Politik/Ausland

Spanien: Separatismus und die Sinnfrage

Dem katalanischen Regionalpräsidenten Artur Mas war das Unwohlsein regelrecht anzusehen, als er seiner Provinz und vor allem sich selbst halblaut eine "Periode des Nachdenkens" verordnete. Immerhin hatte es der Nationalist zuvor kaum erwarten können, nach seinem Wahlsieg die ersten Schritte in Richtung Unabhängigkeit zu setzen. Doch der Wahlsieg kam nicht. Mas’ konservative CiU, die Katalonien seit Beginn der Demokratie in Spanien, politisch dominiert, muss sich nicht nur einer schweren Niederlage, sondern auch einigen unangenehmen Grundsatzfragen stellen. Die verlorenen Stimmen der CiU gingen offensichtlich direkt an die zweite Partei, die noch konsequenter für eine Unabhängigkeit Kataloniens eintritt: Die linke ERC.

Jene Minderheit der Katalanen also, die tatsächlich den kompromisslosen Ausritt aus Spanien und die Gründung einer Nation wollen, sehen sich dort besser vertreten. Vor allem aber sahen sie keinen Sinn darin, einen Politiker zu wählen, der sich zwar aus Spanien verabschieden will, allerdings nur um dann im Alleingang auf dieselbe Sparpolitik zu setzen wie die konservative Zentralregierung in Madrid.

Stimmung, nicht Politik

Mas, lange Jahre braver Pflichterfüller in der zweiten Reihe seiner Partei, hatte im nationalistischen Überschwang schlicht ein ungeschriebenes Gesetz ignoriert, an das sich seine Vorgänger immer gehalten hatten. Mit Nationalismus und dem seit dem spanischen Bürgerkrieg tiefsitzenden Hass auf Madrid macht man in Katalonien Stimmung, aber nicht Regierungspolitik.

Jordi Pujol, Langzeit-Präsident der Region, beherrschte diese Strategie perfekt. Er fachte den Separatismus der Katalanen an, nur um sich danach teuer an die Regierungen in Madrid zu verkaufen: Für immer mehr finanzielle oder steuerliche Privilegien für Katalonien.
Die traditionell wohlhabende Region baute ihre wirtschaftliche Vormachtstellung aus, nicht ohne ständig auf die Unsummen hinzuweisen, die man für die armen Schlucker im Rest Spaniens aufbringen müsse. Eine ähnliche Strategie, wie sie Südtirols SVP seit Langem im Umgang mit Rom verfolgt.
In Barcelona wie auch in Bozen weiß man nur zu gut, dass die Unabhängigkeit als hehres Ziel bestens geeignet ist, politisch und vor allem wirtschaftlich nicht allzu viel ändert. Auch Schottland oder das belgische Flandern, wo man gerade wieder besonders heftig dem Traum von der Unabhängigkeit nachhängt, genießen längst großzügigen politischen Freiraum in ihren Ländern.

Wie in Flandern mischt sich auch bei den Katalanen das Gefühl der Überlegenheit unter den Nationalstolz. Man schaut gerne ein bisschen auf den als arbeitsscheu und altmodisch geltenden Rest von Spanien herab.

Doch man wäre keine alte Handelsnation, würde nicht auch in der Politik am Ende das zählen, was unterm Strich herauskommt. Und da ist die Zugehörigkeit zu Spanien kein schlechtes Geschäft – und das wollte sich die bürgerliche Wählerklientel der CiU nicht verderben lassen. Die rhetorische Frage eines katalanischen Philosophen, „Unabhängigkeit? Wofür genau?“, haben sich wohl zuletzt mehr Katalanen gestellt, als Mas lieb war.