Bürgermeisterinnen im Nachteil: Aufholbedarf in der Kommunalpolitik
Von Diana Dauer
Nur 9,7 Prozent der Bürgermeister und Bürgermeisterinnen sind weiblich. In genauen Zahlen: In Österreich sind nur 202 von 2.093 Bürgermeister Frauen. Das Forschungsteam rund um Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle hat den Alltag und die Einstellungen der Bürgermeister und Bürgermeisterinnen abgefragt. In der Kommunalpolitik herrscht akuter Nachholbedarf:
Bürgermeister herkunftstechnisch häufig in ihren Gemeinden verwurzelt. 74 Prozent sind in der Gemeinde aufgewachsen, in der sie nun auch Bürgermeister sind. Die durchschnittliche Bürgermeisterin, der durchschnittliche Bürgermeister lebt meistens in traditionellen Familienständen. In den Gemeinden Österreichs herrschen oft nach wie vor konservative Rollenaufteilungen, weswegen es Frauen in der Kommunalpolitik schwerer haben als Männer an die Spitze zu kommen, erklärt die Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle.
Klassische Rollenaufteilung unter Bürgermeistern
80 Prozent der Bürgermeister sind verheiratet, 89 Prozent haben zwei Kinder. Bei den Frauen sind beide Werte geringer. Frauen in dieser Position sind eher geschieden und haben weniger Kinder. Traditionell ist auch die Aufgabenteilung im Haushalt der Bürgermeister und Bürgermeisterinnen: Tendenziell liegen diese Familie- und Haushaltsaufgaben in der Verantwortung der Frauen - auch bei Bürgermeistern. Bei 60 Prozent der männlichen Bürgermeister übernehmen die Partner den Großteil des Haushalts und der Care-Arbeit. Nur ein Prozent der befragten Männer geben an, dass sie selbst den Großteil der Hausarbeit übernehmen. Hingegen geben 36 Prozent der weiblichen Bürgermeisterinnen an, dass das hauptsächlich ihre Aufgabe ist. Insgesamt empfinden die Frauen in diesem Spitzen-Job die Unterstützung für ihre Amtsausführung geringer als Männer.
Etwa die Hälfte der befragten amtierenden Bürgermeister und Bürgermeisterinnen führen den Job hauptberuflich aus. Weitere 50 Prozent sind nur nebenberuflich Bürgermeister. Der Stundenaufwand pro Woche wird bei Männern und Frauen unterschiedlich eingeschätzt. Während männliche Bürgermeister in den Gemeinden - an der Umfrage haben hauptsächlich kleinere Gemeinden teilgenommen - zwischen 21 und 40 Stunden pro Woche für das Bürgermeisteramt aufwenden, geben weibliche Bürgermeister an, 41 bis 60 Stunden in der Woche zu arbeiten.
Hinzu kommt, dass 55 Prozent der weiblichen Bürgermeisterinnen Sorge um die eigene soziale Absicherung haben. Um Frauen in der Kommunalpolitik zu fördern wäre eine bessere soziale Absicherung für Frauen die beste Förderung, um Frauen in der Lokalpolitik zu fördern, meinen befragte Frauen und sowie die Studienautorin.
Zum Amt überredet
37 Prozent der Bürgermeisterinnen geben an, zu ihrer Kandidatur überredet worden zu sein. Bei Männern sind das nur 10 Prozent. Auch der gefühlte Anspruch unterscheidet sich zwischen Männern und Frauen. Frauen empfinden, dass an sie höhere Ansprüche gestelllt werden, als an ihre männlichen Kollegen. Für die Politikwissenschaftlerin und Studienautorin Stainer-Hämmerle zeigt die Umfrage ganz klar: „Das Bewusstsein für Frauenförderung ist bei den Verantwortlichen noch nicht ausreichend angekommen. Wenn 83 Prozent der Bürgermeister meinen, an ihre Kolleginnen würden dieselben Anforderungen gestellt, verkennen sie die Lebensrealität von Frauen in der Politik.“
Unterschiede gibt es auch bei der Begründung der Wahlsiege. Frauen schätzen, dass sie gewählt wurden, weil sie als vertrauensvoll und bürgernah gelten. Die Männer hingegen werten die Bürgermeisterwahl als Persönlichkeitswahl, sie seien vornehmlich wegen ihrer Bekanntheit gewählt worden. Auch im Wahlkampf machen sich geschlechtliche Unterschiede breit. Frauen gaben an, dass die größten Schwierigkeiten im Wahlkampf persönliche Angriffe und ein schmutziger Wahlkampf waren, diese Problemen hatten Männer zu 30 Prozent seltener. 20 Prozent der Frauen wurden mit Sexismus konfrontiert.
Warum sind so wenige Frauen Bürgermeisterin?
Als Hauptgrund für den geringen Frauenanteil sehen beide Geschlechter (jeweils über 70 Prozent) die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Während die Männer aber eher mangelndes Interesse der Frauen orten, sehen die Frauen selbst vor allem die männlich geprägte Parteikultur, ihr eigenes mangelndes Selbstvertrauen und das traditionelle Frauenbild in der Bevölkerung als Gründe.
91,9 Prozent der Bürgermeisterinnen, aber nur 62,5 Prozent ihrer männlichen Kollegen halten Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteil in der Gemeindepolitik für nötig. Bei der Frage nach den konkreten Maßnahmen nennen fast 80 Prozent der Bürgermeisterinnen eine bessere soziale Absicherung.
Denn die Bürgermeisterinnen sorgen sich auch eher um ihre soziale Absicherung (knapp 55 Prozent) als ihre männlichen Amtskollegen (38 Prozent).