Wilders’ rechte Koalition dürfte scheitern, doch die Alternativen sind rar
Von Armin Arbeiter
299 Tage. So lange benötigte der niederländische Premier Mark Rutte nach der letzten Wahl, bis er eine Regierung formen konnte, ehe er sie im Sommer vergangenen Jahres auflöste. Zu wenig sei bei einem der drängendsten Themen – der Migration – weitergegangen. In der darauffolgenden Neuwahl im November gaben 24 Prozent der Niederländer dem Rechtspopulisten Geert Wilders ihre Stimme, machten ihn zum eindeutigen Wahlsieger.
Schwierige Verhandlungen
Doch eine rasche Regierungsbildung rückt für ihn und seine „Partei für die Freiheit“ (PVV) in immer weitere Ferne: Ursprünglich wollte Wilders eine Viererkoalition mit Ruttes rechtsliberaler „Volkspartei für Freiheit und Demokratie“ (VVD), der christdemokratischen „Neuer Gesellschaftsvertrag“ (NSC) sowie der Bauernpartei „Bauern-Bürger-Bewegung“ (BBB) bilden. Damit hätte die Regierung über eine stabile Mehrheit von 88 von 150 Mandaten in der niederländischen Zweiten Kammer verfügt.
Ruttes Nachfolgerin Dilan Yeşilgöz-Zegerius schloss knapp nach der Wahl aus, dass Mitglieder ihrer Partei in einem Regierungskabinett unter Wilders sitzen, sie sei jedoch bereit, eine solche Regierung im Parlament zu unterstützen: „Wir werden ein Mitte-Rechts-Kabinett möglich machen. Wir werden konstruktive Vorschläge unterstützen“, sagte sie.
Am Dienstag ließ jedoch Pieter Omtzigt von der NSC die Verhandlungen platzen. Als Hauptgrund nannte er die „besorgniserregenden Lage des Staatshaushalts“, die eine Umsetzung der Wahlversprechen nicht möglich mache. „Existenzsicherung wird nicht auf Luftschlössern gebaut“, argumentierte Omtzigt. Er sei bereit, eine Minderheitsregierung zu tolerieren – allerdings hätten PVV und BBB zusammen lediglich 44 Sitze. Ein instabiles Gebilde, vor allem, da die Abgeordneten der VVD in der Frage der Migration ohnehin gespalten sind.
Ob Wilders eine solche Minderheitsregierung in Angriff nehmen will, ist mehr als fraglich. Eine Alternative wäre eine Koalition von VVD, NSC, der linksliberalen D66 und dem linken Bündnis „GrünLinks-Partei der Arbeit“, das bei der Wahl den zweiten Platz belegte. Dagegen spricht jedoch einerseits die Ablehnung der Bevölkerung, andererseits die großen Unterschiede beim Thema Migration. Dem Grund für das Scheitern der letzten Regierung.
Umfragen deutlich für Wilders
Doch was wäre sonst noch möglich? Omtzigt brachte ein „außerparlamentarisches Kabinett“ aufs Tapet, quasi eine Expertenregierung, die durch wechselnde Mehrheiten im Parlament regieren solle. Ein Vorschlag, der bei den meisten Parteien auf wenig Gegenliebe stößt. Die letzte Option wären Neuwahlen, doch es ist kaum vorstellbar, dass die Mehrheit der Parteien diesen Schritt derzeit unternehmen will: Denn alle Parteien stagnieren oder fallen in den Umfragen – außer Wilders’ VVD: Von den 24 Prozent im November ist sie auf 32 gestiegen. Das letzte Mal, dass eine Partei bei einer niederländischen Wahl die 30-Prozent-Marke sprengte, war im Jahr 1989.
Sjoerd van Heck, Analyst bei Ipsos I&O, sagte dazu: „Die Stimmung ist: Wilders hat gewonnen, also sollte Wilders auch regieren dürfen.“ Wie lange dieser Effekt bei Ausbleiben einer Regierungsbildung anhält, ist fraglich. Doch bis Wilders Ruttes 299 Tagen nahekommt, ist noch Zeit.