Breite ÖVP-Front für Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst
Die Forderung von Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) nach einem Kopftuch-Verbot im öffentlichen Dienst sorgt bei Österreichs Muslimen für massive Empörung. Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) weist den Vorstoß als "anti-integrativ und diskriminierend" zurück. Frauenbeauftragte Carla Amina Baghajati – selbst Religionslehrerin – wertet Kurz’ Initiative als Akt der Erpressung. "Emanzipierte, gebildete Musliminnen sollen so aus dem Staatsdienst zurück in die Küche gedrängt werden", mutmaßt sie.
IGGÖ-Präsident Ibrahim Olgun appelliert an Kurz, die Forderung zurückzunehmen, da sie "einer weiteren Zusammenarbeit zwischen der Glaubensgemeinschaft und dem Integrationsministerium den Boden unter den Füßen zu entziehen droht". Bliebe es dabei, würde aus dem geplanten Integrations- ein Diskriminierungspaket, sagt Olgun.
"Falsches Signal"
Baghajati ist nicht zuletzt empört, weil der Vorschlag "wieder einmal von Männern kommt, die den Frauen vorschreiben wollen, wie sie sich zu kleiden haben".
Zudem sei die Optik fragwürdig: "Wenn Frauen mit Kopftuch putzen gehen, ist das okay. Aber sobald eine Muslimin höher qualifiziert und an ihrem Arbeitsplatz sichtbar ist, ist es ein Problem." Gerade Bedienstete des öffentlichen Dienstes hätten "eine positive Grundeinstellung zum Staat nicht nur verinnerlicht", sondern seien "Multiplikatorinnen der Rechtsstaatlichkeit und Loyalität zu Österreich". Ihnen diese Eignung abzusprechen abzusprechen, sei "ein Signal in die völlig falsche Richtung".
Da das Diskriminierungsverbot am Arbeitsplatz Arbeitgebern seit 2004 untersagt, einer Bewerberin aufgrund ihres Kopftuchs abzulehnen, sei Kurz’ Vorstoß besonders pikant, meint man bei der IGGÖ. Sollte doch gerade der Staat "hier mit gutem Beispiel vorangehen und mit seiner Einstellungspolitik die Vielfalt der Gesellschaft abbilden".
Zuspruch aus Ländern
ÖVP-Männer aus den Bundesländern stärkten Kurz am Freitag den Rücken: In Vorarlberg hält Landeshauptmann Markus Wallner das Kopftuchverbot für "durchaus vorstellbar". In Oberösterreich fordert Thomas Stelzer, Landeshauptmann in spe, eine "unaufgeregte Diskussion."
Und in der Steiermark sagt Hermann Schützenhöfer: "Wir müssen unsere Werte wie Freiheit und Gleichberechtigung verteidigen."
Vor allem in Schulen
Zum öffentlichen Dienst gehört bekanntlich auch das Schulwesen – Integrationsminister Kurz hält das Kopftuchverbot vor allem dort für wichtig: "Weil es dort um Vorbildwirkung und Einflussnahme auf junge Menschen geht." In Österreich geben 600 Lehrer islamischen Religionsunterricht, etwa die Hälfte davon sind Frauen, die laut IGGÖ alle Kopftuch tragen.
Obwohl Kurz betont, dass Österreich säkular (Trennung von Kirche und Staat) sei, will er das Kreuz im Klassenzimmer nicht infrage stellen. Diese Tradition sei historisch gewachsen und verfassungsrechtlich abgesichert.
Frankreich ist da schon konsequenter: Der Laizismus ist gesetzlich verankert. Das Tragen von religiösen Symbolen ist Lehrern deshalb seit 1905 verboten, seit 2004 auch Schülern und Studenten.
In der Schweiz ist die Kopftuchfrage zwar national nicht eindeutig geklärt, in der Praxis wird es Lehrerinnen aber untersagt. Der Anlassfall war 1996 in Genf: Eine Primarlehrerin musste ihr Kopftuch ablegen. Der Entscheid wurde vom Bundesgericht und vom Europäischen Gerichtshof bestätigt.
In Deutschland wird von Fall zu Fall entschieden, ob ein spezifisches Kopftuch einer spezifischen Lehrerin "den Schulfrieden stört". So hat es das Bundesverfassungsgericht 2015 bestimmt.
Als Aufreger-Thema, Quotenbringer und Schlagzeilenversorger für um Aufmerksamkeit ringende Politiker ist sie immer gut – die Kopftuchdebatte. Diesmal neu angeheizt ausgerechnet vom Vorsitzenden des Expertenrates für Integration, Heinz Faßmann. Im öffentlichen Dienst, etwa an Schulen, sollten Frauen kein Kopftuch tragen, fordert er. Staatsbedienstete hätten sich religiös und ideologisch neutral zu verhalten. Eine berechtigte Forderung, die aber dann bitte für alle Staatsdiener dieses Landes gleichermaßen zu gelten hat. Heißt: keine kleine Buddha-Statue auf dem Schreibtisch des Finanzbeamten, kein Kreuz an der Halskette der Lehrerin, keine Kippa im Staatsdienst. Wenn sich auch der Arbeitgeber Staat gegenüber allen Religionen seiner Bediensteten neutral verhält, wie dies etwa in Frankreich schon seit Langem der Fall ist, dürfen Politiker aller Couleurs die Forderung eines Kopftuchverbots für Lehrerinnen getrost erheben. Andernfalls wäre man wohl versucht zu glauben, es handle sich nur um billige Stimmungsmache.
Von Ingrid Steiner-Gashi