Asylwerber-Beratung künftig nicht mehr von Caritas & Co?
Von Julia Schrenk
Eine „qualitativ angepasste und nicht auf Gewinn ausgerichtete Betreuung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden“ müsse sichergestellt werden und auch eine „unabhängige und objektive Rechtsberatung und qualitativ hochwertige Rückkehrberatung“: So steht es auf Seite 35 des türkis-blauen Regierungsprogramms.
Durchgeführt werden sollen Rechts- und Rückkehrberatung für Asylwerber künftig nicht mehr von Hilfsorganisationen, die Regierung will dafür eigens eine „Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen“ einrichten. Die FPÖ warf den Hilfsorganisationen schon mehrmals vor, „Asylindustrie“ zu betreiben.
Die Plattform „Menschen.Würde.Österreich“ – ein Zusammenschluss von NGOs, Vereinen und Initiativen – veröffentlicht deshalb heute, Mittwoch, einen Offenen Brief an die Bundesregierung: „Durch dieses Vorhaben wird die unabhängige Rechtsberatung de facto eingestellt.“ Es widerspreche „allen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, dass Bedienstete eines Ministeriums Menschen beraten und vertreten sollen, deren eigene Behörde (in diesem Fall: das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) zuvor ihre Anträge negativ beschieden hat“, heißt es wörtlich.
Kein faires Verfahren?
Zur Erklärung: Jeder Mensch, der in Österreich einen Asylantrag stellt und zum Verfahren zugelassen wird, hat einen Rechtsanspruch auf Rechtsberatung im Asylverfahren und eine Rechtsvertretung in der zweiten Instanz. Wird also ein Asylantrag negativ beschieden, muss dem Asylwerber – sofern er Beschwerde gegen seinen Bescheid einlegen will – eine Rechtsvertretung zur Verfügung gestellt werden – und zwar kostenlos.
Wenn das künftig eine „ Bundesagentur“ übernimmt, sei das „Grundrecht auf ein faires Asylverfahren (...) gefährdet“. Sogar von einer „Aushöhlung des Rechtsstaats“ ist die Rede. „Ein wesentliches Element des Rechtsstaates ist, dass nicht irgendwelche Interessen im Spiel sind, die den Rechtsstaat behindern“, sagt Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk. „Hier erfolgt eine Beratung, die die notwendige Objektivität und das Engagement für die Schutzsuchenden vermissen lässt. Der Interessenskonflikt ist vorprogrammiert.“
Unterstützung
Funk hat den Brief unterzeichnet– genauso wie Verfassungsrechtler Heinz Mayer, Manfred Nowak, wissenschaftlicher Leiter des Ludwig Boltzmann-Instituts für Menschenrechte und Maria Wittmann-Tiwald, Präsidentin des Handelsgerichts Wien. Überhaupt ist die Liste der Unterstützer lang – und prominent: Christian Konrad, Ex-Raiffeisen-Generalanwalt und ehemaliger Flüchtlingskoordinator, Othmar Karas, Vizepräsident des EU-Parlaments, sowie EU-Parlamentarier von SPÖ, Grünen und Neos.
Auch aus Kunst und Kultur gibt es zahlreiche Unterschriften: von Josef Hader, Hilde Dalik, Julya Rabinowich, Dirk Stermann, Daniel Glattauer, Willi Resetarits, etc. Die Spitze der evangelischen Kirche hat den Brief ebenso unterschrieben wie Tarafa Baghajati, Obmann der Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen. Auch eine Online-Petition wurde gestartet.
Warum aber werden die Unterstützer erst jetzt aktiv? „Ausse mit den NGOs“ – das sei jetzt öfter aus dem Innenministerium (BMI) zu hören, sagt ein Insider dem KURIER. Alexander Marakovits, Sprecher des BMI, hält die Kritik für „verfrüht. Es ist legitim, etwas zu evaluieren. Man sollte abwarten, wie das Modell ausschauen wird. Der Rechtsstaat ist nicht in Gefahr“.