Politik/Inland

Zukunft des bifie-Instituts bleibt offen

Sie zog die Reißleine, wenn auch reichlich spät: Am Donnerstag gab Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) bekannt, dass die beiden Direktoren des Bildungsinstituts bifie bis Juni ihren Hut nehmen müssen. Und sie kündigte an, das Institut umfassend reformieren zu wollen. Wie, ist offen.

Anlass für die Rauswürfe ist die jüngste bifie-Pannenserie: Zuerst gab es ein EDV-Datenleck, das die Ministerin veranlasste, den internationalen Bildungsvergleichstest PISA abzusagen. Dann gab es Fehler bei der Generalprobe zur Zentralmatura: Der Notenschlüssel in den Fremdsprachen wurde nach oben gesetzt. Der größte Skandal war wohl die Deutsch-Matura, wo der Text eines NS-anrüchigen Autors zur Interpretation vorgelegt wurde – ohne auf dessen Vita zu verweisen.

Martin Netzer, der auf einem ÖVP-Ticket im Bildungsinstitut sitzt, und Christian Wiesner, der als SPÖ-Mann gilt, ereilt jetzt das gleiche Schicksal wie 2013 Langzeit-bifie-Chef Günter Haider und schon vorher dessen Co-Direktor Josef Lucyshyn. Letzterer wurde wegen "wesentlicher Schwächen im Kontrollsystem" gefeuert.

Auch die Nachfolger hatten offenbar Probleme bei der Kontrolle des bifie . Bis Herbst lässt sich die Ministerin Zeit, eine neue Spitze zu suchen.

Doch ein einziger Experte wird die Führung im "Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des Bildungswesens" garantiert nicht übernehmen. Denn: Rot und Schwarz bringen zwar wenig weiter – den Parteienproporz in Gesetze zu gießen, schaffen sie aber allemal: § 9 des bifie-Gesetzes verlangt zwei Direktoren.

Neuordnung

Die Ministerin will nun evaluieren lassen und dann "das bifie neu ordnen". Die Industriellenvereinigung fordert, dass überlegt werden müsse, welche Aufgaben künftig das Institut und welche das Ministerium habe. Die Grünen wollen, dass zwei der drei bifie-Standorte geschlossen werden und die Zentralmatura vom Ministerium formuliert wird. Die ÖVP lässt durch Generalsekretär Gernot Blümel ausrichten, dass nicht nur das bifie, sondern das gesamte Bildungssystem reformiert werden muss. Heißt: Wer welche Aufgaben zu erledigen hat. Da muss er aber wohl auch viele seiner Parteifreunde überzeugen.

Karl Svozil ist Professor am Institut für Theoretische Physik an der Technischen Universität in Wien. "Als Vortragender habe ich großes Interesse am Kenntnisstand der angehenden Studenten in Mathematik", erklärt er in einem Mail an die Schülerunion, die dem KURIER vorliegt.

Der Professor hatte mit großer Freude die aktuelle Mathe-Matura durchgerechnet. Doch bereits das zweite Beispiel der AHS-Matura habe ihn, wie er berichtet, "in einige Verwirrung gestürzt, da die Angabe falsch ist. Als Maturant hätte mich das aus dem Konzept gebracht".

Konkret geht es darum, dass ein "Betrag F" durch eine Gleichung beschrieben wird, dabei wurde aber in der Aufgabenstellung das Zeichen für die Betragsfunktion |x| vergessen. "Man kann das Beispiel zwar rechnen, aber die Angabe ist nicht richtig. Dafür, dass die Aufgaben sonst so pedantisch gestellt werden, ist dieser Fehler einfach peinlich. Das Beispiel ist einfach inkongruent", erklärt der Professor.

Der Rauswurf des roten und des schwarzen Direktors des Bildungsinstituts des Bundes (bifie) ist mit Sicherheit ein notwendiger Schritt. Gelöst ist damit im Bildungsbereich aber nichts. Das weiß wohl auch Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Sie ist seit knapp fünf Monaten im Amt, und hat bereits eine Pannenserie vorzuweisen, die eigentlich für fünf Jahre reichen würde.

Allem voran der Skandal rund um die Deutsch-Matura. Keinem der Verantwortlichen im Bildungsinstitut ist aufgefallen, dass den Schülern ein schwülstiger Text eines Ex-Mitarbeiters von Joseph Goebbels Propagandazeitschrift Das Reich vorgelegt wird. Jeder Maturant hätte das in weniger als zehn Sekunden mit seinem Smartphone herausfinden können. Und das war nicht der einzige schwere Fehler bei der ersten Zentralmatura.

Aber wie geht es weiter? Wie will Heinisch die Neue Mittelschule so reformieren, dass die hohen Kosten auch sinnvoll erscheinen? Wann bekommen die Schulen die notwendige Autonomie, damit sie selbstständig gute Lehrer anwerben und schlechte feuern können? Und wie lange müssen wir uns noch mit den vielen kleinen und großen Pannen vom ominösen Datenleck bis zur Zentralmatura herumschlagen, statt die großen Ziele der Bildungspolitik in Angriff nehmen zu können?

Fragen über Fragen. Eine davon: Wie lange kann sich Kanzler Werner Faymann die "Pleiten, Pech und Pannen"-Ministerin noch leisten? Die Bildungspolitik ist eines der Kernthemen der Sozialdemokraten. Bisher konnten sich die Roten auf die ÖVP ausreden, dass in der Bildungspolitik Reformen blockiert werden. Jetzt liegt das Problem bei der amtsführenden Ministerin.

Die ÖVP hat am Donnerstag eine rasche Neustrukturierung des Bundesinstituts für Bildungsforschung (Bifie) gefordert. Innenministerin und ÖAAB-Chefin Johanna Mikl-Leitner erklärte am Rande einer Veranstaltung gegenüber der APA: "Nach den vielen Pannen in den vergangen Wochen ist es jetzt wichtig, über die Neuordnung des Bifie zu diskutieren." Mikl-Leitner verwies auch auf die Koordinierungsrolle von SPÖ-Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Zeitlich solle die Restrukturierung bis Ende des Jahres erfolgen, so die Spiegelministerin Heinisch-Hoseks in Bildungsfragen.

Auch Vizekanzler und ÖVP-Obmann Michael Spindelegger erklärte nach seiner heutigen "Österreich-Rede" gegenüber der APA, bei der Koordinierung des Ausschreibungsprozesses sei nun die zuständige Bildungsministerin gefragt. "Wir brauchen rasch eine gute Struktur, um Leistung wieder überprüfbar zu machen", so Spindelegger. Auf einen Zeitplan bei der Neustrukturierung wollte er sich nicht festlegen.

Schülerunion will Schulpartnerbeirat

Die Schülerunion Wien fordert, dass es in Zukunft eine bessere Zusammenarbeit mit den Schulpartnern geben soll. So soll im Bifie für einen Schulpartnerbeirat geschaffen werden, der an der Entwicklung neuer Projekte beteiligt wäre. Ebenso sollte man nach Meinung der Schüler über eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen dem Bifie und den heimischen Universitäten nachdenken und so neue Expertengremien schaffen.

Denise Mach von der Wiener Schülerunion: „Wir haben uns im Laufe der letzten Tage mit Schülerinnen und Schülern aus ganz Wien zusammengesetzt und uns ihre Ideen zur Zentralmatura und zum ‚Bifie neu’ angehört. An den guten Ideen, wie etwa eine Einbindung der Schulpartner in das neue Bifie, merkt man, wie innovativ Schülerinnen und Schüler sein können. Das waren sie schon immer, nur wurde einfach nie auf sie gehört. Es wird Zeit dies zu ändern, die Blockade aufzulösen, unduns ein Mitspracherecht zu geben.“

FPÖ will nur mehr einen Bifie-Direktor

Die FPÖ will künftig nur mehr einen Direktor im Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie). In der vorzeitigen Auflösung der Verträge der beiden aktuellen Institutschefs sieht Bildungssprecher Walter Rosenkranz seine Kritik an deren parteipolitischer Besetzung bestätigt. Die Industriellenvereinigung (IV) plädiert für eine Neuverteilung der Aufgaben zwischen Ministerium und Bifie.

"Unsere Befürchtungen, wonach die Höflinge von SPÖ und ÖVP für das Bifie glatte Fehlbesetzungen seien, haben sich nun leider bewahrheitet", so Rosenkranz in einer Aussendung. Außerdem will er "durchleuchten", welche "Golden Handshakes" die Direktoren für ihren vorzeitigen Abgang erhalten haben. Das BZÖ forderte auch politische Konsequenzen: "Wenn sich die Bildungsministerin für ihr Scheitern nur mit zwei Kündigungen aus der Affäre ziehen möchte, ist das zu wenig."

Grüne wollen "behutsamen Neuaufbau"

Die Grünen sprechen sich für einen "behutsamen Neuaufbau" des Bundesinstituts für Bildungsforschung (Bifie) aus. Von den beiden Standorten soll nur jener in Salzburg bestehen bleiben, die Wiener Niederlassung soll eine nachgeordnete Dienststelle des Ministeriums werden und künftig für die Durchführung der Zentralmatura zuständig sein, so Bildungssprecher Harald Walser bei einer Pressekonferenz.

"Die Zentralmatura muss mittel- bzw. langfristig vom Ministerium übernommen werden", so Walser am Donnerstag. "Hoheitliche Aufgaben muss die Republik durchführen." In Salzburg, wo die meisten Wissenschafter derzeit eine gute Arbeit verrichten würden, würden dann alle anderen Evaluierungen und Testungen durchgeführt. Die Datenverwaltung solle extern organisiert werden, etwa von der Statistik Austria. "Beim Neuaufbau ist auch klar, dass es möglich sein muss, so ein Institut zu führen, ohne dass es zu rot-schwarzen Proporzbesetzungen kommt." Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hat diesbezüglich Bereitschaft gezeigt und betont, sie müsse dafür aber erst die Zustimmung des Koalitionspartners einholen.

Verantwortung beim Bildungsministerium

Die Verantwortung für die Pannen bei der Zentralmatura sieht Walser zu einem großen Teil auch beim Bildungsministerium. Die aufgrund eines angeblichen, aber schließlich nicht vorhandenen Datenlecks angeordneten Überprüfungen beim Bifie hätten zu einem kurzfristigen Stopp der Zentralmatura-Vorbereitungen geführt. Deshalb wäre dann für den Druck und die Kontrolle der rund 94.000 Testbögen statt vier bis fünf Wochen nur die Hälfte der Zeit zur Verfügung gestanden. Folge waren fehlerhaften Drucke von rund 120 Testbögen bei der Mathe-Matura, die an fünf Wiener Schulen deshalb kurz unterbrochen werden musste.

ÖVP-Bildungssprecherin Brigitte Jank äußerte Verständnis für den Rückzug der beiden Bifie-Chefs. Es sei aber "nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die beiden Direktoren nun teilweise die Zeche für die Versäumnisse der Vergangenheit zahlen", hieß es in einer Aussendung. Die Verantwortung liege im zuständigen Ressort. Die Arbeit an einer Neuausrichtung des Bifie müsse sofort beginnen, auch eine Redimensionierung sei zu prüfen.

Eine Neuorganisation der Einrichtung samt Abschaffung des Proporzes fordert auch das Team Stronach. Sollte das Bifie in seiner jetzigen Struktur weiter bestehen bleiben, "dann müssen Fachleute aus dem Bildungsbereich die Leitung dieses sensiblen Bereiches übernehmen", so Bildungssprecher Robert Lugar in einer Aussendung. Als Kandidat brachte er Ex-Bifie-Chef Günter Haider ins Spiel.

bifie Das ausgegliederte Bildungsinstitut war für ein ominöses Datenleck verantwortlich, das Heinisch zum Stopp aller internationaler Vergleichstests veranlasste.

Zentralmatura Die Generalprobe für die neue Reifeprüfung war ein Reinfall: Zuerst wurde der Benotungsschlüssel ohne Not verändert. Dann der Bauchfleck in Mathe, wo an fünf Schulen nur acht statt 24 Aufgaben in den Kuverts waren. Ein Skandal war die Deutsch-Matura: Als literarischer Text wurde die Parabel eines NS-Sympathisanten gewählt. Das bifie musste sich für die Textauswahl entschuldigen.

Neue Mittelschule NMS Auch hier ein Flop: Obwohl ein Schüler an einer NMS fast das Doppelte kostet wie an einer AHS, sind die Leistungen nicht besser als die von Hauptschülern. Die NMS krankt daran, dass es ein zu enges Korsett an Vorschriften gibt. Lehrer-, Stunden-, und Ressourceneinteilung sind genau so vorgegeben wie die Notengebung.

Autonomie Heißt das Zauberwort. Heinisch-Hosek hat angekündigt, dass sie ein Autonomiepaket schnüren will, doch bei der Ankündigung dürfte es bleiben. Denn Autonomie hieße, dass SPÖ und ÖVP weniger Einfluss auf Postenbesetzungen hätten. Und es würde ein Arbeitsmarkt für Lehrer entstehen, wo Schulen Lehrer gezielt anwerben – und feuern – könnten.

Ganztagsschulen Ursprünglich sollten 160 Millionen Euro pro Jahr in den Ausbau investiert werden, mittlerweile sind es nur wenige Millionen. Über die Qualität wird erst gar nicht diskutiert.

Modulare Oberstufe Soll ab 2017 an allen AHS und BHS eingeführt werden. Das Konzept dazu ist wenig ausgereift. Der nächste Bauchfleck ist der Ministerin also gewiss.

Innerhalb der SPÖ ist Heinisch unter Druck, ihr Job wackelt dem Vernehmen nach derzeit aber nicht.