Politik/Ausland

Hält die Feuerpause, verzichtet EU auf Sanktionen

Die entscheidende Sitzung der EU-Botschafter zur Verschärfung der Sanktionen gegenüber Russland hatte Freitagnachmittag gerade erst begonnen, als die Meldung vom vereinbarten Waffenstillstand zwischen der Ukraine und den pro-russischen Rebellen eintraf.

Den Plan, die Maßnahmen gegenüber Moskau zu verschärfen, beeinflusste das zunächst aber nur minimal: Die Botschafter arbeiteten stundenlang an einem neuen Sanktionenpaket, das Anfang kommender Woche offiziell von den Mitgliedsstaaten beschlossen werden soll.

Sollte die Waffenruhe Bestand haben und Russland an der Umsetzung des Friedensplans mitarbeiten, könnten die verschärften Maßnahmen jedoch kurzfristig wieder gelockert werden.

„Die Sanktionen werden weiter umgesetzt werden. Und sie werden erst aufgehoben werden, wenn es Beweise für den Waffenstillstand und die politische Lösung gibt“, sagte der französische Präsident Francois Hollande am Freitag beim NATO-Gipfel in Wales. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte ebendort, ein Beschluss alleine reiche für einen „echten“ Waffenstillstand nicht aus.

Schärfere Kreditsperre

Das Maßnahmenpaket, das in den vergangenen Tagen in Brüssel diskutiert wurde, ist umfassend: Im Gespräch waren Verschärfungen der bisherigen Sanktionen in allen Bereichen (siehe auch Grafik rechts). Die Kommission hat vorgeschlagen, rund zwanzig weitere Personen mit Einreise- und Kontensperren zu belegen. Wie in Brüsseler Kreisen zu hören war, könnte auch der russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu auf die Liste mit den rund hundert Russen und Ukrainern gesetzt werden, deren Vermögen in der Europäischen Union eingefroren wurden und die nicht mehr einreisen dürfen.

Auch zusätzliche russische Unternehmen könnten auf die „schwarze Liste“ der EU kommen.

Finanz und Öl im Visier

Russischen Banken soll der Zugang zu den europäischen Kapitalmärkten weiter erschwert werden: Anleihen sollen nur noch mit einer Laufzeit von bis zu 30 statt bisher 90 Tagen ausgegeben werden dürfen. EU-Firmen sollen bei russischen Staatsbanken keine Kredite mehr aufnehmen dürfen.

Auch die Maßnahmen im Energie-Bereich sollen verschärft werden: Technologie zur Förderung von Öl soll nicht mehr nach Russland exportiert werden dürfen und bereits geliefert Technik nicht mehr von europäischen Firmen gewartet werden.

Die USA bereiteten ebenfalls neue Sanktionen gegen Russland vor, die zeitgleich mit jenen der Europäischen Union wirksam werden sollen.

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Die Landwirtschaft in der Europäischen Union leidet doppelt unter dem russischen Importstopp: Zum einen fällt ein, wie Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter sagt, "interessanter" Absatzmarkt weg. Zum anderen wird befürchtet, dass die Preise im Binnenmarkt unter Druck geraten, weil durch die nicht exportierten Waren ein Überschuss entsteht.

Österreichs Agrariern dürfte laut einer Studie des WIFO, die Rupprechter am Freitag am Rande eines Sonder-Agrarrates in Brüssel vorlegte, allein von August bis Dezember ein Schaden von 40 bis 50 Millionen Euro durch weggefallene Exporte entstehen. Zuletzt hatte Österreich jährlich Nahrungsmittelprodukte im Wert von 240 Millionen Euro nach Russland exportiert – knapp drei Prozent der Gesamt-Exporte.

"Ich rechne damit, dass der russische Markt wegbrechen wird", sagt Rupprechter. Er gehe aber davon aus, "dass wir das mit einer gezielten Exportoffensive in den nächsten beiden Jahren wettmachen können." Als neue Absatzmärkte seien unter anderem China, Korea, der Nahe Osten und Nordafrika im Visier.

Um die Folgen der russischen Sanktionen zu mildern, wird in Brüssel nun in die Geldtöpfe gegriffen: 60 Millionen Euro will die EU-Kommission für die Eroberungen neuer Märkte zur Verfügung stellen; Österreichs Anteil beträgt 1,2 Millionen.

Darüber hinaus könnte – etwa für Direktzahlungen an Bauern – die Krisenreserve aus dem EU-Haushalt genutzt werden: Jährlich sind hier 400 Millionen Euro eingeplant, im Bedarfsfall kann Geld aus den kommenden Jahren vorgezogen werden.