Kogler: Abschiebung von Schülerinnen "unmenschlich"
Nach der Abschiebung von drei Schülerinnen nach Georgien bzw. Armenien in der Nacht auf Donnerstag wird immer mehr Kritik - auch seitens der Regierung laut.
Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler lässt via Facebook wissen: "Es gibt keine zwingende rechtliche Verpflichtung zur Abschiebung von Schulkindern, die hier in Österreich aufgewachsen sind und gut integriert sind - besonders in Zeiten der Pandemie."
Weiter heißt es in dem Posting in größerer Schrift: "Es gibt für uns alle aber eine politische Verpflichtung zur Menschlichkeit." Eben diese Menschlichkeit seien "wird den Mädchen schuldig, die Donnerstag in den frühen Morgenstunden mit polizeilicher Härte abgeschoben wurden", so Kogler.
Fünf negative Asylverfahren
Schaut man sich den Fall im Detail an, dann gibt es rein formal kein Grund für Asyl. Am 10.März 2009 wurde von ihrer Mutter der Erstantrag auf Asyl gestellt und 2010 rechtskräftig abgewiesen. Anfang 2012 stellt die Mutter erneut einen Asylantrag, der am 22.März 2012 wieder abgeweisen wird. Danach reiste die Mutter 2012 mit ihrer älteren Tochter zurück nach Georgien. Im April 2014 kam sie per Touristenvisum via Holland nach Österreich und stellte erst Ende Februar 2015 erneut einen Antrag. Nach der Geburt einer weiteren Tochter stellte sie neuerlich einen Antrag, der 2017 rechtskräftig abgewiesen wurde. Sie blieb, stellte wieder einen Antrag – und erhielt wieder eine negative Antwort. In Summe handelte es sich um fünf negative Asylverfahren, die mit fast identen Gründen abgelehnt worden sind – und zwar von ordentlichen Gerichten.
Innenminister Nehammer rechtfertigte die Abschiebungen im Ö1-"Mittagsjournal“. Er sei vom Schicksal der Kinder „persönlich betroffen“, betonte er. Die Polizei habe aber die Aufgabe, höchstgerichtliche Entscheidungen auch tatsächlich umzusetzen. „Das ist auch für die eingesetzten Polizisten kein einfacher Dienst, aber dennoch notwendig, um hier dem Rechtsstaat zum Durchbruch zu verhelfen. Es ist eine höchstgerichtliche Entscheidung, die mehrfach geprüft worden ist und die ist dann von der Polizei eben auch durchzuführen.“
Auch in der Bundeshauptstadt wird die Kritik am Vorgehen über alle Fraktionen hinweg immer lauter.
SPÖ und Neos wollen "humanitäres Bleiberecht"
Die Stadtregierungsparteien SPÖ und Neos forderten im Gemeinderat die türkis-grüne Bundesregierung via Resolutionsantrag auf, "sich zum humanitären Bleiberecht zu bekennen und diese grausamen Abschiebungen zurückzunehmen". Die Grünen - in der Bundeshauptstadt nunmehr in Opposition - werden den Appell ebenfalls unterstützen.
"Gerade auch - aber nicht nur - in einer Zeit der Pandemie mit einer hohen psychischen Grundbelastung für Kinder und Jugendliche stellen diese nächtlichen Abschiebungen einen extremen Härtefall dar, denn die besonders gut integrierten und schutzbedürftigen Personen werden einem hohen psychischen und physischen Gesundheitsrisiko ausgesetzt", heißt es im Antragstext.
Außerdem drängt die Bundeshauptstadt auf mehr Mitspracherecht. Gefordert wird, "die betroffenen Länder bzw. Gemeinden im Verfahren über die Gewährung von humanitärem Bleiberecht von den Bundesbehörden verpflichtend anzuhören, um die lokalen Gegebenheiten in der Entscheidung berücksichtigen zu können".
"Es gibt kein einziges Argument dafür, dass ein Staat perfekt integrierte Kinder und ihre Familien aus ihrem Leben reißt und in ein für sie fremdes Land abschiebt", sagte SPÖ-Abgeordneter Christian Oxonitsch. Sein Parteifreund Marcus Gremel meinte in Richtung ÖVP: "Es ist zum Schämen. Mit Christlichkeit und Nächstenliebe hat das überhaupt nichts zu tun."
FPÖ ortet "Behördenversagen"
Neos-Klubchefin Bettina Emmerling ergänzte: "Rechtlich mag die Bundesregierung auf der sicheren Seite sein - moralisch und politisch ist die Aktion von vergangener Nacht eine Bankrotterklärung von ÖVP und den Grünen."
Letztere haben gegenüber der APA die Unterstützung des rot-pinken Antrags angekündigt und sprachen in einer Parteiaussendung von einer "Nacht der Unmenschlichkeit und Kaltherzigkeit", sahen die eigene Partei auf Bundesebene aber offenbar nicht allzu sehr in der Verantwortung: "Was letzte Nacht passiert ist, ist das Resultat von jahrzehntelangen Verschärfungen des Asyl- und Fremdenrechts durch ÖVP, SPÖ und FPÖ." Abgeordnete Berivan Aslan meinte: "Es ist einfach beschämend. Dafür gibt es keine Rechtfertigung." Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten müssten an einem Strang ziehen, um sich gegen die "menschenunwürdige Menschenrechtspolitik nicht nur der FPÖ, sondern auch der ÖVP" zu stellen.
Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp übte bezüglich der Abschiebungen ebenfalls Kritik - allerdings am "Behördenversagen". "Es ist bezeichnend für den desaströsen Zustand des ÖVP-Innenministeriums, dass Personen, deren Asylfall aussichtslos erscheint, den Behörden über zehn Jahre auf der Nase herumtanzen können", formulierte er. Nepp forderte eine gesetzliche Verankerung von "verkürzten Asylverfahren bei chancenlosen Fällen", damit Betroffene das Land "innerhalb kürzester Zeit" das Land wieder verlassen.