Großaufmärsche – für und gegen Orban
Bis heute ist es für die meisten Ungarn ein emotionales Datum – der 15. März, der Beginn der 1848er-Revolution gegen die Habsburger-Herrschaft. Des historischen Ereignisses und seiner folgenden, blutigen Niederschlagung wurde gestern aber höchst kontroversiell gedacht: Während die rechts-nationale FIDESZ-Regierung zu Massenkundgebungen im Budapester Stadtzentrum rief, trommelte die Facebook-Generation die Gegner der Orban-Führung am Pester Brückenkopf der Elisabeth-Brücke zusammen. Beide Seiten brachten mehrere Zehntausend Ungarn auf die Straßen.
"Wir Ungarn sind das Volk der Freiheitskämpfer", schmetterte Viktor Orban bei seiner Rede auf dem Kossuth-Platz den rund 200.000 Anhängern entgegen. "Die Eurokraten sehen uns heute noch scheel an, aber am Ende werden wir recht behalten", so der rechts-nationale Premier. Er spielte damit auf die von der EU-Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren an, in denen Ungarn eine Schwächung der demokratischen Institutionen vorgeworfen wird, auch Gelder werden zurückbehalten.
Durchgriffsrecht
Etwa einen Kilometer entfernt forderten etwa 100.000 Regierungskritiker die Rücknahme des restriktiven Mediengesetzes und anderer Maßnahmen, die ihrer Ansicht nach den Abbau der Demokratie und der Rechtstaatlichkeit nach sich gezogen haben. "Das Recht ist unser Schutz gegen die Tyrannei", so einer der Aktivisten. Die aus mehreren Gruppen bestehende Oppositionsbewegung beginnt sich aber zunehmend in Rivalitäten zu verzetteln, von einer einigenden Führungsfigur ist weit und breit nichts zu sehen. Einig aber waren sich die Demonstranten gestern in ihrer Forderung: "Orban muss gestoppt werden."
Am Rande der Kundgebungen drangen Hunderte Neonazis und Rechtsextreme in das Budapester Bank Center ein. Dort hat auch der Internationale Währungsfonds (IWF) sein Büro hat, der derzeit mit Ungarn über einen neuen Kredit verhandelt. Die Polizei drängte sie aus dem Gebäude.
Orban hatte handstreichartig in den vergangenen zwei Jahren mit seiner Zweidrittelmehrheit eine neue Verfassung durchgesetzt, das Wahlgesetz umgeschrieben und seiner Regierung Durchgriffsrechte auf Justiz, Wirtschaft und freie Presse gesichert.
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Hintergrund
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