Politik/Ausland

Wie die Ungarn in der Ukraine zum Spielball der Politik wurden

Von Lidiia Akryshora aus Nyíregyháza

Tibor Tompa fühlt sich in zwei Kulturen gleichermaßen zu Hause. Der ukrainische Unternehmer ist in der Region Transkarpatien an der ungarischen-ukrainischen Grenze aufgewachsen, in einem ungarischen Umfeld. Er engagiert sich aktiv für die dortige Minderheit, pflegt enge Kontakte zur ungarischen Gemeinschaft im Burgenland.

2001 lebten in der Ukraine noch mehr als 150.000 ethnische Ungarn; heute wird ihre Zahl auf etwa 70.000 bis 80.000 geschätzt, die meisten davon in Transkarpatien. Sie sind zum politische Spielball von Ungarns Premier Viktor Orbán geworden: Er wirft Kyjiw Diskriminierung vor, vor allem im Zusammenhang mit dem Spracherwerb. Zum Tragen kommt das vor allem bei der EU-Annäherung der Ukraine – ein Beitritt braucht Ungarns Zustimmung.

Zwist um Sprachgesetz

2017 hat Kyjiw Minderheitenrechte in gewisser Weise eingeschränkt, speziell im Bildungsbereich. Seither dürfen Kinder nur mehr bis zur vierten Klasse voll in einer Minderheitensprache unterrichtet werden, nicht mehr die gesamte Schullaufbahn hindurch. Die ungarische Gemeinschaft empörte dies – viele wandten sich Orbán zu.

Das hat sich seit Kriegsbeginn verändert, auch wegen Orbáns Nähe zu Russland. Tibor Tompa kritisiert Ungarns Regierungschef dafür: „Orbán und seine politischen Mannschaft nutzen die ungarische Minderheit in Transkarpatien für ihre eigenen Zwecke“, sagt der Aktivist. Der habe das Ziel, „die Ungarn dort in eine Art Abhängigkeit zu bringen“.

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Vorbild Burgenland

Letztlich habe das dazu geführt, dass in Transkarpatien „einsprachige Ghettos“ entstanden seien. „Auf Orbáns Druck hin gibt es in mehr als 100 Schulen Unterricht ausschließlich auf Ungarisch. Dabei wird die ukrainische Sprache lediglich 3 bis 5 Stunden pro Woche unterrichtet. Dies behindert die Integration der jungen Generation in die ukrainische Gesellschaft.

Das Burgenland ist für ihn ein positives Gegenbeispiel: „Die Ungarn dort haben alle Möglichkeiten und Rechte, ihre Muttersprache zu lernen und zu pflegen. Diese Integration zeigt, wie man Minderheiten erfolgreich in ein Land und eine Gesellschaft einbindet“, sagt er. In der Ukraine fehle das weitgehend. „Viele Ungarn verlassen Transkarpatien darum nicht wegen des Krieges, sondern wegen Orbáns Politik. Im Burgenland spricht nahezu jeder Ungar fließend Deutsch – das wünsche ich mir auch für die Ukraine.“

Genau das verhindere Ungarns Politik aber. „Es gibt eine von Orbán finanzierte Struktur (Kulturgesellschaft der Ungarn), die sich gegen die Integration der Ungarn in die ukrainische Gesellschaft richtet“, sagt Tompa. Eltern würden dafür bezahlt, ihre Kinder auf rein ungarische Schulen zu schicken, das verstärke die Segregation. Auch die ukrainische KMKSZ-Partei – die „Partei der Ungarn“ wird faktisch von Orbán kontrolliert –, fördert das. Auch die Medien in der Region stünden unter Kontrolle Budapests, Orbán habe jene in Transkarpatien „praktisch aufgekauft“, sagt Tompa.

Hinweis: Die Reise wurde vom Projekt "eurotours" des Bundeskanzleramts finanziert.