Van der Bellen ist kein Präsident "schneller Hüftschüsse"
Zwei Tage sind seit dem Wahlsieg von Alexander Van der Bellen vergangen. Nach den Turbulenzen und Irritationen der vergangenen Monate wollte er auf Nummer sicher gehen und abwarten, bis Innenminister Wolfgang Sobotka am Dienstag das offizielle Ergebnis verkündet. Mit 53,8 Prozent setzte sich der ehemalige Grünen-Chef gegen seinen Kontrahenten Norbert Hofer doch klarer durch, als viele Meinungsforscher erwartet haben. Von einem Kopf-an-Kopf-Rennen war schon Sonntagabend keine Rede mehr gewesen.
Dienstagnachmittag, 15:04 Uhr, trat der designierte Bundespräsident vor die zahlreichen Medienleute aus dem In- und Ausland. Rote Krawatte, weißes Hemd, schwarzer Anzug. Das Setting: schmales Rednerpult, ein Glas Wasser, dahinter das Rot-Weiß-Rot Österreichs sowie das Blau mit den gelben Sternen der Europäischen Union. "Schönen guten Tag meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Österreicher und Österreicherinnen, liebe Medienvertreter", sagte Van der Bellen sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch. "Ein knappes Jahr ist seit meiner Ankündigung, für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren, vergangen. Wahl, Stichwahl, Anfechtung, Aufhebung, Wiederholung, nennen wir es Kleberproblem, Verschiebung und jetzt endlich ein Ergebnis."
Für die Geduld dankte er allen Bürgern, die ihr Wahlrecht ausgeübt haben. "Insbesonders danke ich den Wählern, die mir das Vertrauen geschenkt haben", sagte Van der Bellen und fügte hinzu, dass er auch den Menschen, die Norbert Hofer gewählt haben, die Hand reichen möchte. Er möchte, wie mehrmals schon betont, der "Bundepräsident aller Österreicher und Österreicherinnen" sein. (Die Wahlmotive im Überblick)
Van der Bellen: "Hohe Wahlbeteiligung zeigt politisches Interesse"
Der 72-Jährige wirkte ruhig und besonnen, wählte seine inzwischen zweiten ersten Worte - für einen kurzen Moment war Van der Bellen schon im Mai designierter Bundespräsident - sorgfältig aus. Selbstverständlich gratulierte er auch seinem Konterpart bei der Hofburg-Wahl, Norbert Hofer. "Es war ein respektables Ergebnis. Ich sollte vielleicht am besten wissen, wieviel Einsatz so ein Wahlkampf kostet." Natürlich sei auch viel gestritten worden, aber das Darlegen von Standpunkten gehöre dazu und sei positiv zu sehen (mehr dazu hier).
Zugleich möchte er auch mit etwas aufräumen, wie er sagte: "Entgegen aller, die sagen, das Land ist gespalten oder Österreicher sind politikmüde. Das Gegenteil ist der Fall: Ich sehe keine Spaltung und die hohe Wahlbeteiligung zeigt, dass die Wahl den Menschen wichtig ist." Van der Bellen erinnerte sich auch an seine erste Ansprache am 23. Mai, in der er gesagt hatte, dass alle Teile der Bevölkerung wichtig seien. "Ich werde weiterhin das Gemeinsame suchen, das Gemeinsame vor das Trennende stellen und als Bundespräsident über parteipolitischen Interessen stehen."
Deshalb, versicherte der ehemalige Wirtschaftsprofessor, möchte er das Beste aus Österreich herausholen. "Ich sehe in diesem Wahlergebnis letztlich auch einen Auftrag, nicht nur an mich, sondern an alle", erklärte er. Man müsse über die Gesprächskultur in der Politik nachdenken (mehr dazu hier). "Ich werde versuchen, dem Thema, wie wir mit Worten umgehen, einen großen Platz in meiner Präsidentschaft einzuräumen." Auch Medien müssten sich in die Pflicht nehmen - wie auch jene, "die sich öffentlich äußern". Sie seien für die Gesprächskultur im Land verantwortlich. Aber er sei guter Dinge, dass "wir in Österreich in den kommenden Jahren eine Zeit mit hohem politischem Interesse haben werden". (Was sagt Norbert Hofer zum Ergebnis?)
"President-elect", aber abwarten
Er werde seine Worte mit Bedacht wählen: "Ich stehe nicht für Entscheidungen aus der Hüfte. Ich bin für gut- und wohlüberlegte Entscheidungen." Van der Bellen möchte versuchen, einen "konstruktiven Austausch" miteinander und untereinander zu fördern. Das gemeinsame Europa soll zusammenrücken, es dürfe nicht länger auseinanderdividiert werden.
Außerdem kündigte er an, sich mit Vertretern der Länder, Gemeinden, der Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft zu treffen, um zu vereinen. "Wenn wir von Spaltung, Polarisierung reden, von zwei Hälften reden, dann sind das doch keine Hälften, die es geben muss", sagte er. Van der Bellen will "weg von dieser abstrakten Ebene" der polarisierten Blöcke, "schauen wir auf die persönliche Ebene jedes einzelnen Menschen. Das heißt: Suchen wir untereinander doch das Miteinander. Bei jeder Gelegenheit, im Wirtshaus, in der U-Bahn, auf den Dorfplätzen. Und versuchen wir doch für’s Erste einfach miteinander zu reden, zuzuhören."
Vorerst sei er sozusagen "der President-elect, aber inzwischen wissen wir, dass Fristen abwarten müssen und wir wissen auch, warum wir diese Fristen abwarten", räumte Van der Bellen abschließend ein - ein kleiner, aber feiner Seitenhieb an die Aufhebung der Stichwahl im Juni (mehr dazu hier).
"Amtlich" wird das Ergebnis erst am 15. Dezember - am Wahlsieg des Ex-Grünen ist aber nicht mehr zu rütteln.