Babys in der Krippe "gewöhnungsbedürftig"
Von Bernhard Gaul
Mignon" ist das hier, herzig, süß: Mehr als 70 Kleinkinder wuseln in einer Pariser Kinderkrippe im wohlhabenden siebenten Bezirk zwischen kleinen Sesseln und Pölstern und sehr viel Spielzeug herum. Vom hohen Besuch bekommen sie wenig mit, Österreichs Familienministerin Sophie Karmasin ist hier, um sich Vorzüge der französischen Familienpolitik erklären zu lassen.
Frankreich hat den Schlüssel
Karmasin hat einen Plan – und die Franzosen vielleicht den Schlüssel dazu. Die Ministerin will Österreich bis 2025 zum familienfreundlichsten Land in Europa machen. Und anders als daheim sind in Frankreich viele Kinder ein Teil des guten Lebens, und so kommen zwischen Côte d’Azur und Normandie pro Französin statistisch gesehen etwas mehr als zwei Kinder auf die Welt, in Österreich sind es gerade einmal 1,44 Kinder pro Frau.
Was die Franzosen anders machen, ist offensichtlich: Hier ist es üblich, sein Kind nach dem Mutterschutz – also zehn Wochen nach der Geburt – in staatlichen Obhut oder geförderte private Krippen zu geben. Möglich ist zudem eine Betreuung von 7:30 Uhr bis manchmal 19:30 Uhr. Das System wird hier von keiner politischen Partei infrage gestellt. Und Arbeitgeber überlegen erst gar nicht, ob die junge Frau, die sie anstellen wollen, bald schwanger "ausfallen" könnte. Denn Schwangere sind hier meist nach zehn Wochen wieder zurück an ihrem Arbeitsplatz.
"École Maternelle"
Ab dem dritten Lebensjahr beginnt dann tatsächlich Schule, "École Maternelle", mit Stundenplan und fixen Klogeh-Zeiten. Die Kinder, so hört man, gewöhnen sich sehr schnell an die neue Situation, die Eltern nicht so.
Fast 80 Prozent der Franzosen nützen von Anfang an das Angebot, es ist gesellschaftlich eher ungewöhnlich, es nicht zu tun. "Manche melden ihr Kind bereits für die Krippe an, sobald sie einen positiven Schwangerschaftstest in Händen halten", erzählt eine junge Frau.
Karmasin: "Gewöhnungsbedürftig"
Karmasin findet das System dennoch "gewöhnungsbedürftig". "Positiv ist, dass die Menschen hier die Wahlfreiheit haben, ab wann sie wieder arbeiten gehen wollen", sagt Karmasin. Und die steuerlichen Vorteile, die ab dem dritten Kind besonders attraktiv werden. Ähnliche Vorschläge – Lohnsteuerbefreiung für Frauen ab dem zweiten oder dritten Kind – hat sie bereits der Steuerreformgruppe des Finanzministers übergeben. SP-Frauenministerin Heinisch-Hosek lehnt die Idee bereits vorab als "unausgegorenen" ab.
Es ist eine Paradoxon, das es in vielen westlichen Ländern gibt: Österreich hat überdurchschnittlich hohe Ausgaben für Familienförderung, doch seit Jahren stagniert die Zahl der Geburten pro Frau (Fertilitätsrate 1,44) auf einem niedrigen Niveau. Familienministerin Sophie Karmasin will das in ihrer Amtszeit ändern und Österreich „bis 2025 zum familienfreundlichsten Land der EU machen“.
Aber was kann sich die neue Ministerin konkret vorstellen. Am Dienstag sprach sie mit KURIER-Chefredakteur Helmut Brandstätter im Raiffeisen Forum in Wien über das Thema „Familien fördern – aber wie? Wer kann sich heute noch Familie leisten?“.
Mütter ohne Lohnsteuer
Und die Ministerin ließ sich nicht lange bitten, eine erste, durchaus bahnbrechende Idee vorzustellen, worüber sie nachdenke: Nämlich, dass Mütter gar keine Lohnsteuer mehr zahlen. „Das ist kein Vorschlag, sondern erst einmal nur eine Idee: Ab dem zweiten Kind, oder wenn es nur sehr schwer finanzierbar ist, ab dem dritten Kind, zahlen Mütter, die wieder arbeiten gehen, keine Lohnsteuer mehr.“ Das Modell müsse gedeckelt werden, gemeinsam mit dem Gehalt des Mannes brauche es für diese Steuerausnahme eine Obergrenze. „Diese Idee haben wir schon einmal durchgerechnet.“ Letztlich sei das ein sehr einfaches Modell, mit einem hohen Steuerfreibetrag, das zum Beispiel gelte, bis die Kinder das 15. Lebensjahr erreichen. Der Vorschlag wurde mit Applaus bedacht.
Zahlreich waren die Fragen zum Thema Familie und Beruf: Karmasin untersucht derzeit „Best practice“-Lösungen anderer Länder, damit das Klima in der Heimat familienfreundlicher wird: Vorbild seien skandinavische Länder wie Dänemark (1,73 Kinder pro Frau) und Schweden (1,91), die meisten Geburten innerhalb der EU gibt es aber in Frankreich (2,01). Höher ist dieser Wert innerhalb der OECD-Staaten nur in der Türkei (2,09).
In Frankreich, erklärt die Ministerin, gebe es den Begriff „Rabenmutter“ gar nicht. Dort sei es normal, dass Kinder von sehr klein auf in staatliche Betreuungseinrichtungen kommen. Auch in Österreich werde in die Kinderbetreuung investiert: „Wir haben den Ausbau der Kinderbetreuung bereits beschlossen, mit 350 Millionen Euro wird das die größte Ausbauoffenisve, die es je gab.“
Es müsse sich aber auch etwas bei der Einstellung in der Arbeitswelt ändern, meinte Karmasin. „Wenn man beim Vorstandstreffen am Nachmittag sagt, ’Ich muss um 17 Uhr meinen Sohn vom Kindergarten abholen’, wird man komisch angeschaut. Wenn man sagt, ich muss mein Auto aus der Werkstatt holen, wird das sofort akzeptiert. “ Sie wünsche sich nun durch ihr neues „Bündnis für Familien“ das Klima in Österreich Familien freundlicher zu machen.