Politik/Inland

Kocher: "Anreize für reguläre Beschäftigung"

Zehntausende Ukrainer werden auf den heimischen Arbeitsmarkt strömen. Wie kann man sie integrieren?

Martin Kocher: Ich gehe davon aus, dass es eine fünfstellige Zahl an Vertriebenen in diesem schrecklichen Angriffskrieg geben wird, die auf unseren Arbeitsmarkt kommen. Zuerst muss aber die Grundversorgung sichergestellt sein. Es werden bereits die ersten Identitätsnachweise, die sogenannten blauen Karten, ausgestellt. Dann kann man eine Beschäftigungsbewilligung beantragen. Ich bin optimistisch, dass es gut gelingt, diese Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Bisher haben wir gut 20.000 registriert.

Welche Qualifikationen haben sie?

Grundsätzlich sind die Leute gut ausgebildet, aber entscheidend wird am Beginn der Spracherwerb sein.

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Wie verhindert man Sozialdumping?

Weil es vollen Arbeitsmarktzugang gibt, wird das Thema Lohn- und Sozialdumping nicht so groß sein. Aber wir werden genau hinschauen . Anstellungen, bei denen alle Schutzstandards eingehalten werden, sind mir sehr wichtig. Auch Schwarzarbeit muss verhindert werden.

Es klingt vielleicht zynisch angesichts des Krieges, aber sollten wir nicht gezielt Leute für Mangelberufe bitten, da zu bleiben?

Für diesen Zweck haben wir die Rot-Weiß-Rot-Karte.

Die bürokratisch ist und dadurch abschreckend wirkt.

Diese bürokratischen Aspekte versuchen wir gerade effizienter zu gestalten, um qualifizierten Zuzug zu erleichtern.

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Österreich braucht zum Beispiel Pflegepersonal.

Etliche bringen die richtige Qualifikation mit. Entscheidend wird sein, dass wir die Anerkennung von Diplomen beschleunigen und Qualifizierungen rasch ermöglichen.

Müssen Lohnnebenkosten nicht insgesamt sinken, damit sich Arbeitgeber Arbeitnehmer leisten können?

Die Schere zwischen Brutto und Netto sollte kleiner sein. Die Frage ist nur: Wie finanzieren wir den Einnahmenausfall für die Sozialsysteme?

Sie streben auch eine Reform der Arbeitslosenversicherung an. Was planen Sie?

Man kann zum Beispiel überlegen, ob das Arbeitsloseneinkommen zu Beginn etwas höher als jetzt ist, dann aber in Stufen sinkt.

Die Grünen wollen aber am Anfang mehr und danach auch mehr. Kann sich das in der Koalition ausgehen?

Es gibt grundsätzlich Übereinstimmung darüber, dass es eine Reform geben soll. Idealerweise schaffen wir es, dass der durchschnittliche Arbeitslose um zehn bis zwanzig Tage kürzer beschäftigungslos ist, als jetzt.

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Man kann geringfügig dazuverdienen. Kombiniert mit Schwarzarbeit verdienen niedrig Qualifizierte am Ende oft mehr als in einem Beschäftigungsverhältnis.

Da müssen wir Anreize setzen, eine reguläre Beschäftigung anzunehmen. Ein Zuverdienst könnte zeitlich befristet oder auf spezifische Fälle beschränkt werden. Wobei es auch Unternehmen gibt, die praktisch nur geringfügig Beschäftigte anstellen. Die Zumutbarkeitsbestimmungen hingegen sind in Österreich relativ streng.

Was tun mit älteren Arbeitssuchenden, die schwer einen Job finden?

Im Prinzip gibt es für Ältere keinen besonderen gesetzlichen Kündigungsschutz mehr. Aber sie sind teurer, weil viele Kollektivverträge ein starkes Senioritätsprinzip haben. In anderen Ländern, etwa Schweden, verlaufen die Lohnkurven viel flacher. Ältere Arbeitssuchende wären manchmal sogar bereit, für weniger Geld zu arbeiten. Das geht aber nicht so leicht, weil es dann vermutlich in der Firma Beschwerden gäbe und Betriebsräte die KV-Gehaltstabellen verteidigen. Ein großes Problem ist, dass wir beim gesundheitlichen Zustand Älterer Aufholbedarf haben. Wir brauchen zielgenaue Unterstützung Älterer am Arbeitsmarkt.

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Altersteilzeit kann noch immer geblockt werden, was eine versteckte Frühpension ist. Gibt es da Reformpläne?

Es herrscht unter Expertinnen und Experten unisono die Meinung, dass die Teilzeitvariante sinnvoll ist, aber nicht die geblockte. Das schauen wir uns gerade an. Außerdem überlegen wir, wie wir Anreize schaffen können, etwas länger, über das Pensionsantrittsalter hinaus, zu arbeiten. Das ist derzeit in Österreich noch relativ unattraktiv.

Wie lange wollen Sie Minister bleiben?

Der Planungshorizont war immer diese Legislaturperiode – als Einsatz in einer außergewöhnlichen Situation, der Pandemie.