Rumänien: Das Volk hat die Nase voll – und muss wählen gehen
Von Stefan Schocher
Es ist das Duell zweier jahrelanger Rivalen: Klaus Johannis gegen Viorica Dancila. Er: Präsident Rumäniens bürgerlicher Prägung und als solcher schärfster Kritiker vor allem ihrer Politik. Sie: Zwischen Jänner 2018 und November 2019 Premierministerin und damit Ex-Chefin einer Regierung, deren Maßnahmen sowohl im Land als auch auf europäischer Ebene harte Kritik hervorriefen.
Am Sonntag finden in Rumänien Präsidentenwahlen statt. 19 Millionen Menschen sind wahlberechtigt. Und Amtsinhaber Johannis geht als haushoher Favorit ins Rennen. Neben ihm bewerben sich zwölf weitere Kandidaten. Und als eine der drei aussichtsreichsten für den Einzug in eine Stichwahl gilt Dancila von der sozialistischen PSD.
An einem Sieg Johannis’ zweifelt niemand. Umfragen sagen ihm 45 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang voraus. Damit liegt er knapp 30 Prozentpunkte vor seinen stärksten Mitbewerbern. Das echte Rennen, so Beobachter, finde daher auch viel eher um Platz zwei statt. Es sind Dancila, der populistische Schauspieler und Ex-Europa-Abgeordnete Mircea Diaconu sowie der rechtsliberale Dan Barna, die um den Einzug rittern. Sie waren es, die wahlkämpften – während sich Johannis aus dem Buhlen um die Wählergunst heraushielt.
Polit-Gemetzel
In der Öffentlichkeit stand er aber dennoch zur Genüge, vor allem dank inner-rumänischer Polit-Gemetzel. Da war etwa der jahrelange Streit mit der sozialdemokratisch geführten Regierung mit wechselnden Personalien an der Spitze – zuletzt Dancila.
Die Regierung stritt sich auch mit den EU-Stellen, vor allem um Reformen im Justizbereich, in dem Johannis eine klar pro-europäische Haltung einnahm. Und zuletzt folgte der Sturz Dancilas als Regierungschefin, den die Johannis nahestehende PNL betrieben hatte.
Die Grabenkämpfe der vergangenen Jahre haben jedenfalls haben ihre Spuren hinterlassen. Die rumänische Öffentlichkeit scheint von Politik die Nase voll zu haben. Oder eher von der politischen Elite des Landes. Von einem „sehr untypischen Wahlkampf“ spricht der Politologe Alex Coita. Einem, in dem der Sieger bereits feststehe. Zugleich wirke er aber auch wie die Ruhe vor dem Sturm.
Denn der wirklich interessante Part, so der Politologe, der stehe nach den Wahlen an: mit Sozialisten unter Dancila am Rande des Zerfalls, mit Lokalwahlen im kommenden Mai und mit einer Parlamentswahl, die spätestens im Herbst 2020 anstünde, aber vorgezogen werden könnte.
Coita glaubt, dass eine grundlegende Umschichtung des politischen Systems bevorsteht, mit neuen Parteien, neuen Akteuren und eventuell neuen Positionen von progressiv links bis nationalistisch. Denn die Verdrossenheit der vergangenen Jahre hat vor allem auch eines mit sich gebracht: Das Land ist zutiefst gespalten.
Massendemonstrationen
Wie sich bei den Massenkundgebungen gegen die PSD-Regierung gezeigt hat, fühlt sich ein beträchtlicher Teil der Gesellschaft von keiner politischen Gruppe vertreten. Stein des Anstoßes der Proteste war vor allem die zunehmend autoritäre Politik der PSD-Regierung. Die Krise gipfelte in einem Misstrauensantrag der PNL gegen Dancila und im Sturz der Regierung. Statt Dancila wurde zu Beginn dieser Woche PNL-Chef Ludovic Orban als interimistischer Regierungschef bestätigt, ein konservativ-liberales Urgestein.
Dem bürgerlichen Johannis verschafft der Sturz Dancilas dennoch Rückenwind. Laut Coita ist klar: „Erdrutschsieg für Johannis in der zweiten Runde.“