Politik/Ausland

Israelische Luftangriffe auf Hisbollah-Chef: Zustand unklar

Israels Premier Benjamin Netanjahu hat schon bei vergangenen Reden vor der UNO-Vollversammlung mit dramatischen Worten und vor allem Bildern für Schlagzeilen gesorgt. 2012 hatte er ein Atombomben-Diagramm mit, um das iranische Nuklearprogramm darzustellen. 2009, als er Holocaust-Leugner verurteilte, zeigte er eine Kopie der Auschwitz-Baupläne.

Auch diesmal hat er wieder Bilder nach New York mitgenommen - zwei Karten. Auf einer, die er schon im vergangenen Jahr hergezeigt hatte, waren Israel und „seine arabischen Partner“ in Grün eingezeichnet - und eine „Landbrücke, die Asien und Europa miteinander verbinden soll“ (siehe Bild oben), entlang der Zugschienen, Energie-Pipelines und Glasfaserkabel gelegt werden sollen. In großen Buchstaben stand darüber: „Der Segen“.

Dann holte er eine weitere Karte hervor, auf der Israels Gegner in Schwarz markiert waren. Der Titel: „Der Fluch“. Diese zwei Visionen gebe es für die Zukunft, Israel habe sich bereits entschieden, für welche es sich einsetze - und forderte die UN auf, das Gleiche zu tun.

Scharfe Kritik am Iran

Wie erwartet kritisierte Netanjahu - der zu Beginn ankündigte, er sei gekommen, um „die Dinge richtigzustellen“ - vor allem seinen Erzfeind Iran scharf. Der Iran sei der Ursprung des „Fluches“, die Weltgemeinschaft dürfe der Islamischen Republik gegenüber keine weiteren Zugeständnisse machen. Netanjahu war der UN-Versammlung vor, den Iran beschwichtigen zu wollen und die Augen zu verschließen - sowohl vor der Unterdrückung der Menschen im Inneren als auch vor der externen Aggression der Machthaber in Teheran. „Diese Beschwichtigung muss jetzt ein Ende haben“, rief der Premier.

Er drohte dem Land im Falle eines Angriffs mit einem Gegenschlag: „Wenn ihr uns angreift, werden wir euch angreifen.“ Es gebe keinen Ort im Iran, den „der lange Arm Israels“ nicht erreichen könne. Das gelte für den gesamten Nahen Osten. Der Iran hatte für den Tod von Hamas-Führer Ismail Haniyeh Vergeltung angekündigt. Ende Juli war Haniyeh in einem vermeintlich sicheren Ort von einer offensichtlich zuvor platzierten Bombe getötet worden. Eine Katastrophe für alle Sicherheitsapparate des Iran.

Netanjahu wurde von Angehörigen einiger von der Hamas verschleppten Geiseln begleitet. Er schilderte die Schicksale der Menschen, die am 7. Oktober von der Terrororganisation verschleppt worden waren - und seit fast einem Jahr in den Händen der Hamas sind. Mehr als die Hälfte der Mitglieder der Hamas habe Israel seither getötet oder gefangen genommen. Vor dem Terrorangriff habe die Islamistenorganisation knapp 40.000 Mitglieder und mehr als 15.000 Raketen gehabt. 

Israels Armee habe mehr als 90 Prozent des Raketenarsenals und wichtige Teile ihres Tunnelnetzwerks zerstört. „Die Hamas hat über ein unterirdisches Tunnelsystem von mehr als 560 Kilometern verfügt. Es war größer als das U-Bahnnetzwerk in New York“, sagte Netanjahu. 

„Sieben-Fronten-Krieg“Israel konzentriere sich weiterhin darauf, die im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln nach Hause zu bringen. „Wir werden nicht aufhören, bis diese Mission erfüllt ist“, bekräftigte er. Israel führe einen Sieben-Fronten-Krieg und lege derzeit seinen Fokus auf die Hisbollah, „die uns seit dem 8. Oktober unprovoziert angreift“. Er lasse es nicht zu, dass Zehntausende Israelis Flüchtlinge im eigenen Land würden, sagte der israelische Premier. 

Kurz nach der Rede berichteten Staatsmedien, dass israelische Luftangriffe erneut den Süden Beiruts trafen. Israels Armee hat nach eigenen Angaben in einem Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut das Hauptquartier der schiitischen Hisbollah-Miliz angegriffen. Es habe sich unter einem Wohngebäude befunden, teilte der israelische Militärsprecher Daniel Hagari mit. Über Beirut waren dichte Rauchwolken zu sehen, Schockwellen waren in der Stadt zu spüren. Laut einem Medienbericht ist Hisbollah-Chef Sayyed Hassan Nasrallah Ziel des jüngsten israelischen Angriffs in Beirut gewesen. 

Ungewissheit über Hisbollah-Chef

Danach herrschte Ungewissheit über den Gesundheitszustand Nasrallahs. Aus libanesischen Sicherheitskreisen hieß es: "Niemand kann genau sagen, wie es Nasrallah geht." Die iranische Nachrichtenagentur Tasnim wiederum berichtete unter Berufung auf "informierte Quellen", dass Nasrallah wohlauf sei. Über den tatsächlichen Zustand könne aber nur die Miliz selbst informieren. Die proiranische Hisbollah-Miliz selbst äußerte sich auf Nachfrage zunächst nicht dazu. Der Luftangriff des israelischen Militärs galt dem Hauptquartier der schiitischen Miliz, das unter Wohngebäuden versteckt gewesen sein soll. Unbestätigten Medienberichten zufolge soll Nasrallah selbst Ziel des Angriffs gewesen sein. Nach der Attacke meldete das libanesische Gesundheitsministerium zwei Tote und 76 Verletzte, wie das libanesische Gesundheitsministerium mitteilte.

Ein israelischer Regierungsvertreter sagte, dass "führende Hisbollah-Kommandanten" das Ziel des Angriffs gewesen seien. Es sei noch zu früh zusagen, ob Nasrallah bei dem Schlag getroffen worden sei. Der Angriff könnte aber einen Kipppunkt in dem Konflikt darstellen. Einige Personen seien nämlich nicht zu ersetzen, und Nasrallah zähle dazu.