Klimakonferenz: Streit um Kohle (Abbau) und Kohle (Finanzierung)
Von Bernhard Gaul
Die Erwartungen an die mittlerweile 26. Klimakonferenz sind nicht gerade hoch. Anfang November werden im schottischen Glasgow rund 30.000 Teilnehmer aus Politik, Verwaltung und NGO erwartet.
„Keep 1,5°C alive“
Wichtigstes Ziel der Konferenz ist, das Versprechen der Pariser Klimakonferenz 2015 „am Leben zu halten“, konkret, dass die Erderwärmung auf 1,5°C bis 2100 begrenzt werden soll. Dafür muss der Treibhausgas-Ausstoß weltweit massiv reduziert werden.
Derzeit sieht es nicht danach aus, dass dieses Ziel eingehalten werden kann. Aktuell gehen die Berechnungen von einer Erderwärmung von rund 3°C aus. Und das auch nur, wenn die abgegebenen Versprechen (wie Europas Klimaneutralität bis 2050) auch eingehalten werden.
Klimaziele und Klimazeugnis
In Paris wurde außerdem vereinbart, dass die nationalen Klimaziele (NDC, Nationally determined contributions) alle fünf Jahre überprüft werden müssen. Weil 2020 coronabedingt keine Klimakonferenz stattfand, soll das in Glasgow nachgeholt werden. Dann geht es, wie ebenfalls im Paris-Abkommen vereinbart, um das „global stocktake“ (weltweite Bestandsaufnahme): 2021 bis 2023 findet die erste Periode statt, in der die Umsetzung der CO2-Reduktion überprüft und der Fortschritt bewertet wird – die Staaten bekommen quasi ein Klimaschutz-Zeugnis. Die Modalitäten dazu müssen noch verhandelt werden.
Besonders heikel ist das Thema Klimafinanzierung:
Die Industriestaaten hatten eigentlich versprochen, ab 2020 einen UNO-Klimafonds mit jährlich 100 Milliarden Dollar zu füllen. „Dieses Ziel ist klar verfehlt worden, im besten Fall sind wir bei 80 Milliarden“, erklärt die Grazer Wirtschaftswissenschafterin und IPCC-Autorin Birgit Bednar-Friedl.
Sie hofft, dass die Lücke ausgeglichen wird. Das Geld dürfen die vom Klimawandel am schwersten betroffenen Staaten für zwei große Bereiche verwenden: für Klimawandel-Anpassung, damit sind etwa Küstenschutz, Tech- und Know-how-Transfer oder Prognose- und Frühwarnsysteme gemeint. Und für Klimaschutz, etwa den Ausbau von grüner Stromproduktion, aber auch Vermeidung von anderen Treibhausgasen wie Methan oder Lachgas.
„Phasing out coal“, also das Aus für Kohle, wird ein weiterer wichtiger Punkt. Forscherin Bednar-Friedl gibt zu Bedenken, dass Kohle weltweit verfügbar, aber ein enorm CO2-intensiver Energieträger ist, auf den ärmere Staaten nur schwer verzichten können.
Letzter Punkt betrifft den Waldschutz: einerseits, wie die großen CO2-Speicher (Regenwälder, boreale Wälder des Nordens) erhalten und geschützt werden können, andererseits geht es um die Frage von Holz als Rohstoff – und wie nachhaltig dieser ist.
Was erwartet sich die Forscherin konkret von Glasgow?
Bednar-Friedl erklärt: „Ich bin etwas optimistischer geworden. Ich glaube nicht, dass wir den ganz großen Meilenstein schaffen, dass alle Länder deutlich ambitioniertere Ziele abgeben. Aber es könnte eine Einigung auf einen konkreteren Fahrplan geben, wie wir in den kommenden fünf Jahren genau dahin kommen können. Für mich wäre ein zu schwaches Ziel, auf das sich alle einigen können, ein wesentlich schlechteres Ergebnis als ein wirkungsvolleres Ziel, auf das sich noch nicht alle einigen können.“
Das Coronajahr 2020, in dem die Klimakonferenz (COP, Conference of parties) abgesagt werden musste, hat gezeigt, wie wichtig Verhandlungen vor Ort sind: Viele Vorbesprechungen wurden per Videokonferenz durchgeführt, was einfach geht – solange alle Teilnehmer in der gleichen Zeitzone leben. Doch wenn Vertreter aus allen Erdteilen konferieren, ist selbst eine Einigung auf die Beginnzeit schwierig: Wenn bei den Europäer Mittag ist, schlafen die meisten Amerikaner noch, die meisten Asiaten gehen schon wieder ins Bett.
Seit den 1990er-Jahren findet deshalb fast jährlich eine Klimakonferenz statt – meist in einem Urlaubsresort außerhalb der Saison, damit ausreichend Betten zur Verfügung stehen. Und wer Ergebnisse von Klimakonferenzen kritisiert, sollte einmal versuchen, sich bei einem Abendessen mit Freunden auf fünf Sätze zu einem kontroversen Thema zu einigen. Bei der Klimakonferenz sind Vertreter von 196 Staaten.