Politik/Ausland

Las Vegas: Totenstille im Spielerparadies

Auf den ersten Blick ist das Mandalay Bay Hotel ein Wolkenkratzer wie viele andere in Las Vegas. Bis vor wenigen Tagen konnte die Direktion auch stolz auf die Erfolgsgeschichte des Luxusresorts hinweisen, das zu den größten Hotels der Welt zählt.

Doch nach den Schüssen aus dem 32. Stock des Mandalay wird man dieses Gebäude wohl für alle Zeiten mit einem der schlimmsten Verbrechen der US-Geschichte in Verbindung bringen.

Alle Inhalte anzeigen

Filmdrehort MandalayDas Mandalay Bay Resort and Casino wurde 1999 eröffnet, um Las Vegas gleichsam die Krone aufzusetzen. Am Las Vegas Strip, der wichtigsten Meile im Spielerparadies gelegen – dort, wo sich ein Hotelcasino an das andere reiht – sollte das heute zur MGM-Gruppe gehörende Mandalay mit seinen 4766 Zimmern alle Rekorde brechen. Und das durch seine goldene Fassadenverglasung signifikante Hotel wurde berühmt, diente es doch als Drehort für Filme wie "Ocean’s 13", "Rocky Balboa" und für die 106 Folgen lange Seifenoper "Las Vegas", die weltweit – auch im ORF – gezeigt wurde. Die Serie aus dem Spielerparadies ist weniger wegen ihrer Handlung als durch Gastauftritte von Alec Baldwin, Paris Hilton und Sylvester Stallone in Erinnerung geblieben.

Und doch wird solche Geschichten kaum jemand erzählen, wenn in Zukunft vom Mandalay Bay Hotel die Rede ist. Da wird es eher um die Wahnsinnstat des pensionierten Buchhalters Stephen Paddock gehen, der von seiner Suite aus mit manipulierten Schnellfeuergewehren 59 Menschen getötet und mehr als 500 verletzt hat.

Die Kriminalität spielte in Las Vegas – wenn auch in ganz anderer Form – immer schon eine bestimmende Rolle. Die Spielhöllen der Stadt wurden früh von der Mafia kontrolliert, deren Mitglieder einander blutige Bandenkriege lieferten. So wurde 1947 der "Pate" Bugsy Siegel von einer gegnerischen Gang erschossen, weil er aus dem Casinohotel Flamingo Millionen in die eigene Tasche abgezweigt hatte. Das Flamingo war ein Jahr zuvor mit Frank Sinatra als Stargast eröffnet worden.

"Frankieboy" hielt Las Vegas dennoch die Treue. Er, Sammy Davis und Dean Martin machten in den 1960er-Jahren die Metropole des Glücksspiels auch zur Hauptstadt des Entertainments. Ihre Auftritte wurden zu Meilensteinen in der Geschichte von Las Vegas und zur Geburtsstunde des "Rat Pack", der "Rattenmeute". Sinatra & Friends erhielten für ihre Abende im Sands und im Caesar’s Palace Traumgagen, und so dauerte es nicht lange, bis auch Elvis Presley, Shirley MacLaine und Marlene Dietrich in Las Vegas auftraten. Siegfried und Roy prägten die Clubs mit ihren Tiernummern, ehe Roy am 3. Oktober 2003 auf der Bühne des Mirage Hotels von einem weißen Tiger gebissen und schwer verletzt wurde. Das Ende ihrer Shows nach 5750 Vorstellungen war gekommen.

Sinatra und die Mafia

Frank Sinatra, der Millionen Touristen nach Vegas lockte, war für die Spielermetropole so wichtig, dass er an den Gewinnen des legendären Sands Hotels beteiligt wurde. Von da an stand er im Verdacht, für die Mafia zu arbeiten – auch wenn mehrere Gerichte feststellten, dass ihm persönlich kein schuldhaftes Verhalten nachzuweisen sei. Er und seine Freunde machten in Las Vegas aber auch Politik: Da sie sich weigerten, Hotels zu betreten, in denen Afroamerikanern der Zutritt verboten war, hoben viele Casinos die Diskriminierung auf. Man muss sich vorstellen, dass Künstler wie Louis Armstrong und Sammy Davis bis dahin in den Hotels zwar auftreten, aber nicht übernachten durften.

Der Aufstieg von Vegas

Der Aufstieg eines Stückchen Lands in der Wüste von Nevada zu einer der reichsten Städte Amerikas ist schier unglaublich. Ursprünglich zu Mexiko gehörend, wurde Nevada 1864 zum 36. Bundesstaat der USA. Schon den Ureinwohnern war aufgefallen, dass sich in dem von einer unfruchtbaren Wüstenlandschaft umgebenen Las Vegas Valley weitläufige grüne Flächen erstrecken, die für eine Ansiedelung wie geschaffen sind. Mormonen legten um den Colo-rado River mehrere Brunnen frei, die eine blühende Vegetation ermöglichten. 1865 ließ sich hier der Farmer Octavius Gass nieder, um die Oase und ihre Umgebung zu bebauen.

Bars, Casinos, Hotels

Weitere Siedler folgten, kauften Grundstücke, um das Tal zu bewirtschaften und um am 15. Mai 1905 die Stadt Las Vegas zu gründen. Als in den 1930er-Jahren der nahe Hoover Staudamm entstand und die Industrialisierung der Region fortschritt, kamen Tausende Männer als Arbeitskräfte in die junge Stadt. Da sie nach Unterhaltung suchten, wurden schnell Bars, Bordelle und Spielhöllen aus dem Boden gestampft. Das war möglich, weil Nevada im Gegensatz zu anderen US-Staaten das Glücksspiel legalisiert hatte. Bald folgten den billigen Absteigen Luxushotels, worauf auch reiche Touristen kamen. Ein eleganter Spielclub nach dem anderen sperrte auf.

Stadt der Sünde

In den 1990er-Jahren gab es Bemühungen, Las Vegas durch familienfreundliche Hotelneubauten ein neues Image zu verpassen. Aus der "Sin City" (der Stadt der Sünde) sollte wieder die Welthauptstadt des Entertainments werden. Dies ist nach einigen mageren Jahren zum Teil durchaus gelungen, Mafia und illegale Prostitution wurden zurückgedrängt, Venedig und der Eiffelturm wurden als Attraktionen nachgebaut und es kamen wieder Stars wie Elton John, Madonna und Celine Dion. Jedes Jahr zieht es 40 Millionen Touristen nach Las Vegas – doch der Großteil kommt nach wie vor, um sich dem Glücksspiel hinzugeben.

Alle Inhalte anzeigen

9 Milliarden Gewinn

Und Las Vegas ist hochprofitabel: Allein der Gewinn aus den Spielhöllen beträgt neun Milliarden Dollar im Jahr, wobei der größte Anteil aus den Spielautomaten stammt, gefolgt von Baccara, Poker und Roulette. Steve Wynn, einer der Hotelkönige der Stadt, brachte es auf den Punkt, als er sagte: "Die einzige Chance, mit Glücksspiel Geld zu verdienen, besteht darin, ein Casino zu besitzen."In über 100 Jahren seiner Geschichte ist es in Las Vegas immer sehr laut zugegangen, das gehört zu einer Metropole, in der es mehr Hotels, Nachtclubs, Casinos und Showhallen gibt als irgendwo sonst. An dem Abend, der den Schüssen aus dem Mandalay Hotel folgte, hat man am Las Vegas Strip als Zeichen der Trauer alle Lichter abgedreht. Zumindest vorübergehend ist es im Spielerparadies still geworden. Totenstill geradezu.