Politik/Inland

Faymann will mit EU verhandeln, ÖVP bremst

KURIER: Herr Bundeskanzler, werden wir das letzte Land in Europa sein, das auf dem Bankgeheimnis besteht?

Werner Faymann: Wir werden uns massiv beteiligen an einer Verfolgung der Steuerflüchtigen in Europa. Wir sind also verhandlungsbereit, die Datenübermittlung von Konten zu verbessern, um der Steuerhinterziehung zu Leibe zu rücken. Da wird Österreich voll dabei sein, das ist eine Frage der Selbstachtung unseres Landes. Es kann doch nicht sein, dass normale Bürger ihre Steuern einfach abgebucht bekommen, während andere über Konstruktionen wie englische Trusts alles tun, um die Steuer zu vermeiden. Da muss nicht gleich ein Datenfriedhof herauskommen, da gibt es effizientere Methoden. Es wird sich in den Verhandlungen innerhalb der EU zeigen, wie wir das machen, aber wir werden uns auf jeden Fall voll beteiligen.

Bis jetzt hat sich Österreich geweigert, sich am EU-internen Datenaustausch zu beteiligen.

Wir wissen, dass etwa die Schweiz mit den USA verhandelt, wie die Daten ausgetauscht werden, und zwar im Interesse des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus. In diesem Sinne haben wir auch schon in der Vergangenheit einige Abkommen geschlossen. Wir suchen ein Ergebnis, das einen Sinn hat, weil wir kein Interesse an Steueroasen und Steuerparadiesen haben.

„Wir werden uns massiv beteiligen an einer Verfolgung der Steuerflüchtigen in Europa.“


Aber nochmals: Bis jetzt hat sich Österreich geweigert, beim EU-internen Datenaustausch mitzumachen. Das soll jetzt anders werden?

Auch der Herr Vizekanzler ist fürs Verhandeln, im Gegensatz zu Luxemburg liefert Österreich schon jetzt Daten bei einem begründeten Verdacht.

Aber nur bei einem Finanzstrafverfahren in einem anderen Land.

Ja, und jetzt wollen wir darüber reden, ob wir wirklich dauernd alle Daten hin und her schicken müssen, oder ob es eine andere, effizientere Form gibt. Luxemburg war da immer restriktiver als wir, die haben auf ein Urteil bei einem Finanzstrafverfahren gewartet, bei uns hat die Ermittlung genügt. Es ist doch eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, wenn jetzt überall Millionen Schwarzgeld auftauchen und der brave Steuerzahler der Dumme ist. Deswegen beteiligen wir uns an internationalen Verfolgungen. Wie wir das genau machen, möchte ich mit dem Koalitionspartner abklären.

Aber vor wenigen Tagen hat Ihr Parteifreund Schieder das Bankgeheimnis noch verteidigt.

Das Bankgeheimnis in Österreich soll von einer neuen Regelung nicht betroffen sein. Es wäre doch absurd, wenn man das Sparbuch der Großmutter der Frau Fekter zeigen muss. Das hat mit einem internationalen Steuerbetrug nichts zu tun. In Österreich muss das mit Zweidrittelmehrheit abgesicherte Bankgeheimnis bestehen bleiben, d. h. innerhalb von Österreich gibt es keinen automatischen Austausch von Daten.

Wenn wir uns mit der EU auf einen internen Datenaustausch einigen, glauben Sie, dass dann Gelder von Österreich abgezogen werden?

Das müssen die Bankdirektoren wissen, aber ich gehe davon aus, dass wir deshalb Gelder aus dem Ausland hier in Österreich haben, weil wir ein sicheres und stabiles Land sind. Auch skandinavische Länder haben einen Zufluss an ausländischen Mitteln gehabt, ohne Bankgeheimnis, eben wegen ihrer Stabilität.

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Bei der ersten gemeinsamen Pressekonferenz von Michael Spindelegger und Othmar Karas am Montag im Außenministerium in Wien hätte es um die Zukunft Europas gehen sollen. Doch es drehte sich alles um die Zukunft des österreichischen Bankgeheimnisses. Für den Vizekanzler ist es unantastbar: „Das Bankgeheimnis bleibt, so wie wir es haben.“

Der ÖVP-Chef wehrt sich vehement, das Bankgeheimnis mit einer Steueroase gleichzusetzen. „In Österreich wird kein Geld versteckt, es gibt auch keine anonymen Konten.“ Österreich schütze niemanden, der Schwarzgeld einlege. „Es geht um den Schutz der Privatsphäre. Der Nachbar soll nicht nachlesen können, was bei mir auf meinem Bankkonto vorhanden ist.“

Das Beharren auf dem Bankgeheimnis sei Österreichs Verhandlungsposition in der EU, hielt der ÖVP-Chef fest. Von einem automatischen Informationsaustausch, wie ihn die EU-Kommission verlangt, will Spindelegger nichts wissen: „Die Konten sind personifiziert“, bei strafrechtlichen Verfahren öffne Österreich die Konten und erteile Auskunft.

Eine Ansicht vom Mond

Aufgebracht reagierte Spindelegger auf Gabi Burgstallers Aussage, das Bankgeheimnis schütze nur die Reichen. „Das ist eine Ansicht vom Mond oder vom Mars. Das Bankgeheimnis ist für alle gleich“, entgegnete er der Salzburger Landeshauptfrau.

Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas, widersprach Spindelegger nicht auf offener Bühne, er argumentierte differenziert: „Es wird langfristig zu mehr Transparenz und Kommunikation kommen.“

Außerdem sei der Kampf gegen Steueroasen, Geldwäsche und gegen ein Schattenbankensystem Teil der Bankenunion und der Fiskalunion, fügte Karas hinzu. Beides unterstützt Österreich.

Gegenüber dem KURIER betonte Spindelegger, die ÖVP sei zu mehr Kooperation in der EU bereit, um Schwarzgeld und Steuerflüchtlinge aufzuspüren. Einen automatisierten Datenaustausch dürfe es aber auf keinen Fall geben. „Da könnte jeder Dorfbürgermeister in Deutschland in die Konten österreichischer Bankkunden schauen. Das wird es mit der ÖVP nicht geben.“

Die Luxemburger Banken nehmen die Abschaffung des Bankengeheimnisses relativ gelassen. Man sei „enttäuscht“, doch der Finanzplatz Luxemburg werde es überstehen. EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta begrüßt dies und meinte am Montag: Nun seien alle Augen auf Österreich gerichtet, das als letztes der 27 EU-Staaten noch ein Bankgeheimnis hat. Doch hierzulande ist die Debatte zumindest politisch noch lange nicht abgeschlossen. Der Linzer Schattenwirtschafts-Experte Friedrich Schneider schätzt, dass bis zu zehn Milliarden Euro Schwarzgeld aus dem Ausland auf Konten in Österreich geparkt sind.

„Der Zug Richtung automatischem Informationsaustausch ist abgefahren“, sagt IHS-Chef Christian Keuschnigg. Das Bankgeheimnis für Ausländer verhindere das Feststellen von Vermögen durch ihre Herkunftsländer.

Die SPÖ macht dafür Druck, die ÖVP ist ganz anderer Meinung, ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch wirft der SPÖ vor, das „Bankgeheimnis unbescholtener Österreicher zu verzocken“. Kontodaten seien ein hochsensibler Bereich. Die Industriellenvereinigung schließt sich hingegen den Experten an und meint: „Man muss auf jeden Fall diskutieren, wie man das Bankgeheimnis verändern bzw. eine Regelung erreichen kann, die auch gesamteuropäisch verstanden wird“, so der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer, zum KURIER. Vielleicht könne man dabei ja die positiven Punkte, „die es auch gibt“, etwa einen gewissen Datenschutz, bewahren. In Deutschland zum Beispiel könne man relativ leicht in Vermögensverhältnisse Einschau halten. Bei Finanzstrafverfahren dürfe die Justiz in Österreich aber ohnehin schon jetzt prüfen. Denkbar wäre für Neumayer, das schon bei Verdacht auf Steuerhinterziehung zu ermöglichen.

Zumindest offiziell steht das Bankgeheimnis nicht am Programm des nächsten EU-Finanzministerrates am Freitag und Samstag in Dublin.

In der aktuellen Diskussion über Steuerhinterzieher, die große Vermögen verschieben, wird mit vielen Begriffen umhergeworfen. Nicht immer werden sie richtig eingesetzt. Der KURIER gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen in den Bereichen Bankgeheimnis und Sicherheit der Sparer.

Können heute überhaupt noch anonyme Sparbücher eröffnet werden?

Nein, das ist schon lange nicht mehr möglich. Die Anonymität wurde per Anfang November 2000 aufgehoben. Seit damals muss man sich bei Sparbucheröffnung legitimieren (einen amtlichen Lichtbildausweis vorlegen).

Sind anonyme Sparbücher schon komplett „ausgestorben“?

Nein. Ein Viertel bis zu einem Drittel aller heimischen Sparbücher laufen noch anonym. Das heißt, der jeweilige Besitzer ist der Bank nicht bekannt. Seit 1. Juli 2002 sind allerdings auch Behebungen von anonymen Sparbüchern nur noch nach Legitimierung möglich. Wer jetzt noch anonym ist, hat also schon fast elf Jahre lang kein Geld abgehoben.

Wenn es keine Anonymität mehr gibt – wofür ist dann das Bankgeheimnis gut?

Ohne Anonymität ist der Konto- oder Sparbuchinhaber der Bank gegenüber identifiziert. Nach außen hin schützt das Bankgeheimnis die finanzielle Privatsphäre des Kunden. So kann beispielsweise kein Arbeitnehmer oder der Ex-Partner beim Geldinstitut nachfragen, wie es um die Vermögensverhältnisse steht. Das Bankgeheimnis schottet die Bankdaten vor neugierigen Blicken ab.

Schützt das Bankgeheimnis auch vor dem Einblick durch Behörden?

Im Prinzip schon, allerdings mit Einschränkungen. Bei begründetem Verdacht auf Steuerhinterziehung, Steuerbetrug, Geldwäsche oder andere strafbare Delikte kann eine Behörde bei Gericht beantragen, dass die Kontodaten des Betroffenen herausgegeben werden müssen. In diesem Fall würde ein Richter alle heimischen Banken anweisen, innerhalb von fünf Tagen bekanntzugeben, ob der Verdächtige Konten bei ihnen hat. Diese Konten werden dann per Gerichtsbescheid geöffnet.

Gibt es außerdem noch Fälle, in denen sich Banken nicht an die Geheimhaltungspflicht halten müssen?

Ja, wenige, aber doch. Stirbt der Bankkunde, ist die Bank gegenüber dem Abhandlungsgericht und dem Gerichtskommissär nicht zur Geheimhaltung verpflichtet. Ist der Bankkunde minderjährig oder sonst pflegebefohlen, gibt es gegenüber dem Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht kein Bankgeheimnis.

Wird das österreichische Bankgeheimnis ganz abgeschafft werden?

Nein. In der aktuellen Diskussion geht es nicht um das Bankgeheimnis für die österreichischen Sparer und Konto-Inhaber, sondern immer nur um jenes für Ausländer mit Konto in Österreich.

Warum wird das österreichische Bankgeheimnis für ausländische Kunden so heftig kritisiert?

Weil Österreich – wie auch Luxemburg – vorgeworfen wird, durch das Bankgeheimnis eine Steueroase zu sein. Ausländer aus der EU können leicht Schwarzgeld nach Österreich transferieren und so der Steuer im Heimatland entkommen, lautet die Kritik.

Zahlen diese Ausländer gar keine Steuern?

Österreich hebt von den Zinserträgen der Ausländer eine Quellensteuer von 35 Prozent ein. 75 Prozent davon werden an das jeweilige Heimatland überwiesen, den Rest darf sich Österreich für den Aufwand behalten. Ob das angelegte Geld allerdings im Heimatland der Einkommensteuer unterzogen wurde, wird dabei nicht erfasst.

Was wäre die Alternative zum Bankgeheimnis für Ausländer?

Dass Österreich wie schon die allermeisten EU-Länder beim automatischen Informationsaustausch mitmacht. Das heißt, dass das jeweilige Heimatland darüber informiert wird, wie viel Geld der ausländische Sparer in Österreich hat.

Wie geht Österreich jetzt damit um, wenn es um den Verdacht der Steuerhinterziehung geht?

Laut Amtshilfegesetz muss Österreich jetzt schon ohne Aufforderung die Steuerbehörden anderer EU-Staaten informieren, wenn es z. B. Gründe für die Vermutung einer Steuerverkürzung in einem anderen Mitgliedsstaat gibt. Auf ausdrückliches Ersuchen anderer EU-Staaten liefert Österreich die für die Besteuerung der Bürger in ihrem Heimatland notwendigen Informationen.

Wie gehen Banken bei Verdacht auf Geldwäsche vor?

Die Geldinstitute erstellen von jedem Kunden ein sogenanntes Risikoprofil. Fallen z. B. Einzahlungen vollkommen aus diesem Rahmen und der Kunde kann die Herkunft des Geldes nicht plausibel erklären, ist die Bank verpflichtet, dies der Geldwäsche-Meldestelle zu melden.