Autogipfel: "Niemand wäre auf die Idee gekommen, Faxe zu verbieten"
Von Christian Böhmer
Die Volkspartei sagt „Ja zum Auto“. Und damit dies in der Woche der EU-Wahl auch noch einmal öffentlich dokumentiert ist, lud Karl Nehammer am Montag zu einem „Autogipfel“.
Das neue Schlüssel-Wort der Kanzlerpartei heißt „Techonologie-Offenheit“. Was damit gemeint ist, erklärte schon am Morgen Nehammers Parteifreund Christopher Drexler. Im ORF-Radio sagte der steirische Landeshauptmann, er überlasse es lieber "den Ingenieuren", mit welcher Technologie Fahrzeuge umweltfreundlich betrieben werden können und wie man CO₂ einspart. Es gehe, so Drexler auch nach dem Autogipfel, nicht um die "Dichotomie" des "bösen Verbrenners" und der guten Elektromobilität, sondern um den Wettbewerb der guten Ideen.
ÖVP-Chef Nehammer betonte, dass man weiterhin zu der Festlegung stehe, CO₂ einsparen und die Umwelt schützen zu wollen. All das könne aber nicht zulasten von Arbeitsplätzen und Wohlstand gehen. "Es geht um die Frage, wie wettbewerbsfähig sind wir im Vergleich zu Asien oder den USA." Und solcherart sei es jedenfalls ein Wettbewerbsnachteil, wenn die EU als "weltweit einziger Raum ein Verbrenner-Aus beschlossen hat".
Wirtschaftsminister Martin Kocher gefällt das de facto Verbot von neu zugelassenen Verbrennern insofern nicht, "als ja auch niemand auf die Idee gekommen wäre, Faxgeräte oder Pferdekutschen zu verbieten". Der Punkt des Wirtschaftsministers ist dieser: Innovative Ideen werden sich durchsetzen, es sind keine Verbote oder Regulierungen vonnöten, im Gegenteil: Die Bürokratie muss weniger werden. Und zwar massiv.
Sehr anschaulich beschrieb Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung, worum es ihm wie dem Kanzler geht: "Die Prosperität Europas hängt am seidenen Faden."
Laut Helmenstein hemmen "überschießende Regulierung" und "Protektionismus" sowohl die Wirtschaft als auch die Wissenschaft. Und es sei doch nachgerade arrogant, wenn man heute wissen wolle, wie 2035 die Mobilität in der Welt aussehen wird - das könne einfach niemand sagen, weil niemand den technologischen Fortschritt prophezeien könne. Klar sei nur, dass auch 2030 noch Millionen von Verbrenner-Autos auf den Straßen unterwegs sein werden. Und nicht zuletzt deshalb, sei es nötig, alle wissenschaftlichen Schienen offen zu halten, sprich: "Die Forschung beim Verbrenner muss fortgeführt werden, weil wir hier massiv Treibstoff einsparen können." Parallel dazu müssten alle alternativen Antriebsformen, von den eFuels, über den Wasserstoff bis hin zur reinen Elektromobilität erforscht und ausgenutzt werden.
Mit ihrer Forderung bewegt sich die ÖVP weitgehend im Gleichklang mit der Europäischen Volkspartei, auch die EVP ist mittlerweile gegen ein Verbot von Verbrenner-Motoren. Wobei der Terminus ein Stück weit irreführt: Denn tatsächlich sieht die EU ab 2035 kein absolutes Verbrenner-Verbot vor; sie verlangt vielmehr, dass neue Autos ab diesem Jahr CO2-neutral betrieben werden müssen, sprich: Sie müssen mit CO₂-neutralem Treibstoff (z.B. eFuels oder Wasserstoff) oder mit Strom fahren.
Es ist ziemlich genau ein Jahr her, dass die ÖVP nach Karl Nehammers Grundsatzrede mit derselben Forderung einen Autogipfel einberufen hat. Damals wie heute ist die Forderung für den Koalitionspartner, die Grünen, de facto eine Provokation. Und so nahm die für den Verkehr zuständige Ministerin Leonore Gewessler am Autogipfel auch diesmal nicht teil.
Scharfe Kritik kam von der grünen Spitzenkandidatin bei der EU-Wahl, Lena Schilling: „Für ein paar Groschen politisches Kleingeld verzockt die ÖVP die Zukunft der europäischen Autoindustrie. Die Volkspartei muss ihren Verbrenner-Fetisch überwinden und den Weg für klimafreundliche Mobilität frei machen.“
Nicht minder scharf fiel die Kritik von SPÖ-Klubchef Philip Kucher und FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker aus. "Immer, wenn Nehammer einen Gipfel veranstaltet, geht’s für Österreich garantiert steil bergab!", sagte Kucher. Das habe sich bei Lebensmitteln, dem Standort und auch dem Bargeld gezeigt. Zynischer Nachsatz: "Zur Beruhigung: Vor der EU-Wahl geht sich kein weiterer Gipfel mehr aus." Und für Hafenecker ist erwiesen, dass die ÖVP die Automobilwirtschaft verraten habe - das könne auch ein "Showgipfel" nicht kaschieren.