Politik/Inland

Staatsanwaltschaft untersucht Hasspostings auf Straches Facebook-Seite

Ein offenbar psychisch kranker Mann wirft sich vor eine Straßenbahn, dann auf die Windschutzscheibe eines Autos und schließlich klettert er auf das Dach der Straßenbahngarnitur, um auf die Oberleitung zu greifen. Der Straßenbahnfahrer unterbricht die Stromzufuhr - gerade noch rechtzeitig. Passiert ist das am Samstag in Wien-Favoriten. Ein Passant filmte den Selbstmordversuch mit seinem Handy, ein Video, das üblicherweise aus medienethischen und anderen Überlegungen vermutlich nicht ohne Weiteres veröffentlicht werden würde. Diesmal ist es anders. Es handelte sich um einen Asylwerber, einen Syrer. Mehrere Medien posteten das Video am Sonntag.

Heinz-Christian Strache und das Social Media-Team der FPÖ teilten den Link zum Video auf seiner Facebook-Seite. Binnen kürzester Zeit posteten einige Strache-Fans zynische und hasserfüllte Kommentare. Am Montag berichtete das Ö1-Mittagsjournal, dass die Staatsanwaltschaft sich der Causa angenommen und eine Untersuchung eingeleitet hat.

Alle Inhalte anzeigen

Stundenlang online

Nicht zum ersten Mal nehmen die Hasspostings auf Straches Facebookseite überhand, das ist nichts Neues. Die FPÖ beteuert, dagegen vorzugehen und verhetzende Postings zu löschen. Beim Löschen komme man aufgrund der Menge an Postings oft nicht schnell genug voran.

Diesmal jedoch blieben die Hass-Kommentare zum größten Teil stundenlang, bis in die Nacht, online. Gleichzeitig berichtet Klaus Schwertner, der Generalsekretär der Caritas Wien, dass eines seiner Postings auf Straches Facebook-Seite gelöscht worden und sein Account gesperrt sei, während die Hetzpostings stehen bleiben durften. Ließ man also die Mordaufrufe der Strache-Fans bewusst stehen?

Hasspostings "Einzelfälle"

"Dass Hasspostings nicht gelöscht worden sind, stimmt einfach nicht. Wenn das in Einzelfällen so war, liegt das im Arbeitsmodus begründet", sagt Alexander Höferl, Leiter des FPÖ-Kommunikationsbüros, gegenüber Futurezone und kurier.at. Bei dem betreffenden Posting seien „die Kommentare explodiert. Das wird dann nach und nach abgearbeitet." Anlass für Kritik an dem Vorgehen sieht Höferl nicht.

Das Löschen kritischer Kommentare, etwa die von Caritas Wien-Generalsekretär Klaus Schwertner, sei eine Ermessensentscheidung des jeweiligen Mitarbeiters gewesen, sagt Höferl. "Unter normalen Umständen wäre der Kommentare eventuell stehen gelassen worden. Aber wenn das in einem Posting drinnen ist, wo ohnehin schon Wirbel ist, will ich nicht provozieren, dass das Posting für weitere Diskussionen sorgt."

Dass Schwertner und auch andere Kritiker blockiert worden sind, begründet Höferl so: "Es gibt auf Facebook unzählige Möglichkeiten, Kritik gegen HC Strache und die FPÖ zu deponieren. Die Facebook-Seite von HC Strache ist keine Darstellungsplattform für Kritiker." Einen Widerspruch dazu, dass die FPÖ politisch ansonsten vehement gegen Zensur auftritt, sieht Höferl nicht. "Natürlich gibt es Meinungsfreiheit, es kann ja jeder posten", sagt er. Nach FPÖ-Auslegung gilt Meinungsfreiheit also auch auf Straches Facebook-Seite, allerdings nur, solange Kommentare nicht zu kritisch sind.

"Verstärker"-Effekt durch Löschungen

Die Kommunikationsexpertin und FH-Lektorin Uta Rußmann hat sich in mehreren Arbeiten mit der Kommunikationsstrategie politischer Parteien auf Online-Netzwerken wie Facebook beschäftigt. „Aus dem, was wir aus bisherigen Analysen sehen, muss die Partei wissen, was sie mit einem derartigen Posting auslöst.“ Laut Rußmann wollen Parteien mit Facebook „ein spezifisches Bild vermitteln, aufbauen und weitertragen“. Dadurch, dass kritische Kommentare gelöscht werden und nur die übrig bleiben, die das eigene Weltbild unterstützen, erzeugt man außerdem einen Verstärkereffekt.

„Wenn ich Teil dieser Gemeinschaft bin und nur Postings und Kommentare zu sehen bekomme, die meine Meinung stärken, habe ich das Gefühl, dass alle so denken“, so Rußmann. Besonders in Zeiten, wo es viele Nichtwähler und Wechselwähler gibt, sei diese Verstärkerfunktion eine wichtige Aufgabe, die Parteien mit Facebook erfüllen. Auch wenn man dort nur einen Bruchteil der Wähler erreicht, ist der Prozess ein wichtiger: „ Wir müssen auch davon ausgehen, dass die Community die Diskussion nach außen trägt“, so Rußmann.

"Geistiger Brandstifter"

Aus den anderen Parteien setzt es für den jüngsten Facebook-Aussetzer der FPÖ harsche Kritik. "Was sich auf Straches Facebook-Seite abspielt, ist nicht mehr zu tolerieren", sagt SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler. "Strache liefert unfreiwillig den Beweis, dass es ihm allein um Verunsicherung und Destabilisierung der Gesellschaft geht. Er agiert hier klar und verantwortungslos als geistiger Brandstifter."

"Strache stellt bewusst Dinge auf seine Facebook-Seite, bei denen er ganz genau weiß, was für Postings zu erwarten sind", sagt Dieter Brosz von den Grünen. "Zu sagen, er wüsste nichts davon, ist absurd. Da gibt es eine lange Historie, das ist Strategie und kein Zufall."

"Menschenverachtend und abscheulich", nennt Nikolaus Scherak, der stellvertretende Klubchef der NEOS die Vorfälle. "Das Zulassen – und offensichtlich stundenlange – nicht-Löschen solcher Kommentare ist in unseren Augen genauso übel, wie sie selbst zu posten. Genau solche Vorfälle wie diese sind es, die eine Koalition mit der FPÖ nicht vorstellbar machen."

„Solche Postings sind indiskutabel“, sagt auch Robert Lugar, Klubchef des Team Stronach. „Bei uns wird so etwas sofort gelöscht. Aber das ist ein Lernprozess. Die Leute werden merken, dass man sich auch im Internet zusammenreißen muss.“

Die ÖVP-Bundespartei wollte zu den Vorfällen auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben.