Politik/Ausland

Südtirol-Wahl: SVP fiel auf neuen Tiefstand, Lega legt stark zu

Nach dem Urnengang in Bayern, der ein Debakel für die Volkspartei CSU gebracht hatte, hielt der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher den Ball bewusst flach. „Man muss die Rechnung mit der Realität machen“, sagte der 47-jährige Chef der Südtiroler Volkspartei (SVP) vor den Wahlen am Sonntag in seiner Heimat. Denn auch seiner Volkspartei, die die Region über Jahrzehnte mit absoluten Mehrheiten weit jenseits der 50 Prozent regiert hatte, wurden Verluste prognostiziert.

Nach Wahlschluss um 21 Uhr begann die Auszählung. Das Ergebnis gab es in den frühen Morgenstunden. Bei einer auf 73,9 Prozent gesunkenen Wahlbeteiligung erreichte die Sammelpartei laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis nur noch 41,9 Prozent der Stimmen, was ein Minus von 3,8 Prozentpunkten gegenüber 2013 bedeutet. Nach dem Verlust der absoluten Mehrheit 2008 und der Mandatsmehrheit vor fünf Jahren ist es somit die dritte Niederlage en suite. Hatte es 2013 mit 45,7 Prozent der Stimmen noch für 17 Mandate gereicht, kann die Sammelpartei jetzt nur noch 15 der 35 Sitze beschicken.

Stark zulegen konnte hingegen die rechtsgerichtete Lega, die mit 11,1 Prozent und vier Mandaten auf dem dritten Platz landete. Für die große Überraschung sorgte jedoch der Südtiroler Unternehmer Paul Köllensperger, der mit seiner gleichnamigen Liste 15,2 Prozent der Stimmen auf sich vereinen und damit den zweiten Platz erreichen konnte. Die Bewegung wird mit sechs Mandataren im künftigen Landtag vertreten sein.

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"Über 40 Prozent"

Dass auch der SVP nun Wähler abhanden kommen, erklärt der studierte Jurist mit instabilen Verhältnissen in Italien und ganz Europa, mit der Globalisierung, Digitalisierung und Migration, was den Menschen Angst bereite oder sie zumindest verunsichere.

Das führe zu einer Polarisierung in der Gesellschaft. Populistische Bewegungen würden davon profitieren. Tatsächlich stand die rechte und ausländerfeindliche Lega laut Umfragen (das Wahlergebnis soll heute vorliegen) auf dem Sprung, stärkste italienische Partei in Südtirol zu werden. Eine etwaige Koalition mit ihr schloss Kompatscher nicht dezidiert aus.

SVP setzte auf Stabilität

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Der „Kitt“ , wie sich der SVP-Vorsitzende ausdrückt, zwischen den Bürgern und der Partei sei eben nicht mehr so stark vorhanden wie noch früher. Genau diese Verbindung versuchte der Landeshauptmann, der 2014 den Langzeit-Landespatriarchen Luis Durnwalder (ein Vierteljahrhundert an der Macht) abgelöst hatte, wieder herzustellen. Kompatscher pochte auf Kontinuität und vor allem auf Stabilität, die nur seine SVP gewährleisten könne.

Die Bilanz jedenfalls, die der Vater von sieben Kindern vorweisen kann, kann sich sehen lasse: Die Region boomt wirtschaftlich. Im ersten Quartal des heurigen Jahres lag die Arbeitslosenquote bloß bei 2,9 Prozent, im gesamten Vorjahr bei 3,1 Prozent – das gilt als Vollbeschäftigung. Italien-weit lag dieser Wert 2017 bei 11,2 Prozent.

Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf von 42.500 Euro rangiert Südtirol auf Platz eins in Italien, das es bloß auf 27.800 Euro bringt (zum Vergleich Österreich: rund 38.000 Euro). Und die Südtiroler Autonomie konnte deutlich besser abgesichert werden. „Wir haben einen guten Job gemacht“, zeigte sich Kompatscher zufrieden.

Im Wahlkampf freilich dominierten andere Themen. Es ging um Gesundheit – hier vor allem um die langen Wartezeiten in den Spitälern –, um leistbares Wohnen und um Migration. Dazu der Dauerbrenner Transitverkehr.

Heißes Eisen Transit

Dieser könnte sich künftig vermehrt auf die Bundesstraße verlagern, ist doch eine Erhöhung der Maut auf der Brennerautobahn geplant. Um die Südtiroler vor einer etwaigen Brummi-Lawine zu schützen, will der Landeshauptmann Lkw-Fahrverbote auf Staatsstraßen durchsetzen.

Generell verlief der Wahlkampf eher schleppend. Für Akzente sorgten vor allem die Auftritte von Matteo Salvini, Lega-Chef und Italiens Innenminister. Die Schützenhilfe aus Österreich wurde teils mit gemischten Gefühlen kommentiert. So reiste Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im September zum Wahlkampfauftakt der Südtiroler Schwesterpartei, was rechtsgerichtete italienische Politiker als „inakzeptable Einmischung“ kritisierten. Auch FPÖ-Vorsitzender Heinz Christian Strache warf sich für die Südtiroler Freiheitlichen in die Schlacht. Seine Parteikollegen Norbert Hofer (Verkehrsminister) und Harald Vilimsky (EU-Abgeordneter) rührten in Südtirol ebenfalls die blaue Werbetrommel.

Das von der Bundesregierung in Wien angepeilte Projekt der Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler sorgte zusätzlich für etwas Pfeffer in der Wahlauseinandersetzung – und wird wohl auch die kommende Regierung in Bozen beschäftigen.