Politik/Ausland

Kurden etablieren eigene Verwaltung im Norden

Die Truppen des syrischen Machthabers Bashar al-Assad haben sich aus der Region längst zurückgezogen, der neue Feind sind die Islamisten, sagte der Chef der syrischen Kurdenpartei PYD, Salih Muslim, im KURIER-Gespräch. Täglich würden sich die beiden Parteien Gefechte liefern, „aber wir verteidigen unser Haus“, so der 62-Jährige. Das „Haus“ – das seien 40.000 km² im Norden des Landes, wo 3,5 Millionen Kurden leben (andere Quellen weisen nur 1,5 Millionen aus).

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Mehr als 10.000 seiner Volksgruppe würden unter Waffen stehen, sagte Muslim, auch drei seiner vier Söhne und seine Tochter: „Wir sind die Einzigen, die gegen diese Extremisten wie die Al-Nusra-Brigade kämpfen und die Demokratie verteidigen – im Stich gelassen von der ganzen Welt.“ Der PYD-Vorsitzende schätzt, dass unter allen Aufständischen die Zehntausenden Islamisten schon 80 Prozent ausmachen, „der Anteil der ,Freien Syrischen Armee‘, also Deserteure des Regimes, liegt bloß bei 20 Prozent“.

Die syrischen Kurden, die keine militärische Schützenhilfe von der Bruderorganisation PKK erhielten, würden sich ihr Kriegsgerät auf dem syrischen „Schwarzmarkt“ beschaffen (mit finanzieller Unterstützung der kurdischen Diaspora in EU-Staaten). Die Dschihadisten würden mit Waffen über die Türkei versorgt werden, betonte Muslim, der in eigener Sache durch Europa tourt und dieses Woche in Wien Station machte. Laut seinen Angaben hatte er auch eine Unterredung mit hochrangigen Diplomaten im österreichischen Außenministerium.

Wahlen bis Anfang 2014

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Auf die Frage, warum Ankara Islamisten inSyrienzumindest indirekt unterstütze (Verletzte werden auch in türkischen Spitälern behandelt), meinte Muslim: „Es gefällt ihnen nicht, dass wir uns in ,West-Kurdistan‘ jetzt selbst organisieren, denn das könnte Einfluss haben auf die Situation der Kurden in der Türkei.“ Konkret seien in den syrischen Kurdengebieten „Bürgerräte“ gegründet worden, in den Schulen wird nun in kurdischer Sprache unterrichtet. „Unser Ziel ist es, eine zivile Übergangs-Verwaltung zu etablieren. Dazu wollen wir bis spätestens Anfang 2014 freie Wahlen abhalten. Wir müssen das tun, denn wir wissen ja nicht, wie lange der Krieg noch dauern wird. Aber das Leben muss weitergehen. Die Türkei hat das zu akzeptieren. Sollte sie mit Soldaten die Grenze überschreiten, werden wir unser Haus verteidigen“, sagte der PYD-Chef kämpferisch.

Er strebe ein demokratisches und föderal strukturiertes Syrien an, in dem die politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Rechte jeder Volks- und Religionsgruppe anerkannt sind. Einen souveränen Kurdenstaat wolle er laut eigenen Aussagen nicht.

Politische Lösung

Und der Weg dorthin? „Der Bürgerkrieg ist in einer Sackgasse, keine Seite kann ihn gewinnen. Eine internationale Militärintervention würde aber noch mehr Probleme schaffen. Was wir brauchen, ist eine Beendigung der Waffenlieferung an die Islamisten, unter anderem durch Saudi-Arabien, und eine politische Lösung“, formulierte der Kurden-Politiker. Voraussetzung dafür sei, dass zunächst die USA und Russland an einem Strang zögen – es gab Hinweise, dass beide Länder eine entsprechende UN-Resolution im Kern akkordiert haben. Dann aber müssten alle anderen involvierten Staaten ebenfalls an Bord geholt werden – der Iran, Saudi-Arabien, Katar, die Türkei. Letztlich müsse auch das Regime in Damaskus miteingebunden werden, denn „Assad wird nicht gehen“.

Syriens im Exil agierende Opposition (die Nationale Koalition SNC) ebenso wie die Führung der Freien Syrischen Armee (FSA) und die kämpfenden Rebelleneinheiten waren einander nie ganz grün – jetzt aber ist die Spaltung zumindest in Teilen vollzogen. In einem Schreiben mit dem symbolträchtigen Namen „Kommuniqué Nr. 1“ haben sich 13 Brigaden von der Rebellenarmee FSA losgesagt. „Kommuniqué Nr. 1“ ist ein Terminus, der vor allem im arabischen Raum oft von Putschisten benutzt wurde. Im jetzigen Fall bedeutet das Schreiben den vollzogenen Bruch einer beträchtlichen Anzahl bewaffneter Gruppen mit ihrer seit jeher schwachen – politischen, ebenso wie militärischen – Führung im Ausland.

In dem Schreiben sind Gründe dafür angeführt: So vor allem, dass man sich nur von solchen Personen vertreten fühlen könne, die für die Revolution auch Opfer gebracht hätten; und dass man nicht von Exil-Gruppen vertreten werden könne und diese daher auch nicht anerkenne. Gemeint sind FSA-Führung und die SNC. Unterzeichner sind großteils islamistische Brigaden. Alles in allem, so Schätzungen, einige Zehntausend Kämpfer.

Es ist ein schwerer Schlag für die auf westliche Militärhilfe zählende FSA; und ein Schlag ins Gesicht der seit jeher um Legitimität ringenden SNC. Letzteres vor allem, da eine Delegation der SNC gerade bei der UN-Vollversammlung in New York auf Unterstützung hofft. Die Spaltung kommt aber auch in Zeiten eskalierender Kämpfe zwischen Einheiten der FSA und islamistischen Brigaden. Vorgeworfen werden der FSA dabei vor allem Verbindungen zu westlichen Geheimdiensten.