Politik/Ausland

Warum Trumps "rascher" US-Abzug an der Realität scheitert

„Es wird schnell gehen“, antwortete US-Präsident Donald Trump am Sonntag auf die Frage, wann die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) verschwunden sei und die 2000 US-Soldaten aus Syrien abgezogen werden könnten. Beinahe zeitgleich sagte dessen Sicherheitsberater, John Bolton, dass die USA vor einem Abzug aus Syrien Garantien von der Türkei für die Kurden verlangen werden und der Abzug so geschehen solle, „dass der IS geschlagen ist und sich nicht wieder erholen und erneut eine Bedrohung werden kann“.

All das klingt nicht nach dem ursprünglich raschen Abzug, den Trump knapp vor Weihnachten angekündigt hatte, denn sowohl der Kampf gegen den IS, als auch die Verhandlungen mit der Türkei dürften mehr Zeit in Anspruch nehmen als die ursprünglich geplanten vier Monate. Am morgigen Dienstag wird Bolton in der Türkei die US-Position vertreten: „Wir denken nicht, dass die Türken Militäroperationen unternehmen sollten, die nicht voll mit den USA abgestimmt sind und denen die USA nicht zugestimmt haben“, sagte er. Nach der Ankündigung des Abzugs war es in der Nähe der syrischen Stadt Manbidsch, die von den kurdisch dominierten SDF besetzt ist, zu starken türkischen Truppenbewegungen gekommen. „Die Militanten in Nordsyrien östlich des Euphrats werden zu gegebener Zeit eliminiert werden“, hatte der türkische Verteidigungsministers Hulusi Akar damals gesagt.

Daraufhin hatten die SDF Truppen des syrischen Machthabers Bashar al-Assad gestattet, in Manbidsch und anderen Ortschaften in der Nähe zu den türkischen Truppen Stellung zu beziehen. Dieser Schritt machte einen weiteren Bedeutungsverlust für die USA im Nahen- und Mittleren Osten offensichtlich. Die SDF galten als verlässliche Verbündete Washingtons, obwohl die Kurden schon öfters von den USA zugunsten der Türkei oder anderen regionalen Machthabern fallengelassen wurden. Und nach wie vor ist es nicht sicher, für welche Partei sich die US-Regierung dieses Mal entscheidet, denn die türkische Position ist nach wie vor knallhart: Der Sprecher des türkischen Präsidenten, Ibrahim Kalin, sagte auf Boltons Bemerkungen hin, eine Terrorgruppe wie die YPG (wichtigste kurdische Gruppe in den SDF, Anm.) könne kein Alliierter der USA sein. Mit dem Kampf gegen die PKK und deren syrische Zweige verfolge die Türkei das Ziel, andere Kurden „aus der Tyrannei und Unterdrückung dieser Terrorgruppe zu befreien“.

Regionalpolitisch kommt noch ein dritter Grund ins Spiel, warum die USA länger in Syrien bleiben dürften: Der Iran. „Wir werden so lange in Syrien bleiben, wie der Iran“, hatte Bolton noch im September gesagt. Auch Trump hatte die starke iranische Präsenz in Syrien oft kritisiert. Für Brigadier Walter Feichtinger vom Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement ist der Iran nach Russland die stärkste Kraft in Syrien – noch vor der Türkei. Das verunsichert einerseits Israel – Bolton sagte dem Land gestern fortwährende Unterstützung zu – andererseits Saudi-Arabien, einen weiteren engen US-Verbündeten in der Region. Womöglich aus diesem Grund deutete Bolton auch an, dass die US-Präsenz im Süden Syrien länger erhalten werden könnte als die im Norden des Bürgerkriegslandes. Dort befinden sich einerseits Ölfelder, die nach US-Sicht nicht in die Hände des Iran fallen dürfen, andererseits führt dort eine Straße aus dem Irak nach Syrien, auf der viele schiitische Milizen ins Land kommen.

Und diese Milizen sind neben der russischen Intervention der Hauptgrund für den absehbaren Sieg Assads in Syrien. Allein aus Afghanistan sind 12.000 schiitische Söldner im Auftrag Teherans nach Syrien gekommen, die libanesische Hisbollah bildet im Irak weitere Kämpfer aus. Assad kontrolliert 62 Prozent des Staatsgebiets, doch darin befinden sich mit Städten wie Damaskus, Homs, Hama, Aleppo oder Latakia mehr als 77 Prozent der Vorkriegsbevölkerung. In den SDF-Gebieten sind es nicht einmal 17 Prozent.