Politik/Ausland

Wikileaks-Gründer Assange will US-Auslieferungsgesuch "bekämpfen"

Wikileaks-Gründer Julian Assange ist von der britischen Polizei verhaftet worden. Kurz zuvor war ihm das ecuadorianische Asyl durch die Regierung in Quito entzogen worden. Wie Scotland Yard mitteilte, wurde der 47-jährige Australier in ein Londoner Kommissariat gebracht.

Verhaftung und Urteil in London

Assange war, um einer Auslieferung an Schweden wegen Vergewaltigungsvorwürfen und einem von ihm befürchteten Prozess in den USA zu entgehen, 2012 in die Botschaft Ecuadors in London geflüchtet. Zu dieser Auslieferung soll es nun kommen, der 47-Jährige werde "so schnell wie möglich" einem Richter vorgeführt, hieß es. Dies passierte bereits am Nachmittag: Assange wurde eine schneller Prozess gemacht. Man sprach ihn des Verstoßes gegen seine Kautionsauflagen schuldig, dafür drohen bis zu zwölf Monate Haft.

Anklage wegen Verschwörung in den USA

In den USA hat das Justizministerium nun Anklage wegen, im Jahre 2010 verübter, "Hackerangriffe" auf Regierungscomputer erhoben. Assange soll geheime Dokumente von den US-Militärrechnern heruntergeladen und bei Wikileaks veröffentlicht haben. Dafür drohen ihm nach Angaben des Justizministeriums bis zu fünf Jahre Haft.

Assange will sich gegen die drohende Auslieferung in die USA wehren. Der 47-jährige Australier werde das US-Auslieferungsgesuch "anfechten und bekämpfen", sagte Assanges Anwältin Jennifer Robinson am Donnerstag in der britischen Hauptstadt.


Schlimmste Befürchtung nicht bestätigt

Die Anklage bleibt allerdings hinter den schlimmsten Befürchtungen Assanges zurück. Der 47-Jährige hatte befürchtet, in den USA wegen Spionage angeklagt zu werden - wofür ihm potenziell sogar die Todesstrafe gedroht hätte. Das US-Justizministerium hob hervor, dass auch die im Rahmen der erhobenen Anklage vorgesehene Maximalstrafe von fünf Jahren nicht wahrscheinlich sei. Die tatsächlichen Strafen für Delikte nach dem US-Bundesrecht lägen "typischerweise" unter den im Gesetz vorgesehenen Höchststrafen.

Konkret wird Assange angelastet, sich mit Manning verbündet zu haben, um ein spezielles Passwort für den Zugang zu Rechnern des US-Verteidigungsministeriums zu knacken. Manning hatte den Angaben zufolge bereits zwar bereits ohne dieses Passwort Zugang zu diesen Computern und von ihnen hunderttausende Geheimdokumente heruntergeladen, die sie dann an Assange weiterleitete. Das Knacken des Passworts - das offensichtlich nicht gelang - hätte es ihr jedoch erleichtert, ihre Identität beim weiteren Herunterladen von Material zu verschleiern.

"Niemand steht über dem Gesetz"

Der Zugriff erfolgte laut Scotland Yard aufgrund einer Gerichtsanordnung von 2012 wegen Verstoßes gegen Kautionsauflagen. Der britische Innenminister Sajid Javid begrüßte die Festnahme. "Niemand steht über dem Gesetz", schrieb Javid im Kurzbotschaftendienst Twitter. Er dankte Ecuador für die "Zusammenarbeit". May ist ganz seiner Meinung und äußerte sich im fast selben Wortlaut im Parlament.

Ecuadors Präsident Lenín Moreno verteidigte den Entzug des diplomatischen Asyls. Sein Land habe "in souveräner Weise" gehandelt. In einer Videobotschaft erklärte Moreno, er habe von Großbritannien die Zusicherung gefordert, dass Assange in kein Land ausgewiesen werde, in dem ihm "Folter oder Todesstrafe" drohten. London habe ihm dies schriftlich bestätigt. Dessen Amtsvorgänger Rafael Correa warf Moreno hingegen Verrat vor

Der damalige linksgerichtete ecuadorianische Präsident Rafael Correa hatte ihm das Botschaftsasyl aus humanitären Gründen gewährt. Während die Ermittlungen in Schweden inzwischen eingestellt wurden, droht Assange nach seiner Verhaftung nun die Auslieferung in die USA. Dort wird gegen ihn ermittelt, weil Wikileaks zahlreiche geheime US-Dokumente, mitunter zu den Kriegen in Afghanistan und im Irak, veröffentlicht hat.

Alle Inhalte anzeigen

Die Beziehung zwischen dem Wikileaks-Gründer und seinem Gastgeber hat sich in den vergangenen Monaten zunehmend verschlechtert. Im Oktober hat Ecuador begonnen, Assange massiv einzuschränken. So soll ihm der Zugang zum Internet gekappt worden sein. Auch soll die Regierung die Kontrolle über die Besuche an sich gerissen haben und damit die Entscheidung, wen er sehen durfte und wen nicht. Quito warf dem 48-Jährigen vor, sich in Staatsangelegenheiten Ecuadors und anderer Länder einzumischen.

Gegen Asyl-Auflagen verstoßen

Ecuador erhob den Vorwurf, dass der Australier gegen Asyl-Auflagen verstoßen habe. "Er hat zu oft gegen die Vereinbarung verstoßen, auf die wir uns mit ihm und seinem juristischen Berater geeinigt haben", sagte Präsident Lenin Moreno am Dienstag einem lokalen Radiosender in Ecuador.

Der Wikileaks-Gründer dürfe nicht lügen, und erst recht dürfe er keine Accounts hacken oder private Telefongespräche abhören, sagte Moreno weiter. Die ecuadorianische Regierung hat offiziell Beschwerde über Assange bei einem UNO-Berichterstatter eingereicht.

INA-Papers

Wikileaks wiederum hat Ecuador vorgeworfen, eine rechtswidrige Totalüberwachung gegen Assange zu fahren. Wikileaks-Chefredakteur Kristinn Hrafnsson erklärte in London, man sei auf die Überwachung aufmerksam geworden, nachdem jemand in Spanien versucht habe, Videos und Fotos von Assange für drei Millionen Euro zu verkaufen.

Nach den Worten von Hrafnsson seien selbst vertrauliche Gespräche von Assange mit seinen Ärzten und Anwälten mit hochauflösenden Videokameras und Mikrofonen aufgezeichnet worden.

Brisanter Hintergrund sind die sogenannten INA-Papers. Bei diesen handelt es sich um eine Reihe von Dokumenten, die einem ecuadorianischen Abgeordneten zugespielt wurden. Darin sollen Medienberichten zufolge Hinweise auf illegale Geschäfte von Präsident Lenin Moreno und seine Familie enthalten sein. Es soll um Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit einem Wasserkraftwerk gehen, die teilweise auf Konten der Firma INA Investments Corp. flossen. Das Unternehmen gehört den Berichten zufolge Morenos Bruder Edwin Moreno. Die Generalstaatsanwaltschaft hat eine Untersuchung eingeleitet. Moreno wies die Vorwürfe zurück und sprach von einer Schmutzkampagne.

Alle Inhalte anzeigen

Anwalt: Verrat am Asyl

Assanges Anwalt Robert Tibbo, der dem Whistleblower 2013 bei seiner Flucht half, kommentierte eine mögliche Aufhebung des Asylstatus unlängst als "Abweichung von den grundlegenden Normen der Rechtsstaatlichkeit." Eine Auslieferung an die Vereinigten Staaten würde Assange "einer echten Bedrohung durch Misshandlung und Folter aussetzen", so der Anwalt. Für Ecuador wäre es zudem ein schweres Vermächtnis, "nämlich der Verrat am Asyl".

Alle Inhalte anzeigen

Die Plattform Wikileaks hatte 2010 für eine Sensation gesorgt, indem sie Hunderttausende geheime Dokumente aus der Kommunikation von US-Botschaften veröffentlichte. Assange rechnet deswegen damit, dass ihm in den USA ein Prozess wegen Geheimnisverrats und womöglich sogar die Todesstrafe drohen könnte, wenngleich Präsident Lenin Moreno äußerte, dass Großbritannien versichert habe, Assange nicht an ein Land auszuliefern, in dem ihm die Todesstrafe drohe.

Schwedin will Vergewaltigungsfall neu aufrollen

Eine Frau, die mit Vorwürfen von Vergewaltigung und sexueller Nötigung gegen Julian Assange inzwischen eingestellte Ermittlungen in Schweden ausgelöst hatte, will, dass der Fall nach seiner Festnahme neu aufgerollt wird. Ihre Anwältin teilte am Donnerstag mit, sie werde daran arbeiten, dass die Staatsanwaltschaft die vorläufigen Ermittlungen in Schweden wieder aufnehme, damit Assange dorthin ausgeliefert werde. Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen im Mai 2017 eingestellt, weil sie keine Möglichkeiten sah, die Ermittlungen weiterzuführen. Die Schuldfrage sei damit aber nicht geklärt.

Alle Inhalte anzeigen Alle Inhalte anzeigen