Politik/Ausland

Terrorismusexperte: "Bedrohung durch islamistischen Terror derzeit gering"

Mit einem gezielten Drohnenangriff in Afghanistan haben die USA den Anführer des Terrornetzwerks Al-Kaida, Ayman al-Zawahiri, getötet. US-Präsident Joe Biden verkündete am Montag in Washington, der Nachfolger von Osama bin Laden sei am Wochenende bei einem "Präzisionsschlag" in der afghanischen Hauptstadt Kabul ums Leben gekommen. Zivile Opfer habe es nicht gegeben. "Jetzt wurde der Gerechtigkeit Genüge getan. Und diesen Terroristenführer gibt es nicht mehr", sagte Biden.
 

Als reale Bedrohung würde der Terrorismusforscher Peter Neumann den 71-jährigen Zawahiri nicht mehr sehen, „weil er nicht mehr an Planung aktiver Terrorattacken beteiligt war“, so der Neumann in der ZiB2. Mit der Tötung löst die USA vielmehr sozusagen ein Versprechen ein. Denn die Vereinigten Staaten würden sagen, dass „wenn wir angegriffen werden, müssen die Leute die das tun, damit rechnen, dass wir sie bis an ihr Lebensende verfolgen und zu Strecke bringen“.

Dezentral organisiert

Schwächen würde der Tod Zawahiris die Terror-Gruppe nicht. Vor 20 Jahren war Al-Kaida eine sehr zentralisierte Organisation, heute ist sie dezentral aufgestellt. „Al-Kaida besteht aus fünf oder sechs Gruppe, die in regionalen Konflikten aktiv sind – von Syrien bis Mali oder Nigeria und so weiter. Die Führung in Pakistan hat heute nicht mehr viel zu sagen. Die Al-Kaida ist in regionalen Konflikten stark.“

Für Neumann ist die "wichtige Nachricht", dass Zawahiri in Kabul gewesen ist. "Das ist ein Vertrauensbruch.“ Das Taliban-Regime hatte zugesichert, keine Terroristen mehr in Afghanistan unterzubringen. "Die Taliban haben davon gewusst und dieses Vertrauen gebrochen. Es wird schwierig mit dem Westen wieder ein Vertrauensverhältnis herzustellen."

Bedrohung für den Westen derzeit gering

Mit der Al-Kaida und danach mit dem islamischen Staat galt der islamistische Terrorismus als größte Bedrohung für den Westens in den letzte Jahren. Auch um den IS ist es zuletzt ruhig geworden. Auf die Frage, ob die Bedrohung vorbei ist, antwortet Neumann: "Ich glaube schon, dass die derzeitige Bedrohung geringer ist als an irgendeinem Punkt in den letzten 20 Jahren. Das liegt zu einen daran, dass der sogenannte islamische Staat schwächer ist als je zuvor. Er möchte den Westen zwar nach wie vor angreifen, aber hat nicht mehr die Möglichkeit dazu, er kann sich nicht mal im eigenen Stammland organisieren."

Drohnenangriffe

Getötet wurde Zawahiri durch einen Drohnenangriff. Wie legal ist ein solche Tötung überhaupt? Die Amerikaner meinen, dass stehe ihnen im Sinne der Selbstverteidigung zu, sagt Neumann. Akzeptiert werde das nicht von allen: "Seit 2011/12 sind die Amerikaner etwas restriktiver geworden mit ihrer Drohnen-Politik." Vor 2012 sei die USA weniger restriktiv gewesen. "Es mag zwar immer noch nicht legal sein, aber zumindest passen die Amerikaner etwas stärker auf."

Und ob ein solcher Angriff prinzipiell zu rechtfertigen sei? "Für die Anführer großer Terroristischer Netzwerke ist das durchaus zu rechtfertigen. Die Frage ist, wo man die Grenzen zieht und desto komplizierter ist die moralische Abwägung."