Treffen mit Putin: Schwierige Moskau-Mission für Merkel
Ihr letzter Besuch in Moskau ist schon eine Weile her. Und ja, es gibt einfachere Gesprächspartner, aber in Zeiten, wo die Welt scheinbar aus den Fugen gerät, ist Wladimir Putin noch ein berechenbares Gegenüber für die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
Kaum ein anderer westlicher Politiker kennt den Kremlchef so lange wie sie. Putin spricht gut Deutsch, Merkel etwas Russisch. Beide lebten in jungen Jahren im Land des anderen und sollen sich auch schon mal ohne Übersetzer unterhalten.
Ungleiches Paar
Abgesehen davon sind sie ein ungleiches Paar: Merkel, eine Politikerin, die gerne auf Sicht fährt, und Putin, der auf Inszenierung setzt: Wenn es um seine Person geht, sein Land, das er gerne als starkes und als Investorenparadies darstellt (obwohl die Wirtschaftssanktionen dem Land zusetzen) oder bei Staatsbesuchen. Legendär die Bilder, wie er seinen schwarzen Hund um die beine der Kanzlerin kreisen lässt, wohlwissend, dass sie die Tiere fürchtet.
Dann wieder einmal gibt er den Galant, begrüßt sie mit Blumen in Sotschi, seinem Sommerspot am Schwarzen Meer. Da standen die Zeichen wieder mal gut: Der Kremlchef bemühte sich um guten Kontakt, in den Jahren zuvor sprach man miteinander bei Gipfeltreffen, dort war die Stimmung meist unterkühlt, wenn es etwa um die Ostukraine oder die Sanktionen gegen Russland ging.
Zuletzt belastete der Mord an einem Georgier die diplomatischen Beziehungen. Der mutmaßliche Täter, ein Russe, sitzt in Untersuchungshaft und schweigt. Die Bundesanwaltschaft verdächtigt staatliche Stellen in Russland oder der Teilrepublik Tschetschenien, den Mord in Auftrag gegeben zu haben.Damit konfrontiert, sprach Putin in seiner ersten Reaktion von einem "Mörder" und "Banditen", der für Separatisten im Kaukasus gekämpft haben soll. Und warf der deutschen Bundesregierung vor, den Mann nicht ausgeliefert zu haben - diese bestreitet das. Beide Länder wiesen jeweils zwei Botschaftsmitarbeiter aus.
Gas und Geopolitik
Es ist offen, ob die Kanzlerin das Thema bei ihrem heutigen Arbeitstreffen ansprechen wird. Denn es gibt neben der Krise zwischen den USA und dem Iran, einem Verbündeten Russlands, auch gemeinsame Probleme. US-Präsident Donald Trump will ein deutsch-russisches Projekt stoppen: Nord Stream 2.
Die Pipeline, an der Putin mit Freund und Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) gebastelt hat, soll Gas aus Sibirien nach Westeuropa pumpen. Auch wenn er es so nicht sagt, will Trump eigentlich seine Ware an die Europäer verkaufen: Erdgas aus den USA. "Es geht nun um die Frage, wie man mit den US-Sanktionen umgeht, die den Bau und die Rentabilität der Pipeline beeinflussen können", sagt András Rácz, Russlandexperte bei der bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).Abgesehen davon erwartet er sich auch Gespräche zur Lage in der Ukraine. Unter Vermittlung von Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat man zusammen mit Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj einen neuen Anlauf für Frieden genommen. Den Austausch von Gefangenen und Fortschritt bei der Waffenruhe, bewertet der Experte als Zeichen der Annäherung.
Putins Rolle im Nahen Osten
Große Fragezeichen gibt es bei der aktuellen und unübersichtlichen Situation im Nahen Osten, wo Präsident Putin eine große Rolle spielt. Die Zeiten, in denen sich die USA dort immer mehr Einfluss und Macht sicherten, sind vorbei. "Ihre Abwesenheit und die Nichtsichtbarkeit der Europäer hinterließ Leerstellen, die Russland besetzte und strategisch nützt", erklärt Experte Rácz.
Seit 2015 unterstützt Putin etwa Präsident Baschar al-Assad, versucht ihn an der Macht zu halten, weil er das Land für strategische Interessen nützt. Man liefert dem Regime Waffen und nützt deren Häfen. Erst kürzlich beschloss Moskau, den syrischen Mittelmeerhafen Tartus für ein halbes Jahrhundert zu mieten. Die Vertragslaufzeit sei 49 Jahre, und die Firma werde 500 Millionen Dollar in die Anlage investieren. "Was man nun gar nicht brauchen kann: Einen weiteren Stellvertreterkrieg, ausgelöst durch den Konflikt zwischen den USA und Iran. Daher verwundert es nicht, dass Moskau nach dem Tod des iranischen Generals Kassem Soleimani umgehend seine Diplomaten aussandte, berichtet Rácz.
Besonders bizarr: In Syrien unterstützt Russland nicht nur die Streitkräfte des Regimes, sondern bekämpft gleichzeitig Freund und Feind - nämlich die Türkei. Allerdings gelingt es ihnen immer wieder Absprachen zu treffen, immerhin verbindet sie auch Geschäftliches: So verkaufte Moskau Abwehrrakten vom Typ S-400 nach Ankara.
Strategische Bedeutung von Libyen
Zuletzt weihten Putin und Recep Tayyip Erdogan gemeinsam eine fast tausend Kilometer lange Erdgaspipeline ein. Bei dem vielbeachteten Treffen riefen beide gleichzeitig zur Waffenruhe in Libyen auf - denn auch im Bürgerkrieg unterstützen sie zwei unterschiedliche Konfliktparteien. Russland steht auf der Seite des "Warlords" General Chalifa Haftar; die Türkei hingegen an der anerkannten Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch.
Laut András Rácz wird sich dort Wesentliches für Europa entscheiden: "Durch Libyen führt eine der wichtigsten Migrationsrouten in die EU. Wer auch immer dort das Land kontrolliert, hat darauf Einfluss und kann sie auf- oder abdrehen." Das weiß auch die deutsche Kanzlerin Merkel. Deutschland will sogar eine Konferenz ausrichten, um nach politischen Lösungen zu suchen - auf Putin wird man vermutlich nicht verzichten.