AMS-Chef: Was am Arbeitsmarkt passiert, wenn das Energie-Embargo kommt
Von Johanna Hager
Seit 2006 ist Johannes Kopf Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich (AMS), doch eine "derart schizophrene" und "volatile" Zeit wie diese habe er noch nie erlebt, wie er im Club-3-Gespräch mit KURIER, Kronenzeitung und Profil sagt. Noch gehe man von einem Wirtschaftswachstum von über drei Prozent aus, noch freue man sich über Arbeitslosenzahlen, die mit 335.887 Jobsuchenden auf Vorkrisenniveau sind. Noch. Denn sollte es zu schärferen Sanktionen oder einem Importstopp von russischem Gas kommen, würde sich alles im Nu verkehren.
"Die Auswirkungen auf die Industrie – von Metall über Chemie bis Lebensmittel – wären enorm. Wir würden in die Rezession fallen", sagt Kopf. Zudem käme es zu einer "Renaissance der Kurzarbeit im sechsstelligen Bereich". Zur Erinnerung: Zum Höhepunkt der Pandemie waren mehr als eine Million Menschen in Kurzarbeit. Kostenpunkt bisher: 9,5 Milliarden Euro. "Kurzarbeit ist ein gutes Medikament, aber es macht doch abhängig. Soll heißen: Es verhindert, Strukturen und Anpassungen, die notwendig sind, auch umzusetzen." Was Kopf meint, macht er an einem praktischen Beispiel fest: "Im Kongress-Tourismus in Salzburg waren Menschen in Kurzarbeit und zehn Kilometer entfernt Hotels, die unter Arbeitskräftemangel stöhnten. Das war die Absurdität."
Angepasst werden soll auch das Arbeitslosengeld. Kopf, der mit dem zuständigen Arbeitsminister Martin Kocher "exzellent und freundschaftlich zusammenarbeitet", kann einem degressiven und derzeit diskutierten Modell etwas abgewinnen. Das heißt: Das Arbeitslosengeld (Nettoersatzrate) ist zu Beginn der Joblosigkeit höher und sinkt mit der Zeit. "Ich habe mich in der Vergangenheit mehrfach für eine Stufe nach drei Monaten ausgesprochen", so der AMS-Chef. "Im Idealfall ist es ein System, das besser sozial absichert, Leute schneller in die Arbeit bringt und billiger ist."
Danach gefragt, was Kopf, der Jurist, für einen Beruf ergreifen würde, stünde er nochmals vor der Wahl? "Ich habe auch überlegt, Physik zu studieren. Möglicherweise würde ich heute etwas mit erneuerbarer Energie machen."