Jugendbande ersticht Buben – und ganz Frankreich streitet
Von Simone Weiler
Eine große, stille Menschenmenge setzte sich am Mittwoch in der südostfranzösischen Stadt Romans-sur-Isère in Bewegung. „Thomas, für immer in unseren Herzen“, stand auf einem riesigen Transparent. Der 16-Jährige wurde am Wochenende bei einer Messerstecherei auf einem Dorffest im nahe gelegenen Crépol getötet.
"Wer geht mit Messern auf ein Dorffest?"
Thomas galt als lustig, fröhlich, war überall beliebt. „Wer geht mit Messern auf ein Dorffest?“, fragt sich seine Mutter in Medien. Knapp 400 Teilnehmer hatten am Samstag den vom Dorf organisierten „Winterball“ besucht. Als sich der Abend dem Ende neigte, erschienen ungefähr zehn unangemeldete Männer. Laut Staatsanwaltschaft kam es zu einer Auseinandersetzung mit einem Sicherheitsmann, der ihnen keinen Einlass gewährte und schwer an der Hand verletzt wurde. Schnell eskalierte die Situation.
Die Angreifer stachen mit großen Messern auf mehrere Menschen ein, auch mit Steinen sollen sie geworfen haben. Zeugen sprachen von einem „Gemetzel“. Thomas starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus. Acht weitere Personen wurden verletzt, zwei schwer. Diese Gewalt sei „beispiellos“ in einem 500-Seelen-Dorf, sagte eine Sprecherin der nationalen Gendarmerie. Die Angreifer seien „mit dem Ziel zu töten gekommen“, zeigte sich Josette Place, Mitglied des Organisationskomitees der Feier, überzeugt. Sie hätten „Weiße abstechen wollen“, gaben manche Zeugen an. Der Staatsanwalt Laurent de Cagny warnte vor voreiligen Schlüssen.
Warnungen von rechts
Dennoch sahen sich mehrere Rechtsaußen-Politiker in ihren Thesen gestützt. Marion Maréchal, Enkelin des Rechtsextremen Jean-Marie Le Pen, die als Spitzenkandidatin für die ultrarechte Partei Reconquête in den EU-Wahlkampf zieht, sprach von „Rassismus gegen Weiße“. Ihre Tante Marine Le Pen warnte vor „bewaffneten Milizen, die Razzien durchführen“. Inzwischen konnten neun der mutmaßlichen Täter festgenommen werden. Drei sind minderjährig, mehrere der jungen Männer haben Vorstrafen.
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Die Zeitung Le Parisien zitierte Ermittlerkreise, denen zufolge die Hypothese einer vorab geplanten Aktion nicht zutreffend sei. Inzwischen sei eher auszugehen von einer „fürchterlichen und tragischen Ball-Schlägerei, nur dass manche Messer bei sich hatten“. Frédéric Ploquin, Spezialist für organisierte Kriminalität, vermutete, die Angreifer hätten sich dafür rächen wollen, nicht zu der Feier zugelassen zu werden, deren Zugang nur mit Einschreibung möglich war.
Beerdigung am Freitag
Bei dem mutmaßlichen Mörder von Thomas handelt es sich um einen 20-jährigen Franzosen, dessen Mutter auch Französin ist, der wegen Hehlerei von Diebesgut und des Tragens eines Jagdmessers verurteilt war und eigentlich keine Waffen bei sich tragen durfte. Zunächst hatte es geheißen, die Angreifer stammten alle aus dem berüchtigten Sozialbauviertel „La Monnaie“. Auch das stimmt nicht, meldete die Staatsanwaltschaft .
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Die Familie von Thomas hatte sich bei der Einladung zum Schweigemarsch für den 16-Jährigen erbeten, dass dieser „unpolitisch“ ablaufen solle. Am Freitag folgt die Beerdigung des Jugendlichen.