Fischer-Nachfolge hatte etwas von einem Marathon-Lauf. Von Alexander Van der Bellen hatte man spätestens seit der Halbzeit den Eindruck, dass er sich zunehmend lustlos Richtung Ziel bewegt. Bei Norbert Hofer dominierte der Eindruck, dass er selbst dann, wenn auch ihm die Puste auszugehen drohte, die Zähne zu einem Lächeln zusammenbiss. Im finalen TV-Duell verbissen sich die beiden aber derart ineinander, dass man sich an das legendäre TV-Duell auf ATV ohne Moderator erinnert fühlte.

Van der Bellen startete angriffig und emotionell, verlor sich aber immer wieder professoral in Detailfragen. Hofer zog seine Strategie unpräsidentiell brutal durch, dessen Vertrauenswürdigkeit – Grundkapital für den Präsidentenjob – zu erschüttern: "Sie lügen...", "Sie sagen die Unwahrheit...", "Sie lügen...". Das ORF-Duell wurde so zum unwürdigen Schlusspunkt eines ermüdend langen Wahlkampfs.

(Josef Votzi)