Fachhochschulen hängen Unis ab
Diese Woche startet an den Universitäten das neue Semester: Mit teils überfüllten Hörsälen, unterdotierten Budgets und einer offenen Frage: Wie viele Studenten werden mit Ende der Inskription im November wirklich kommen?
Diese Woche startet an den Fachhochschulen das neue Semester: Mit einer fixen Anzahl ausfinanzierter Plätze, bei denen schon längst feststeht, welche Studenten sie bekommen.
Die FH haben Möglichkeiten, die die Uni-Rektoren seit Jahren fordern: Zugangsregeln und eine Studienplatzfinanzierung. In der Praxis heißt das: Die Fachhochschulen können ihre Studenten auswählen - und müssen nur so viele nehmen, wie mit dem Gesetzgeber Studienplätze vereinbart worden sind. Nach denen richtet sich auch das Budget. Zusätzlich dürfen sie Studiengebühren einheben (63 Prozent der FH-Studenten zahlen derzeit 363 Euro pro Semester).
Die Unis müssen (mit Ausnahme einiger weniger Fächer) de facto jeden nehmen, der kommt - und bekommen auch bei deutlich mehr Studenten als geplant nicht mehr Geld.
Vergleich Das wirkt sich unter anderem auf die Studiendauer aus: 77 Prozent der FH-Studenten sind in Mindeststudienzeit fertig, zwei Prozent im Jahr danach. An den Unis schließt nur jeder Dritte in Mindestzeit plus Toleranzsemester ab.
Hans Sünkel, Rektor der TU Graz und Vorsitzender der Rektorenkonferenz, spricht von einer "absurden Situation". Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) sagt: "Fachhochschulen haben bereits jetzt Rahmenbedingungen, die sich viele Unis wünschen: Einen geregelten Zugang und die Möglichkeit, Studienbeiträge einzuheben."
Liegt die Zukunft der Unis in einer Umwandlung zu Fachhochschulen? Nein, sagen Rektoren und Experten. Nein sagt auch Minister Töchterle. Vielmehr soll die Zusammenarbeit der beiden Systeme gestärkt werden.
Kooperation
Töchterle will den Anteil der FH-Studenten (elf Prozent) erhöhen - auch, um die Unis zu entlasten. "Wir müssen die Universitäten vor allem qualitativ ausbauen, die Fachhochschulen qualitativ und quantitativ", sagt Töchterle. Die Unis sollen also weg vom Massenbetrieb und nicht maßgeschneidert für die Wirtschaft Absolventen produzieren. Die Praxis-Nähe der FHs soll dafür mehr Studenten zugänglich gemacht werden.
"FH-Studiengänge sind Berufsausbildung auf Hochschul-Niveau", sagt Helmut Holzinger, Präsident der Fachhochschulkonferenz (FHK). Heinz Engl, Rektor der Uni Wien, drückt es so aus: "Die FH bilden für die Praxis von heute aus, die Unis für die Praxis von morgen." Uni-Absolventen seien nicht immer unmittelbar im Job einsetzbar - aber langfristig flexibler.
Ausbau
FHK-Chef Holzinger begrüßt den geplanten Ausbau der Fachhochschulen; er hält es für möglich, dass 2019/20 jeder Vierte an einer FH studiert. Das würde vor allem zwei Dinge bewirken, sagt Holzinger: "Man würde das berufsbegleitende Studieren fördern. An den Unis jobben viele neben dem Studium - an den FH studieren 30 Prozent neben
der Arbeit." Gleichzeitig würden sich, siehe oben, die Studienzeiten verringern. "Da haben die Fachhochschulen schon eine sehr gute Performance."
Den Unis rät Holzinger, bei der gewünschten Studienplatzfinanzierung auf das Kleingedruckte zu achten: "Damit sind nicht nur Vorteile verbunden. Wir haben erlebt, dass von 1994 bis 2009 die Finanzmittel pro Studienplatz eingefroren wurden. Allein der Inflationsverlust waren 35 Prozent." Zumindest vor Sparpaketen sind demnach alle Hochschul-Systeme gleich.
Neuer Rektor warnt vor "massivem Sparprogramm"
Seit Montag hat die Universität Wien einen neuen Rektor: Heinz Engl übernahm die Leitung der größten Hochschule des Landes von Georg Winckler, der nach zwölf Jahren im Amt nicht mehr kandidierte. In seiner Inaugurationsrede wies Engl auf die "schwierige Situation der Universitäten" hin.
"Zu Beginn des neuen Studienjahres werden die Herausforderungen, vor denen die Universität Wien steht, besonders sichtbar", sagt Engl zum KURIER. Die derzeitigen Überlegungen zu einer echten Studienplatzfinanzierung würden "Anlass zu Hoffnung" geben. Engl hofft auch, dass der Wissenschaftsminister das angekündigte Budget-Plus realisieren kann: "Die Töchterle-Milliarde verhindert die Katastrophe. Nur ein derartiger Schritt kann die Universität vor einem massiven Sparprogramm bewahren."
FH: Viel Praxis, schneller Abschluss
Anfang Die ersten FH-Studiengänge nahmen im Studienjahr 1994/'95 ihren Betrieb auf. Im Wintersemester 2010/'11 gab es an 21 FH 351 Studiengänge (188 Bachelor, 149 Master, 3 Magister) mit 37.500 Studierenden - das sind rund elf Prozent aller Studierenden in Österreich.
Konzept Im Unterschied zu den Unis sind die FH-Studiengänge stark praxisorientiert. An den FH gibt es Aufnahmeverfahren und großteils Studiengebühren. Die FH vergeben dieselben Titel wie die Unis - der Titel-Zusatz (FH) wurde bei der Umstellung
von Magister/Doktor auf Bachelor/Master gestrichen.