Politik/Ausland

Strategische Annäherung ohne Entschuldigung

Es war ein skrupellos geplanter, militärisch enorm erfolgreicher Überfall, der zuletzt den Zweiten Weltkrieg entscheiden sollte – und zwar zu Ungunsten der Angreifer. Der japanische Angriff auf den US-Marinestützpunkt Pearl Harbor ließ die USA an der Seite der Alliierten in den Krieg eintreten. Ihre Truppen, vor allem aber ihre Rüstungsproduktion machten den Sieg über Nazi-Deutschland und Japan erst möglich.

Dass Shinzo Abe am Dienstag als erster Premier Japans an einer Gedenkfeier auf dem damals versenkten Schlachtschiff USS-Arizona teilnahm, ist ein kühl kalkulierter politischer Schritt. Im Mai dieses Jahres hatte US-Präsident Obama als erster US-Präsident das japanische Hiroshima besucht und der Toten des US-Atombombenangriffs gedacht. Abe hat nun schlicht den Gegenbesuch absolviert. Doch so wie Obama in Hiroshima keine Entschuldigung für den US-Angriff abgab, hat auch der Japaner eine solche vermieden. Für das Kaiserreich ist das auch 75 Jahre danach noch ein Tabu, und Abe hat nie Anzeichen gemacht, es zu brechen. Vielmehr hat der Nationalist umstrittenen Denkmälern für japanische Kriegsverbrecher Tribut gezollt und eine Entschuldigung für Pearl Harbor auch für kommende Generationen ausgeschlossen.

Es ist weniger ein neues Geschichtsverständnis als strategisches Interesse, die beide Staaten zu diesen politischen Gesten gebracht haben. Japan hat schon vor Jahren mit einer neuen militärischen Aufrüstung begonnen und das mit dem Wohlwollen der USA, die den Inselstaat als verlässlichen Partner in Ostasien brauchen. Chinas immer deutlicher geäußerte Ansprüche auf politische und militärische Vorherrschaft in Ostasien provozieren wachsende Spannungen und ständig neue Konflikte um Inselgruppen oder Seerechte in der Region.

Trump als Risikofaktor

Obama, der den pazifischen Raum immer als wichtigstes zukünftiges Interessensgebiet der USA betrachtet hat, versuchte die Staaten der Region, wirtschaftlich und militärisch enger an die USA zu binden. Sein Nachfolger Donald Trump hat da – zumindest im Wahlkampf – eine völlig andere Linie angekündigt. Der Republikaner hat deutlich gemacht, dass er das Transpazifische Wirtschaftsabkommen TPP ablehnt und auf keinen Fall in Kraft setzen will. Ein Schritt, der zwar vor allem gegen China und dessen Exporte in die USA gerichtet ist, aber die ganze Region betrifft.

Ähnlich wie von den europäischen NATO-Verbündeten erwartet Trump auch von Japan, militärisch mehr zu seiner eigenen Sicherheit beizutragen. Die USA könnten und wollten ihre Schutzmacht-Rolle nicht länger weitgehend alleine finanzieren. Auch die US-Truppen in Japan – derzeit sind etwa 50.000 stationiert – sollen deutlich reduziert werden.

Für Premier Abe eine schwierige Situation, hat er sich doch klar hinter das Wirtschaftsabkommen gestellt. Stark wachsende Militärausgaben kann sich das kriselnde Japan obendrein nicht leisten. Also setzt man in Tokio darauf, dass auch Trump als Präsident leisertreten wird als bisher: "Das war Wahlkampfrhetorik und nichts anderes", meint ein Sprecher des Premiers. Um das auszuloten hat Abe Trump bereits in New York besucht, wenige Tage nach der Wahl.