Politik/Ausland

Zwei neue Gesichter als Parlamentschefs

Große Überraschung in Rom: Der prominente Mafiajäger Piero Grasso und die namhafte Menschenrechtsaktivistin Laura Boldrini sind die neuen Präsidenten beider Kammern des italienischen Parlaments. Nach heftigen Grabenkämpfen zwischen den politischen Lagern setzte sich am Samstag die frühere Sprecherin des Flüchtlingskommissariats UNHCR, die linksgerichtete Politikerin Boldrini (51), im Abgeordnetenhaus durch. Am Abend wurde dann Italiens früherer Top-Mafiajäger Piero Grasso (68) zum Präsidenten des Senats gewählt.

Der überraschende Ausgang der nicht ohne Mühen verlaufenen Abstimmung gilt als kleiner Triumph für Pier Luigi Bersani. Dessen Mitte-Links-Lager hatte die beiden ungewöhnlichen Kandidaten ins Rennen geschickt.

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Mit der Kür der beiden Parlamentspräsidenten ist der Weg für die Suche nach einer Regierung frei. Staatspräsident Giorgio Napolitano wird am Mittwoch die Konsultationen aufnehmen. Er dürfte zunächst Pier Luigi Bersani, dessen Mitte-Links-Bündnis knapp gegen Silvio Berlusconis „Volk der Freiheit“ (PdL) gewonnen hatte, den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung erteilen. Der abgewählte Premier Mario Monti bleibt so lange im Amt, bis die neue Regierung feststeht.

Stimmen der Grillini

Einer wird es Bersani dabei schwer machen: Beppe Grillo, der es bei den Wahlen im Februar mit seiner Protestbewegung „Fünf Sterne“ auf Anhieb zur drittstärksten Kraft des Landes schaffte, lehnt jede Regierungsbeteiligung kategorisch ab.

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Doch seine Parteifreunde scheinen schon jetzt nicht mehr nach der Pfeife ihres Chefs zu tanzen. Dass Mafia-Jäger Piero Grasso zum Präsidenten des Senats gewählt wurde, konnte nur mit Stimmen der im Parlament vertretenen „Grillini“ geschehen sein. Worauf Beppe Grillo tobte: Seine Parteifreunde sollten offenlegen, wie sie gestimmt hätten und gegebenenfalls zurücktreten. Denn die „Fünf-Sterne“-Mitglieder hätten Anweisung gehabt, leere Stimmzettel abzugeben. „Fünf Sterne“-Fraktionschef im Senat, Luis Alberto Orellana, konterte darauf forsch: „Wir werden nicht von einer Fernbedienung gesteuert. Jeder von uns hat seine eigenen Empfindlichkeiten, sein eigenes Gewissen und Pietro Grasso ist sicherlich nicht Teil des alten Apparats.“

Ob strenge oder lockere Parteidisziplin – Beppe Grillos Protestbewegung erfreut sich unter den Italienern immer größerer Beliebtheit. 25 Prozent der Stimmen erzielte sie bei den Wahlen. Sollten alle Versuche einer Regierungsbildung scheitern und neu gewählt werden müssen, kann Grillo laut jüngsten Umfragen mit rund 30 Prozent der Stimmen rechnen – und damit eventuell stärkste Partei Italiens werden.