Syrien: Eskalation zwischen Assad-Alliierten Russland und Iran
Von Stefan Schocher
Die Rebellen praktisch besiegt, geht es in Syrien jetzt allem Anschein nach immer mehr um die Verteilung der Beute. Und in Anbetracht einer durchgehenden Militarisierung, einer flächendeckenden Überfrachtung mit Waffen und einer grundlegend unterschiedlichen Zielsetzung der unterschiedlichsten in Syrien aktiven Mächte, fällt die zuweilen auch gewalttätig aus.
Vergangene Woche eskalierte dieser Konflikt in blutigen Kämpfen zwischen russisch kontrollierten syrischen Verbänden und syrischen Einheiten, die vom Iran kontrolliert werden. Dabei ging es um die strategisch wichtige Ebene von Al Ghab zwischen der Rebellenregion Idlib und dem Kernland des Clans von Präsident Assad an der Mittelmeerküste.
Der Iran will das Gebiet kontrollieren und schickte die vierte Division – eine Einheit, die zwar offiziell von Präsidentenbruder Maher al-Assad befehligt in der Realität aber vom Iran kontrolliert wird. Russland will das Gebiet ebenfalls kontrollieren und entsandte das von Moskau ausgerüstete und trainierte fünfte Armeecorps, kommandiert von einem syrischen General. Es kam zu schweren Kämpfen mit Raketenwerfern, Artillerie und Panzern, bei denen sich die Russland-nahen Verbände rasch durchsetzen. Bis zu 200 Menschen starben bei dem Gefecht. Das sind aber reine Schätzungen auf Basis von Augenzeugenberichten. Denn keine der Konfliktparteien hat ein Interesse daran, die Eskalation an die große Glocke zu hängen. Die Kämpfe sind vorbei. Sporadisch soll es aber noch zu Scharmützeln kommen.
Die Eskalation der Vorwoche aber war bei weitem nicht die erste direkte Konfrontation zwischen Assad-Alliierten. Bereits im Oktober waren Kämpfe zwischen Angehörigen eines Assad-treuen Mafiaclans und einer syrisch-iranischen Miliz in Ost-Aleppo eskaliert. Und im vergangenen Sommer waren die Rivalitäten nahezu eskaliert, als russische Soldaten die Kontrolle über einen Grenzübergang zum Libanon übernehmen wollten und die libanesische Schiiten-Miliz (vom Iran unterstützt) das tunlichst zu verhindern versuchten.
Hinzu kamen zuletzt Luftangriffe Israels auf iranische Verbände in Syrien, die die iranisch-russischen Beziehungen schwer belasteten. Denn allem Anschein nach hatten die Russen ihre in Syrien stationierten, hoch modernen S300-Luftabwehranlagen für die Israelis gezielt deaktiviert und die Abwehr dieser Angriffe der weitaus unterlegenen syrischen Luftabwehr überlassen.
Nicht von ungefähr kam also die Ansage des russischen Vize-Außenministers Sergei Rjabkow. Der antwortete in einem Interview mit dem Sender CNN auf die Frage, ob Moskau und Teheran in Syrien Alliierte seien: Er „würde diese Art von Worten nicht verwenden, um zu beschreiben, wo wir mit dem Iran stehen“.
Wo Assad selbst in diesem Konflikt steht, ist nicht bekannt. Klar zu sein scheint aber, dass seinem Regime die Umtriebe des Iran zunehmen in die Quere kommen. Denn verfolgt Russland rein geopolitische und strategische Ziele, um international zu punkten, hält sich aus ethnischen Konflikten aber eher heraus, betreibt Teheran offensive Kulturpolitik. So kamen sich Assad-treue, vom Iran finanzierte Milizen und die syrische Armee mehrmals in die Haare, wenn es zum Beispiel um die Rekrutierung von Wehrpflichtigen ging, die bereits bei schiitischen Milizen eingeschrieben waren. Zudem hat der Iran in Syrien ein Netzwerk aus kulturellen, religiösen und karitativen Einrichtungen aufgezogen, die Beobachter eher als kulturelle „Rekrutierungsstellen“ bezeichnen.
Die Politik Teherans scheint klar: Über die Verbreitung des schiitischen Glaubens dauerhaft Verbündete in der Region schaffen, um eine schiitische Achse Iran-Irak-Syrien-Libanon zu errichten. Ein Ansatzpunkt: Die Alawiten – denen auch Assad angehört – die sich selbst als eigene Glaubensgemeinschaft betrachten, von Teheran aber als schiitische Sekte angesehen werden.
Hinzu kommt offensive Siedlungspolitik: So wurde etwa den Familien Dutzender afghanischer Kämpfer in den Reihen pro-iranischer Milizen (die militärische Präsenz der Iraner in Syrien fußt zu einem großen Teil auf schiitischen afghanischen Söldnern) gestattet, sich in Syrien dauerhaft niederzulassen.
Die Ironie an der Sache: Sowohl Russland als auch der Iran koordinieren ihre Aktionen in Syrien eng mit dem erklärten Todfeind Damaskus‘ – der Türkei. Die wiederum will um jeden Preis eine autonome kurdische Region in Nord-Syrien verhindern und gruppiert derzeit massiv Truppen an der Grenze zu Syrien. Offen angedroht wurde von Ankara nicht weniger als ein Einmarsch.
Russland, der Iran und die Türkei bilden die Gruppe der Astana-Garanten. Kommenden Februar wird sich die Gruppe erneut zu Konsultationen treffen – vermutlich in Moskau.