Stoiber: Merkel ist Macht-Übergabe nicht gelungen
Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) bezeichnete die Übergabe des Parteivorsitzes von Angela Merkel in der CDU als nicht gelungen. In der deutschen Talkshow "Maischberger" sprach er - kurz vor dem CDU-Parteitag am morgigen Freitag - auch über die Rolle von Friedrich Merz, den manche CDU-Kreise als nächsten Kanzlerkandidaten statt der Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer favorisieren.
Seit Dezember 2018 sind CDU-Vorsitz und Kanzlerschaft getrennt: Merkel ist noch Regierungschefin, Kramp-Karrenbauer führt die Partei. Auf die Frage von ARD-Moderatorin Sandra Maischberger, ob Merkel den richtigen Zeitpunkt des Abschieds verpasst habe, sagte Stoiber zunächst: "Das kann man erst dann sagen, wenn sie ausgeschieden ist, also wahrscheinlich 2021." Merkel wolle wohl auch deshalb bis zur nächsten Bundestagswahl Kanzlerin bleiben, weil sie ihre führende Rolle in Europa, im Zusammenspiel mit Frankreich, wahrnehmen wolle.
Ob Merkel der Übergang in der Partei nicht gelungen sei, hakte Moderatorin Maischberger nach. Darauf Stoiber: "Das kann man objektiv sagen." Im kommenden Jahr solle in der CDU die Entscheidung über die Kanzlerkandidatenfrage gefällt werden.
Stoiber über Machtkampf Merkel-Merz
Ob Merz der bessere Kanzlerkandidat als die politisch angeschlagene Kramp-Karrenbauer wäre, beantwortete Stoiber zumindest indirekt. Das Comeback von Merz, der nach seinem Abschied aus der Politik in den Nuller Jahren mehrere Aufsichtsrats- und Beraterjobs übernommen hatte, "war für mich auch überraschend", sagte der 78-jährige Stoiber. Ob Merz wieder einen Platz in der ersten Reihe der CDU einnehmen solle? "Er findet das mit Sicherheit", sagte Stoiber unter Gelächter des Publikums.
Merkel und Merz haben heute ein zerrüttetes Verhältnis. An den Vorgängen, die zum Bruch führten, war auch der damalige bayerische Ministerpräsident Stoiber beteiligt. So überließ Merkel dem Chef der bayerischen CSU im Jahr 2002 die Kanzlerkandidatur. Im Gegenzug zu diesem Verzicht beanspruchte Merkel, seit 2000 CDU-Chefin, den Fraktionsvorsitz im deutschen Bundestag. Stoiber versprach ihr dafür seine Unterstützung - Merz, bis dahin CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender, musste schließlich seinen Platz räumen. "Merz hat mir das lange übel genommen", erzählte Stoiber nun im Fernsehen. Nachsatz: "Heute nicht mehr."
AKK fordert Geduld bei Kanzlerfrage
Unterdessen hat Kramp-Karrenbauer vor dem CDU-Parteitag in Leipzig ein Ende der Personaldebatten in ihrer Partei gefordert. Die Diskussion über die Führung habe die CDU in Unruhe versetzt und die Wähler verunsichert, sagte Kramp-Karrenbauer am Donnerstag den Sendern RTL und n-tv. "Das merkt man der Partei an, das merkt man unseren Umfragen an."
Die Bürger interessiere nicht, "dass die CDU sich darüber Gedanken macht, wer irgendwann einmal möglicherweise welche Positionen hat", sagte die Parteichefin. Die Partei müsse sich nun "auf das Wesentliche konzentrieren", sagte sie, nämlich die inhaltliche Arbeit.
Kramp-Karrenbauer sieht die Frage der Kanzlerkandidatur erst im nächsten Jahr an der Reihe. Stoiber hatte bei "Maischberger" ebenfalls für eine Entscheidung über die Kanzlerkandidatur in der Union erst im kommenden Jahr plädiert, weil schließlich mit einer planmäßigen Bundestagswahl 2021 zu rechnen sei.
Nach einer Serie schlechter Wahlergebnisse war Kramp-Karrenbauer in den vergangenen Wochen selbst zum Gegenstand der Personaldebatten geworden. Angesichts ihrer schwachen Umfragewerte ging es dabei auch um ihre Eignung als Kanzlerkandidatin. Der Vorsitzende der Jungen Union hatte ihre Führungsqualitäten infrage gestellt.
Als Reaktion auf diese Kritik hatte Kramp-Karrenbauer ihre Kritiker Ende Oktober aufgefordert, auf dem Parteitag aus der Deckung zu kommen. "Wer auch immer meint, die Frage müsse jetzt in diesem Herbst geklärt werden, hat auf diesem Bundesparteitag die Gelegenheit", sagte sie damals.
Urwahl
Der CDU-Politiker und frühere deutsche Umweltminister Norbert Röttgen hat sich unterdessen für Urwahlen eines CDU-Kanzlerkandidaten ausgesprochen. Das würde bedeuten, dass nicht nur einige hundert Delegierte, sondern alle Mitglieder von CDU und CSU diesen bestimmen könnten.
"Ich finde, das können die Mitglieder entscheiden", sagte der auf Außenpolitik spezialisierte CDU-Abgeordnete im ZDF. Die Junge Union hatte zuletzt eine Urwahl gefordert.