Blümel: "Wem's passt wie es ist, der braucht uns nicht zu wählen"
ÖVP-Spitzenkandidat und Finanzminister Gernot Blümel drängte Sonntag in der ORF-Pressestunde bei Hans Bürger (ORF) und der stv. Innenpolitik-Ressorleiterin des KURIER, Johanna Hager, auf weitere Maßnahmen der Stadt Wien, um die wegen der hohen Infektionszahlen verhängten Reisewarnungen wegzubekommen. Er verteidigte die Linie der Regierung, regional unterschiedliche Maßnahmen zuzulassen. Sein Ziel für die Wien-Wahl ist möglichst viel Zuwachs für die ÖVP, Rot-Türkis ist aus seiner Sicht "natürlich" möglich. Andernfalls bleibt Blümel Finanzminister.
Wien sollte dem Beispiel der westlichen Bundesländer folgen und ebenfalls die Sperrstunde auf 22 Uhr vorverlegen, forderte Blümel neuerlich. Mit Blick auf die für Tourismusunternehmen und Handel besonders wichtige Vorweihnachtszeit müsse man alles tun, damit Deutschland oder die Niederlande ihre Reisewarnungen zurücknehmen. Andersfalls drohe vielen Unternehmen die Pleite und vielen Beschäftigten die Arbeitslosigkeit.
Da diese Reisewarnungen regional je nach Infektionszahl - etwa gegen Wien oder Innsbruck - verhängt werden, müsse auch regional gehandelt werden, wies Blümel Kritik an einer unübersichtlichen Regel-Vielfalt zurück. Einen zweiten Lockdown wolle die Regierung "um jeden Preis verhindern". Eine Zahlengrenze, ab der ein solcher nötig wäre, wollte Blümel nicht nennen. "Ich bin kein Virologe, aber mir sind die Zahlen jetzt schon viel zu hoch", sagte er nur.
An Corona-Hilfen für die Wirtschaft sind - bei einem Budget von 50 Mrd. Euro - derzeit 25 Mrd. Euro rechtsverbindlich zugesagt, gab der Finanzminister bekannt. Der Westbahn - die Kündigungen in den Raum stellte für den Fall, dass es keine staatlichen Hilfen gibt - stehe die Möglichkeit offen, Fixkostenzuschuss zu beantragen.
Wenn es die Corona-Entwicklung erfordert, werde man Hilfsmaßnahmen verlängern. Aktuell werde dies für den Härtefallsfonds überlegt. Auch ein Moratorium für Kredite - die Möglichkeit, sie in hybrides Eigenkapital umzuwandeln - werde erwogen, wenn Unternehmen wegen Corona von der Pleite bedroht sind.
In seiner Rolle als Wiener ÖVP-Spitzenkandidat blieb Blümel bei der Linie, die Erwartungen nicht allzu hoch zu schrauben: Eigene Umfragen mit deutlich über 20 Prozent habe die ÖVP selbst nie gehabt. Aus seiner Sicht wäre schon die Verdoppelung der - 2015 nur 9,24 Prozent - ein historischer Erfolg.
Auf Zuwachs hofft er vor allem aus der FPÖ - sei doch die ÖVP in Wien die "einzige regierungsfähige Mitte-Rechts-Partei" und mit ihrer Linie bei Integration und Sicherheit ein Angebot für enttäuschte FPÖ-Wähler.
Harte Linie bei Flüchtlingen
In der Frage, ob Österreich Flüchtlinge aus dem abgebrannten Lager Moria auf der Insel Lesbos aufnehmen soll, bleibt die ÖVP - und auch Blümel - hart. Eine Umverteilung sei nicht der richtige Weg, stattdessen brauche es Hilfe vor Ort. Den Verdacht, dass dies eine Wahlkampftaktik sei - aus Angst, die FPÖ könnte mehr Zulauf bekommen, wenn die ÖVP in dieser Frage nachgibt - weist Blümel zurück: "Das war schon vor der Wahl unsere Linie und das wird sie auch nach der Wahl sein." 2015 habe man gesehen, wozu eine offene Flüchtlingspolitik führe. "Es werden sich noch mehr Menschen auf den Weg machen", sagte Blümel.
In Wien haben sich Rot und Grün auf die Aufnahme von 100 Kindern aus Moria geeinigt. Für Blümel wäre eine Koalition mit den Roten "natürlich" realistisch, auch wenn die Haltung etwa in der Integrationspolitik sehr unterschiedlich ist.
Schließlich gebe es auch in der SPÖ - nicht nur Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, sondern auch in Wien - Stimmen, die dem ÖVP-Kurs recht geben. Aus Sicht Blümels sollte auch Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael "Ludwig weniger auf Rendi-Wagner-Linie sein und mehr auf Doskozil-Linie".
Dass der Bundeskoalitionspartner Grüne da "anders tickt", wisse man - und das sei kein Problem.
Deutsch als Bedingung
Den mit recht viel Kritik an Wien geführten ÖVP-Wahlkampf verteidigte Blümel. Er wolle zwar nirgends anders leben als in Wien - aber es gebe Probleme, etwa in der Entwicklung der Arbeitslosenzahlen oder des Haushaltseinkommens, aber auch bei Integration z.B. mit fehlenden Deutschkenntnissen. "Da läuft nicht alles ausschließlich gut", meinte Blümel - und merkte an: "Wem's reicht wie es ist, der braucht uns auch nicht zu wählen."
KURIER-Journalistin Hager nannte eine Umfrage, wonach nur 39 Prozent es befürworten, dass Deutschkenntnisse die Bedingung für eine Gemeindewohnung sind - genau das fordert Blümel jetzt im Wahlkampf. Davon sei er "zu 100 Prozent" überzeugt, konterte der ÖVP-Kandidat. Die deutsche Sprache sei die Grundvoraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben in Österreich - bei Integration solle man nicht nur fördern, sondern auch fordern.
Aufregung um Menasse-Posting
Gelassen zeigten sich Blümel zum (kleinen) Wahlkampf-Aufreger eines gelöschten Postings des Autors Robert Menasse. Er respektierte Menasses Meinung, sagte der Wiener ÖVP-Chef, auch wenn ihn die Wortwahl ein wenig überrascht habe.
Gelöscht worden sei nicht auf sein Drängen, sondern weil es gegen die Forums-Diskussionsregeln verstoßen habe - wenngleich er, Blümel, wisse, "dass das der Herr Menasse nicht so gemeint hat". Der Autor hatte in dem Posting die rhetorische Frage gestellt, ob Blümel zurück zu einer Zeit wolle, als Wien einen antisemtischen Bürgermeister hatte, von dem Hitler gelernt habe.