Ungarn und die Balkanstaaten im Clinch
Von Alexandra Koller
Die neusten Bilder vom Bahnhof in der ostkroatischen Grenzstadt Tovarnik zeigen Szenen, wie nach einem Wirbelsturm: Wo zuvor tagelang Tausende Flüchtlinge auf die Weiterreise warteten, räumen am Montag nur mehr Putzeinheiten weg, was nach der chaotischen Übersiedlung am Sonntagnachmittag übrig geblieben war. Die aus Serbien angekommenen Flüchtlinge wurden in den rund 15 Kilometer entfernten Ort Opatovac gebracht, wo ein Transitlager mit Zelten für rund 4000 Menschen aufgestellt wurde. Verbleiben sollen sie dort jedoch höchstens 48 Stunden.
Konzentrationslager
Danach werden sie in Richtung Ungarn weitertransportiert. Zumindest die meisten. Beobachter in Slowenien vermuten bereits, dass es ein stilles Übereinkommen der Balkanstaaten gibt, den Flüchtlingsstrom durch die Umleitung über Ungarn zu verlangsamen. Aber auch der Korridor, von dem slowenische Stellen in der Vorwoche gesprochen hatten, existiere. Inoffiziell freilich. Nach der Registrierung jedenfalls würden Asylsuchende sehr zielgenau wieder losziehen – in Richtung Steiermark.
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Und über Ungarn? Im österreich-ungarischen Grenzbahnhof Hegyeshalom angekommen, werden die Flüchtlinge von ungarischen Polizisten an die österreichische Grenze eskortiert.
Ungarn scheint es sich mittlerweile in seiner Abwicklung der Flüchtlingskrise mit nahezu allen Nachbarn verscherzt zu haben. Die Rhetorik ist giftig. Der ungarische Regierungssprecher Zoltan Kovács und Außenminister Péter Szijjártó warfen dem EU-Nachbarn Kroatien etwa staatlich organisierte Schlepperei, Verstoß gegen völkerrechtliche Vereinbarungen und bösartige Aktionen vor, so die ungarische Zeitung Pester Lloyd. Kroatien flute Ungarn mit Flüchtlingen und setze dabei illegale Methoden ein, die Ungarns Souveränität untergraben würden, wird Kovács zitiert.
Kroatien will im Gegenzug nicht einsehen, warum es die Last tragen solle, die durch den ungarischen Grenzzaun entstehe. In Kooperation mit Serbien sollen die Probleme gelöst worden sein. Am Sonntag wurde der ungarisch-serbischen Grenzübergang in Röszke wieder eröffnet.
Der serbische Außenminister Ivica Dacic warf den EU-Staaten indes fehlende politische Konzepte vor und kritisierte die Schließung von Grenzen scharf. "Statt eines Europas ohne Grenzen haben wir ein Europa mit bewaffneten Mauern", sagte er am Montag zu Beginn der Menschenrechtskonferenz der OSZE in Warschau. "Serbien kann keine Situation zulassen, in der es eine Art Konzentrationslager wird", sagte Dacic. Die Schließung der Grenzen nach Ungarn oder Kroatien hätte für die serbische Wirtschaft katastrophale Folgen.
Mit Kroatien trägt Serbien einen harten Clinch aus – der mediales Echo hat. Während Serbien "auf zivilisierte Weise" mit den Tausenden Flüchtlingen umgehe, sei Kroatien "ein neonazistisches Provisorium, das nur zu Hass und Konflikten fähig ist", kommentierte die serbische Boulevardzeitung Informer in Belgrad. Das klingt wie die Rhetorik aus den Kriegen der 1990er-Jahre.
Korruption
Zugleich wird der Streit zwischen Rumänien und Ungarn um den von Ungarn angekündigten Bau eines 70 Kilometer langen Zaunes an der gemeinsamen Grenze rauer. Anlass sind die jüngsten Aussagen des rumänischen Außenministers, der den Zaun als "eher autistische und inakzeptable Geste" kritisierte. Ungarns Außenminister Peter Szijjártó reagierte mit dem Hinweis, dass er sich "mehr Bescheidenheit von einem Außenminister erwartet hätte, dessen Ministerpräsident mit einem Korruptionsprozess konfrontiert ist".