Politik/Ausland

AfD-Hoch: Wirtschaft im Osten Deutschlands sorgt sich ums Image

Wirtschaftstreibende und Politiker im Osten Deutschlands machen sich Sorgen wegen des Erstarkens der AfD. "Das Image ist wesentlich, ob zu Recht oder zu Unrecht", sagte der Managing Director des Mikroelektrik-Verbandes Silicon Saxony, Frank Bösenberg.

Eine Region, die nicht weltoffen sei, sei eine Gefahr für die Branche. "Die AfD ist eine Herausforderung, denn sie ist schädlich für ein weltoffenes Image", sagte Bösenberg. "Aber wenn es nur einen Einzigen abhält zu kommen, ist das schlecht. Wir sind darauf angewiesen, dass Menschen hierherkommen."

In Sachsen, Thüringen und Brandenburg werden im September neue Landtage gewählt. In allen drei ostdeutschen Bundesländern liegt die AfD laut Umfragen vor allen anderen Parteien. In Sachsen liegt sie bei 35 Prozent, in Thüringen bei 30 Prozent.

Rückt ganz Europa nach rechts?

Bereits vor mehreren Tagen hatte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) in einem Interview mit dem Deutschlandradio Kultur erklärt, dass derzeit ganz Europa nach rechts rücke. Die Unzufriedenheit sei "schon lange eingeübt" im Land, "sodass, wenn man die falsche Partei erwähnte, es ein Quietschen in Berlin gab". 

Die ersten zehn Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung 190 habe die PDS (Nachfolgerin der DDR-Staatspartei SED, eine der Vorgängerparteien der Linken, Anm.) diese Rolle innegehabt. "Die kann diese Form des Protests nicht mehr abholen, weil ich Teil des Establishments bin", sagte Ramelow, der einzige Ministerpräsident der Linken in einem deutschen Bundesland.

Sein Amtskollege Michael Kretschmer (CDU) aus Sachsen gibt alle Schuld für das derzeitige Hoch der AfD der Bundespolitik in Berlin

Gründe fürs Wählen der AfD bei den meisten gleich

Vor ausländischen Journalisten in Dresden sagte er, alle Nachwahlbefragungen von AfD-Wählern hätten bisher die gleichen Ergebnisse über ihre Gründe so zu wählen gebracht: "Zuerst Migration, dann Heizungstausch, dann Ukraine-Krieg, dann Energiepolitik, jetzt auch die Landwirtschaft. Zu alldem hat die Bundesregierung keine Antworten gegeben."

Die AfD bezeichnete Kretschmer als "Gefahr", die zusammen mit anderen Kräften ein Europa der Destruktion betreibe: "Das muss man schon sehr ernst nehmen. Was wir wirklich tun müssen, ist diesen Phänomenen die Grundlage entziehen." 

Nach den jüngsten Wahlen in Sonneberg, Hessen und Bayern habe es ein Momentum gegeben, "wo man sagte, jetzt hat es die Politik begriffen", sagte Kretschmer. "Ein oder zwei zentrale Themen zu lösen, ist doch das Wichtigste."

Damals hätten die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer Deutschlands einen Maßnahmenkatalog erarbeitet. "Und dann passierte nichts", so Kretschmer. "Als wir im Bundeskanzleramt vorsprachen, war die Hälfte schon wieder herausgestrichen."

Sächsischer Landeschef wünscht sich bei Migrations- und Energiepolitik "starkes Signal"

An die Bundespolitik gerichtet schlug der sächsische Landeschef eine ähnliche Migrationspolitik wie in Dänemark vor: "Ich würde mir ein starkes Signal sehr wünschen, auch bei der Energiepolitik." Es könne nicht der Weg sein, nur an das Demokratiebewusstsein der Bürger zu appellieren. "Es ist keine Kategorie von rechts und links, wenn ein Land selbst entscheiden will, wie viele Migranten und wie es sie aufnehmen will."

Bei der Überlegung, wie er selbst im Land der AfD den Wind aus den Segeln nehmen wolle, blieb Kretschmer unkonkret: Er wolle mit jedem auf Augenhöhe und auf eine kultivierte Art sprechen, sagte er, und weiter: "Ich würde sehr gerne eine Koalition ohne die Grünen in den nächsten Jahren führen. Das Gegenteil von gut ist gut gemeint." 

Die Politik in Berlin habe den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht und dadurch für viel Frustration und Zorn gesorgt.

Dass andere rechte Parteien der AfD Stimmen abnehmen könnten, glaubt der sächsische Ministerpräsident, der sie mit der polnischen rechtsnationalen PiS-Partei vergleicht, nicht: "Die AfD ist ein monolithischer Block, für die nächsten Wahlen ist es nahezu unmöglich, da Wähler zu generieren. Das wird die Bewegung Sahra Wagenknecht (BSW, Abspaltung der Linken, Anm.) erfahren, und auch die Partei von (Ex-Verfassungsschutzpräsident und früherer CDU-Politiker) Hans-Georg Maaßen (die neu gegründete Werteunion, Anm.)."

Soziologe: Bündnis Sahra Wagenknecht spricht "alte Linke" an

Gänzlich anders sieht dies Hartmut Rosa, Professor für Allgemeine und Theoretische Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Direktor des Max-Weber-Kollegs an der Universität in Erfurt: Das BSW werde der AfD Stimmen abnehmen, weil nun auch eine Protestpartei für sie wählbar sei, "die keine Rassisten sind und sich nicht als Nazis bezeichnen lassen möchten". Zum anderen wäre Wagenknechts Gruppierung ansprechend "für die alten Linken, weil Die Linke nicht mehr Friedenspartei ist und inzwischen als elitär angesehen wird".

Die AfD habe sich zunehmend radikalisiert im Laufe der Jahre, sagte Rosa. Was einst der "Flügel", also die Rechtsaußen-Fraktion der Partei, gewesen sei, wäre heute die AfD. Einstige Führungspersonen wie Jörg Meuthen oder Frauke Petry hätten die Partei bereits vor Jahren verlassen.

Ähnlich schätzt die Partei Thüringens Ministerpräsident Ramelow ein, in dessen Bundesland die AfD von Björn Höcke geführt wird. "Die Partei sollte ursprünglich etwas anderes, eine ultra-wirtschaftlich-liberal-konservative Partei, sein", sagte er. "Höcke hat die Partei übernommen und zu einer original faschistischen Partei gemacht."