Politik/Ausland

Ukrainische Flüchtlinge: Was an den Nachbarsgrenzen los ist

Mehrere europäische Länder haben am Donnerstag ihre Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen, aber auch von Verletzten aus der Ukraine gezeigt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht Europa für eine mögliche Fluchtbewegung aus der Ukraine gerüstet. "Wir hoffen, dass es so wenig Flüchtlinge wie möglich geben wird, aber wir sind voll und ganz auf sie vorbereitet und sie sind willkommen", sagte die deutsche Politikerin am Donnerstag in Brüssel.

Es gebe für die EU-Staaten an den Außengrenzen Notfallpläne, um Flüchtlinge aufzunehmen und unterzubringen. Auch sogenannten Binnenflüchtlingen innerhalb der Ukraine werde geholfen, so von der Leyen. Zudem solle die Finanzhilfe für das Land ausgeweitet werden.

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser sicherte den osteuropäischen Partnerstaaten Hilfe zu. Am Vormittag trafen unterdessen in Rumänien, in Ungarn, in der Republik Moldau und offenbar auch an der slowakischen Grenze die ersten Kriegsflüchtlinge ein. Der UNHCR zeigte sich "tief besorgt".

Rumänien: "Noch kein massiver Flüchtlingsstrom"

Der nordrumänische Grenzübergangspunkt Sighetu Marmatiei meldete die Einreise Dutzender Personen aus der Ukraine, bei denen es sich teils um ukrainische Bürger, teils um Staatsangehörige anderer Länder handelte. Erste Bilder der rumänischen Nachrichtensender zeigten, dass die meisten Flüchtlinge mit dem Auto anreisen, etliche jedoch auch zu Fuß am Grenzübergangspunkt Sighetu Marmatiei eintreffen.

Der rumänische Innenminister Lucian Bode teilte mit, dass es sich vorerst noch um keinen massiven Flüchtlingsstrom handelt und sämtliche nordrumänischen Kommunalbehörden auf die Aufnahme von Flüchtlingen vorbereitet sind. Bode hatte erst in den vergangenen Tagen bekannt gegeben, dass Rumänien im Notfall bis zu 500.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen kann.

Staatspräsident Klaus Johannis (Iohannis) sagte am Donnerstag laut der Nachrichtenagentur Reuters, Rumänien sei bereit, die humanitären und wirtschaftlichen Konsequenzen einer langfristigen Krise zu tragen. Auch die Republik Moldau meldete Donnerstagmittag, dass bereits mehr als 2.000 Flüchtlinge aus der benachbarten Ukraine im Land eingetroffen sind.

Ungarn: Junge Männer fliehen vor Einberufung

Unterdessen sind auch an den ukrainisch-ungarischen Grenzübergängen die ersten Flüchtlinge eingetroffen. Es herrscht ein großer Andrang von Bürgern aus der Ukraine, berichtete das Onlineportal "Telex.hu" am Donnerstag. Dabei soll es sich zumeist um Angehörige der ungarischen Minderheit aus dem Karpatenbecken handeln. Unter den Flüchtlingen seien viele junge Männer, die vor einem Einberufungsbefehl flüchten würden. Laut der ungarischen Nachrichtenagentur MTI handle es sich jedoch um den "üblichen Grenzverkehr". Der ungarische Verteidigungsminister Tibor Benkö hatte am Mittwoch erklärt, Ungarn müsse sich auf die Aufnahme von mehreren Zehntausend Flüchtlingen einrichten.

Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR zeigte sich wegen der Lage in der Ukraine tief besorgt. "Die humanitären Folgen für die Zivilbewohner werden verheerend sein", teilte UNHCR-Chef, Filippo Grandi, am Donnerstag in Genf mit, ohne den Einmarsch Russlands zu erwähnen. "Das UNHCR arbeitet mit den Behörden, den Vereinten Nationen und anderen Partnern in der Ukraine zusammen und ist bereit, humanitäre Hilfe zu leisten, wo immer dies notwendig und möglich ist." Das UNHCR rief Nachbarländer auf, die Grenzen für Menschen, die Sicherheit und Schutz suchen, offen zu halten. Das UNHCR stehe in der Ukraine und Nachbarländern bereit zu helfen.

Faeser sicherte Polen und anderen osteuropäischen Partnern Hilfe bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine zu. "Wir verfolgen sehr aufmerksam, ob es Fluchtbewegungen in unsere Nachbarländer geben wird", erklärte die SPD-Politikerin. "Wir werden die betroffenen Staaten - vor allem unser Nachbarland Polen - massiv unterstützen, sollte es zu großen Fluchtbewegungen kommen." Zudem hätten die Sicherheitsbehörden "die Schutzmaßnahmen zur Abwehr etwaiger Cyberattacken hochgefahren und relevante Stellen sensibilisiert".

Slowakei schickt Soldaten an die Grenze - um bei der Aufnahme zu helfen

Die Slowakei schickte einem Medienbericht zufolge Soldaten an ihre Grenze zur Ukraine. Sie sollten bei der Aufnahme von Flüchtlingen helfen, berichtet die Nachrichten-Website dennikN. Außerdem sei die Slowakei auf einen deutlichen Anstieg von Einreisen vorbereitet. Verteidigungsminister Jaroslav Nad betonte am Donnerstag vor Journalisten in Bratislava, man erwarte jedoch keine unmittelbare militärische Bedrohung der Slowakei selbst.

Die Verstärkung der Armeepräsenz an der ukrainischen Grenze, die zugleich EU- und NATO-Außengrenze ist, diene nur der Unterstützung der Polizei. "Wir haben 1.500 Angehörige der Streitkräfte für die Kontrolle unserer Ostgrenze bereitgestellt", sagte der Minister. Gemeinsam mit Außenminister Ivan Korcok bestätigte Nad aber auch Pläne einer baldigen Entsendung von Soldaten anderer NATO-Länder in die Slowakei. Darüber berate man noch mit den Verbündeten.

In Internetforen kursierten am Donnerstag Videos, die einen bereits begonnenen Andrang von Flüchtlingen aus der Ukraine auf die slowakische Grenze belegen sollten. Die slowakische Grenzpolizei und das Innenministerium in Bratislava erklärten hingegen, die Situation an den Grenzübergängen sei bisher ruhig.

Der Vizepräsident der EU-Kommission, Margaritis Schinas, hatte in der Vorwoche gesagt, er rechne bei einer weiteren Verschärfung der Krise mit der Flucht zahlreicher Menschen in die Europäische Union. "Es wird geschätzt, dass zwischen 20.000 und mehr als einer Million Flüchtlinge kommen könnten", sagte er der deutschen Zeitung "Die Welt".

Die Stadt Berlin muss sich nach Einschätzung der Regierenden Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) ebenfalls auf Flüchtlinge aus der Ukraine einstellen. "Auch in Berlin müssen wir uns auf die Folgen einstellen. Menschen werden vor den kriegerischen Auseinandersetzungen fliehen und auch in Berlin ankommen", sagte Giffey.

Unterdessen bereiteten sich die Nachbarstaaten der Ukraine auch auf die Aufnahme von Verletzten vor. So trafen Krankenhäuser in Polen Vorbereitungen zur Aufnahme von Verletzten. Es würden Betten bereitgestellt, teilte das Gesundheitsministerium in Warschau mit. Der polnische Innenminister Mariusz Blaszczak sagte, Polen bereite sich bereit seit Wochen auf die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine vor.

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