Politik/Ausland

Kamala Harris distanziert sich von Joe Biden: "Ich bin die Zukunft"

Dass Donald Trump mental instabil ist. Dass seine früheren Minister von Verteidigung bis Justiz vehement davor warnen, ihn jemals wieder an die Macht kommen zu lassen. Dass er keinen Plan für die Zukunft der Vereinigten Staaten hat. Das  alles sind Sätze, die Fox News-Zuschauer auf ihrem Kanal noch nie zu hören bekommen haben. Bis Dienstagabend. 

Da ging die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris das Wagnis ein und stellte sich dem verlängerten Medien-Arm der Trump-Wahlkampagne zum ersten Mal im Interview. 

Thema illegale Migration

Vorab: Der Erkenntnisgewinn in der Sache, dazu war das Gespräch zu kurz und thematisch unausgewogen, hielt sich in Grenzen. Eins aber wurde sehr klar. Eine ehemalige Generalstaatsanwältin, die Amerikas erste Präsidentin werden will in drei Wochen, in die Falle der Selbstbeschädigung zu locken, das sollte auch dem quotenstarken Haussender der Rechten nicht gelingen.

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Auch wenn sich Moderator Brett Baier, im Vergleich zu den spätabends das Zepter schwingenden Meinungs-Propagandisten von Sean Hannity bis Jesse Waters ein Ausbund an Fairness, erdenkliche Mühe gab.

Durch häufiges Unterbrechen und Nichtausredenlassen, wie es einem Donald Trump bei Fox News niemals zuteil würde, wollte der Fragensteller die 59-Jährige vor allem beim heißen Eisen „illegale Einwanderung” aus der Balance bringen. 

"Tragische Verluste"

Harris beklagte sich mehrfach über die Störungen im Redefluss, blieb aber in der Sache bei bekannten Kern-Aussagen: Hätte Donald Trump ein parteiübergreifend zusammengestelltes Gesetz Anfang des Jahres nicht torpediert, gäbe es heute mehr Grenzschützer und weniger tödliches Fentanyl, das via Mexiko den Weg in die Staaten findet. 

Harris gab unumwunden zu, dass das Einwanderungssystem schon vor Trump (ab 2017) kaputt gewesen sei. Frustration auf Seiten derer, die für die Sicherheit an der Grenze zuständig sind, könne sie darum genau so verstehen wie die Tränen der Angehörigen von Frauen, die brutalen Asylsuchenden zum Opfer gefallen sind. „Das sind zweifelsohne tragische Fälle, die Verluste hätte nie passieren dürfen.” Um einem Vorurteil zu begegnen, bekräftigte Harris: „Ich glaube nicht an die Entkriminalisierung von Grenzübertritten. Ich habe das als Vizepräsidentin nicht getan. Ich werde das als Präsidentin nicht tun.” 

"Vertreterin einer neuen Führungs-Generation"

Später wurde Harris zu ihrer Position bei der Verwendung von Steuergeldern für geschlechtsangleichende Operationen für Transgender-Insassen in Justizvollzugsanstalten gefragt - ein Detail, dass die Trump-Kampagne regelmäßig skandalisiert. Harris konterte mit dem Hinweis, sie werde sich an das Gesetz halten. Hintergrund: Bereits unter Trump bot das „Bureau of Prisons” geschlechtsangleichende Behandlungen an, die vom Staat bezahlt werden. Harris warf Trump vor, „Steine zu werfen”, obwohl er im Glashaus sitze. 

Nachdem Harris zuletzt konstant den Schulterschluss mit Amtsinhaber Biden übte, zeigt sie zum ersten Mal leichten Distanzierungswillen: „Meine Präsidentschaft wird keine Fortsetzung der Präsidentschaft von Joe Biden sein.“ Sie bringe ihre eigenen Lebenserfahrung ein und sei Vertreterin einer neuen Führungs-Generation. Außerdem wolle sie Republikaner und deren Ideen einladen. Fragen nach Bidens mentalem Verfall und ihrem Wissen darum, ging Harris aus dem Weg: „Joe Biden steht nicht auf dem Wahlzettel, Donald Trump schon.“

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Einen der stärksten Momente hatte eine Gestik und Mimik nach zu urteilen aufrichtig wütende Harris, als Brett Baier sie danach fragte, warum rund 50 Prozent der Wähler auf Trumps Seite seien und 80 % das Land auf einem falschen Kurs wähnten. 

"Feind im Inneren"

Harris konterte mit dem Argument, dass Trump vom „Feind im Inneren” rede und sogar den Einsatz des Militärs gegen die eigenen Bürger befürworte. „In einer Demokratie sollte der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika gewillt sein, Kritik zu handhaben, ohne dabei anzukündigen, Leute einsperren zu lassen, die ihn kritisieren.”

Als Fox News ankündigte, dazu eine Interview-Szene Trumps einzuspielen (in der die militante Ankündigung gegen das eigene Volk aber nicht vorkam), grätschte die frühere Chef-Anklägerin Kaliforniens dazwischen und warf dem Sender indirekt vor, dieses Detail bewusst unterdrückt zu haben.

Nach dem knapp 30-minütigen Schlagabtausch debattierten Analysten im Fernsehen darüber, ob Harris konservative oder parteiunabhängige Wähler, die Trump wegen seiner aggressiven Rhetorik ablehnen, mit diesem Auftritt für sich einnehmen konnte. Tenor: Eher nicht. Dass sie den Schritt zu Fox News aber überhaupt wagte, sei Ausdruck ihres Selbstvertrauens.