Politik/Ausland

"Willkommen zu Hause!" Reaktionen auf die Wahl von der Leyens

Ursula von der Leyen hatte am Dienstagabend knapp die absolute Mehrheit im Europaparlament erreicht und steht nun als erste Frau an der Spitze der EU-Kommission. Sie folgt Jean-Claude Juncker nach.

Juncker hat seiner Nachfolgerin Ursula von der Leyen in einem dreisprachigen Tweet gratuliert - Französisch, Deutsch und Englisch. "Endlich steht die erste Frau an der Spitze der EU-Kommission", schrieb der Luxemburger am Dienstagabend im Kurznachrichtendienst Twitter.

"Dieser Job ist eine riesige Aufgabe und eine Herausforderung. Ich bin sicher, dass Sie eine großartige Präsidentin werden. Willkommen zu Hause!"

Der französische Präsident Emmanuel Macron schrieb auf Twitter: "Heute hat Europa Ihr Gesicht." Es sei das Gesicht des Engagements, Ehrgeizes und Fortschritts. "Wir können stolz auf Europa sein."

Macron hatte sich zuvor strikt gegen den CSU-Politiker Manfred Weber als neuen Präsidenten gestellt, für den sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zunächst stark gemacht hatte. Nach einem Hin und Her wurde schließlich von der Leyen ausgewählt.

Merkel (CDU) hat der künftigen EU-Kommissionspräsidentin eine enge Zusammenarbeit zugesagt. "Auch wenn ich heute eine langjährige Ministerin verliere, gewinne ich eine neue Partnerin in Brüssel", erklärte Merkel in Berlin.

Die Kanzlerin hob die historische Dimension der Wahl hervor: Mit von der Leyen werde es "zum ersten Mal eine Präsidentin der Europäischen Kommission geben und nach über 50 Jahren auch wieder eine Deutsche an der Spitze der europäischen Exekutive". Merkel würdigte ihre Parteikollegin als "überzeugte und überzeugende Europäerin".

Bilder: Großer Abend, große Gesten, schräge Gratulanten

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Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gratulierte Von der Leyen und wies darauf hin, dass sie Ihr Amt "in einer besonders herausfordernden Zeit" übernehme, "in der die Bedeutung der europäischen Einigung vielfach in Zweifel gezogen wird. Gleichzeitig ruhen große Hoffnungen auf Deutschland als einem Garanten für die Stabilität der EU". Zudem werde in von der Leyens Amtszeit mit großer Wahrscheinlichkeit mit Großbritannien erstmals ein Mitgliedstaat die Europäische Union verlassen.

Gemischte Reaktionen aus Österreich

So unterschiedlich wie ihr Verhalten bei der Abstimmung im Europaparlament in Straßburg fielen die Reaktionen der österreichischen EU-Delegationen nach der knappen Wahl der deutsche Christdemokratin Ursula von der Leyen zur EU-Kommissionspräsidentin aus. Nach Ansicht der neuen Leiterin der ÖVP-Delegation Karoline Edtstadler wurde damit ein "wichtiger Schritt für eine handlungsfähige EU gesetzt".

Dies sei gerade in bewegten Zeiten wichtig, da die Menschen "Antworten auf die drängenden Fragen" erwarteten, teilte Edtstadler am Dienstagabend mit und begrüßte in ihrer Stellungnahme, dass "mit einer Frau an der Spitze auch Themen in den Fokus gelangen, die bisher nicht so viel Aufmerksamkeit hatten." Dazu zähle das Thema Gewalt gegen Frauen, "das mit persönlich sehr am Herzen liegt."

EU-Parlamentsvizepräsident Othmar Karas, der am heutigen Dienstag die Leitung der ÖVP-Delegation an Edtstadler übergeben hatte, gratulierte ebenfalls. "Der Start war und bleibt schwierig", erinnerte er. Die Herausforderungen seien vielfältig, zu tun sei viel. "Miteinander", wie Karas betonte.

SPÖ: "Kein gutes Signal"

Andreas Schieder, Delegationsleiter der SPÖ-Abgeordneten, sieht hingegen in der Wahl von Von der Leyen "kein gutes Signal", "gerade nach der gesteigerten Wahlbeteiligung bei der EU-Wahl". Das Spitzenkandidaten-System hingegen hätte seiner Ansicht nach sowohl das EU-Parlament als auch die EU-Kommission gestärkt. Von der Leyen war von den EU-Staats- und Regierungschefs für das Amt nominiert worden, nachdem keine Einigung auf einen aus der Europawahl hervorgegangenen Spitzenkandidaten zustande gekommen war.

Zwar habe Ursula von der Leyen am Vormittag vor den EU-Mandataren einige wichtige Inhalte angesprochen, dies alleine werde aber nicht den Politikwechsel bringen, "den unser Kontinent dringend braucht", fügte Schieder hinzu. "Europa hat schon viele gute Reden gehört, aber bisher ist es zu oft an der Umsetzung gescheitert", erinnerte er und bestätigte, dass die SPÖ wie angekündigt gegen von der Leyen gestimmt habe.

Edtstadler sieht darin einen Beweis für die "Fundamentalopposition" der SPÖ und FPÖ, der über die Innenpolitik hinausgeht. "Das Abstimmungsverhalten hat auch gezeigt, dass SPÖ und FPÖ auf europäischer Ebene Fundamentalopposition betreiben. Gemeinsam haben sie gegen von der Leyen und damit gegen die Handlungsfähigkeit Europas gestimmt", erklärte sie.

FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky hatte im Vorfeld seine Ablehnung gegenüber der Kandidatin erklärt und mitgeteilt, diese bedeute für ihn die "Fortsetzung des zentralistischen Kurses". Von der Leyens Agenda sei "gerade für österreichische Interessen kontraproduktiv". Im Anschluss an die Abstimmung war die FPÖ nicht unmittelbar für eine Stellungnahme erreichbar, ebenso wenig die NEOS, deren EU-Abgeordnete Claudia Gamon angekündigt hatte, gegen die Kandidatin und somit gegen die Linie ihrer Parteifamilie, der Liberalen, zu stimmen.

Die Grünen sehen in den 383 Stimmen für die scheidende deutsche Verteidigungsministerin ein "sehr schlechtes Ergebnis". Von der Leyen sei gut beraten, "zuzuhören, was das Europaparlament will", erklärte Delegationsleiterin Monika Vana der APA, für die der heutige Dienstag "kein guter Tag für die Demokratie" ist. "Die großen Parteien haben von der Leyen auf Zuruf des Europäischen Rates die Mehrheit gesichert", sagte sie der APA und kritisierte deren "vage Zusagen". Sie räumte aber ein, das Ergebnis anzuerkennen und konstruktiv mit der neuen Kommissionschefin zusammenarbeiten zu wollen.

Jüdischer Weltkongress gratuliert

Der Jüdische Weltkongress hat Ursula von der Leyen zur Wahl als neue EU-Kommissionspräsidentin gratuliert. "Antisemitismus bleibt eine schlimme Bedrohung für viele der Juden in Europa, aber der WJC ist zuversichtlich, dass die Führungsstärke von Frau von der Leyen die vorhandenen institutionellen Mechanismen betonen wird, die Antisemitismus identifizieren und entwurzeln sollen", sagte Ronald Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC) laut Mitteilung am Dienstag in New York. Der WJC sieht sich als Vertretung der nicht in Israel lebenden Juden.