Politik/Ausland

Trotz Erdogan-Eklats: Özil und Gündogan dürfen zur Fußball-WM

Wenn sich Fußballprofis politisch äußern, dann meist gegen Rassismus und Ressentiments. Denn der Sport verbindet alle Menschen, egal welcher Herkunft, Hautfarbe, Religion oder Geschlecht, so ähnlich lautet der Slogan des Weltfußballverbandes Fifa. Umso mehr überraschten nun Fotos der deutschen Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan, die sie mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zeigen. Ein Mann, der sukzessive seine Macht ausbaut und dem vorgeworfen wird, Oppositionelle und Journalisten systematisch zu verfolgen und zu verhaften. Mit dem Treffen im Londoner Luxushotel "Four Seasons" gelang ihm nun ein PR-Schachzug: Denn ein Bild mit Özil (Inhaber des Integrations-Bambis) und Gündogan, der sein Trikot  mit der Widmung "Mit großem Respekt für meinen Präsidenten“ an Erdogan übergibt, ist für ihn in Deutschland beste Werbung.

Noch vor einem Jahr musste er sich dort, wo etwa 1,5 Millionen wahlberechtigte Türken leben (mehr als in jedem anderen Land), mit einem Auftrittsverbot herumschlagen. Auch für die vorgezogenen Präsidentschaftswahl am 24. Juni darf er in Deutschland keinen Wahlkampf führen. Dafür verlagert er ihn in die sozialen Medien, wo nun auch die Fotos mit den deutschen Fußballprofis schnell die Runde machten, verbreitet unter anderem von Erdogans AKP.

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Nicht zum ersten Mal instrumentalisiert der Präsident Sportler für seine Zwecke. Zudem fördert er den türkischen Erstligisten Istanbul Basaksehir FK, aktuell Tabellendritter in der Liga. Der türkische Präsident nutzt den Volkssport Fußball als Vehikel für seine politische Agenda, tritt im Stadion regelmäßig auf. "Erdogan mag Fußball sehr und er weiß: die Verbindung zum Fußball bringt in der Türkei Wähler“, erklärte der türkische Fußballexperte Baris Tut im Tagesspiegel. Diese Strategie verfolgt er auch, wenn er sich mit den deutschen Profis Özil und Gündogan zeigt, die unter Deutsch-Türken viele Fans haben. Kritik hat er dabei wohl einkalkuliert – sie wird seine Anhänger erst recht mobilisieren.

Beide Spieler in DFB-Kader

Für den PR-Auftritt gab es von DFB-Präsident Reinhard Grindel zunächst symbolisch die rote Karte: "Der Fußball und der DFB stehen für Werte, die von Herrn Erdogan nicht hinreichend beachtet werden. Deshalb ist es nicht gut, dass sich unsere Nationalspieler für seine Wahlkampfmanöver missbrauchen lassen." Für die Weltmeisterschaft in Russland hatte dies aber keine Konsequenzen, beide Spieler wurden für den Kader berücksichtigt, wie gestern bekannt wurde. DFB-Teammanager Oliver Bierhoff hatte zuvor gesagt: "Wir werden die Spieler sensibilisieren. Ihnen war die Situation nicht klar. Ein Foto hat eine Symbolwirkung. Der Sport soll die politischen Probleme lösen, das haben wir in Brasilien und in Südafrika bei den vergangenen Weltmeisterschaften gesehen." Die Spieler werde man auf die Brisanz gewisser Themen hinweisen.  

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Türkischer Verband verärgert

Der türkische Fußballverband (TFF) wiederum hat am Dienstagnachmittag die Kritik des DFB am Treffen von Erdogan, Özil und Gündogan als inakzeptabel zurückgewiesen. Die Aussagen von DFB-Präsident Grindel seien "diffamierend", teilte der TFF-Vorsitzende Yildirim Demirören mit. Dieser gilt als Gefolgsmann ErdogansDemirören ließ wissen, es sei "ganz normal", dass die beiden deutschen Nationalspieler der Einladung gefolgt seien.

Kritik an Vorbildfunktion

Deutsche Politiker sehen dies allerdings anders und die prominenten Fußballer in einer besonderen Verantwortung. Der sportpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Detlev Pilger, sprach von der "Huldigung für einen Politiker, der die Pressefreiheit mit Füßen tritt und die Menschenrechte einschränkt". Cem Özdemir, früherer Bundesvorsitzende der Grünen, verweist auf die Vorbildfunktion für Kinder- und Jugendliche: "Sie sollen nicht Korruption, Unterdrückung und Hass eines alternden Alleinherrschers als Leitbilder vorgelebt bekommen, sondern unser Grundgesetz und die demokratischen Grundwerte Deutschlands“.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, warf den Nationalspielern "eine schiefe Verbeugung vor Herrn Erdogan“ vor. Ihr Treffen mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan sei "das Gegenteil“ der DFB-Kampagne ("Wir sind Vielfalt“), sagte die CDU-Politikerin der Passauer Neuen Presse.

Ob sich die beiden Profis der politischen Dimension nicht bewusst waren, bleibt zu klären. Von Mesut Özil, der in der Bild 2010 erklärte, er sei Sportler und kein Politiker, wolle sich daher auch nicht einmischen, gibt es bis dato keine Stellungnahme. Sein Kollege Gündogan versucht indessen, die Wogen zu glätten: "Es war nicht unsere Absicht, mit diesem Bild ein politisches Statement abzugeben, geschweige denn Wahlkampf zu machen. Als deutsche Nationalspieler bekennen wir uns zu den Werten des DFB und sind uns unserer Verantwortung bewusst."