Politik/Inland

Binnenschifffahrt: „Ein Schubschiff ersetzt 900 Lkw“

Selbst wenn es keinen Klimanotstand geben würde – der Verkehr, insbesondere der Lkw-Verkehr durch Österreich, bleibt ein großes Problem für Mensch und Umwelt.

Während an alternativen Antrieben geforscht und die Verlagerung der Fracht von der Straße auf die Schiene vorangetrieben wird, meldet sich der Chef der drei Wiener Häfen, Fritz Lehr: Auch wenn sich nicht alles für den Transport auf Europas Wasserstraßen eigne, seien die Kosten und vor allem die Klimabilanz der Schubverbände unschlagbar, sagt Lehr, der auch Präsident der europäischen Hafenvereinigung EFIP mit Sitz in Brüssel ist.

KURIER: Wäre der Transport über Europas Flüsse ein klimapolitischer Hebel?

Fritz Lehr: Die Chancen sind sicher da. Erstens haben die Wasserstraßen ungenutztes Potenzial, wir könnten etwa die zehnfache Menge transportieren. Und zweitens ist klar, je größer die transportiere Menge, desto umweltfreundlicher wird es.

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Wie groß sind die Schiffe auf den Wasserstraßen?

An der unteren Donau haben wir Schubverbände von bis zu acht Bargen, das sind antriebslose Ladungsbehälter. Die können 19.600 Tonnen transportieren. Würde man die Fracht auf Lkw umladen, wären das 800 bis 900 Schwerfahrzeuge.

Wenn das so ist, warum wird dann die Wasserstraße nicht mehr genutzt?

Es zahlt sich aus meiner Sicht erst ab rund 700 Kilometern Transportweg aus. Ein Problem liegt bei der Instandhaltung der Donau durch Baggerarbeiten, insbesondere im unteren Teil der Donau und an Problemstellen in Bayern. Dadurch hat man ein höheres Risiko, dass die Ware liegen bleibt, manche Verlader tun sich das nicht an und geben die Ware gleich auf Lkw. Dann habe ich zwar höhere Kosten, und eine deutlich höheren -Ausstoß, aber mehr Kontrolle über die Lieferzeiten.

Zehn Mal mehr wäre möglich? Auf welchen Strecken wäre das machbar? Flüsse kann man ja nicht einfach bauen?

Jedenfalls wenn man große Mengen transportieren muss, oder auch Spezialladungen und Schwertransporte. Die Donau mit fast 2.000 km schiffbaren Teilen ist sehr gut geeignet. Es gibt ja noch immer viele Lkw, die von der Türkei bis nach Österreich und sogar bis nach England fahren. Das macht doch keinen Sinn.

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Ist es nicht so: Wenn einmal etwas auf einen Lkw verladen wird, bleibt es dann auch dort? ÖBB-Chef Matthä sagte im KURIER, dass der Lkw-Verkehr zu billig ist. Wie sehen Sie das?

Das Thema heißt Internalisierung externer Umwelt-Kosten, und das tut aus meiner Sicht Not, da kann ich Herrn Matthä nur beipflichten. Wenn man sich ansieht, dass eine Containerladung rund 60.000 Flaschen Wein fasst, und man mit allem drum und dran 2.000 Euro für den Container-Transport zahlt, kann man sich durchrechnen, was das pro Flasche heißt: Nämlich rund drei Cent pro Flasche. Da ist es fast egal, ob man den Wein ab Hof oder in Shanghai verkauft. Die Frage ist, ob dieser Preis ehrlich ist, oder er durch ein Marktversagen künstlich niedrig gehalten wird. Die externen Kosten sind nicht eingerechnet. Dazu kommt der geringe Dieselpreis für Lkw.

Was braucht es noch, um die Binnenschifffahrt zu stärken?

Die vielleicht unerwartete Antwort ist: Wir müssen bei der Bildung beginnen. Wir müssen Binnenschifffahrt und umweltfreundliche, multimodale Transportwege wie Bahn mehr in die Köpfe der Spediteure und Industriebetriebe bringen. Zweitens brauchen wir eine bessere Wasserstraßenerhaltung. Und wir müssen die Flotten modernisieren, die fahren teilweise mit sehr alten Dieselmotoren.

Wer macht das besser?

Schauen Sie, wie viele große Betriebe am Rheinufer angesiedelt sind, in Frankreich, der Schweiz und Deutschland. Bei uns hat das auch wegen des lange bestehenden Eisernen Vorhangs keine lange Tradition, wir haben kaum Industrie an der Donau. Aber mit den Häfen Linz, Enns, Krems und Wien samt Bahnanschluss sind wir sehr gut aufgestellt.