Politik/Ausland

Spanien: Gerichtsstück ohne Hauptdarsteller

Während die einen in Madrid vor Gericht erschienen, saß der andere ungestört beim Frühstückskaffee in Brüssel. Ein via Twitter in die Welt gesandtes Bild eines Reporters von The Spain Report zeigte Carles Puigdemont gestern Früh in einem Hotel der belgischen Hauptstadt.

Pünktlich um zehn Uhr Vormittag hätten sich der abgesetzte Präsident der katalanischen Regierung und vier weitere seiner Mitstreiter zur ersten Anhörung vor dem Staatsgerichtshof in Madrid einfinden müssen. Tatsächlich waren dort aber nur neun der insgesamt 13 wegen Rebellion, Aufstands und Veruntreuung öffentlicher Gelder angeklagter Mitglieder der abgesetzten katalanischen Führung aufgetaucht. Über alle wurde gestern Nachmittag auf Beschluss von Richterin Carmen Lamela Untersuchungshaft verhängt.

"Politischer Prozess"

In sicherer Entfernung in Brüssel dürfte sich Carles Puigdemont, Protagonist im katalanischen Unabhängigkeitsdrama, sogleich in seiner Skepsis gegenüber Madrid bestätigt gefühlt haben. Schon am Abend davor hatte der 54-Jährige getwittert: In Spanien erwarte ihn nur ein "politischer Prozess ohne eine juristische Grundlage". Er wolle nicht "vor der Justiz fliehen", sagte er erneut. In Brüssel aber gedenkt er vorerst weiter zu bleiben.

Der Aufenthalt Puigdemonts – Kritiker sehen darin mehr eine "Flucht" – in Belgien aber könnte ein unfreiwillig kurzer werden, wenn Spaniens Justiz Haftbefehle ausstellt. Die Staatsanwaltschaft forderte dies gestern für Puigdemont und dessen vier Ex-Minister in Brüssel, das letzte Wort aber hat die Richterin.

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Belgiens Behörden wären dann gezwungen, den Gesuchten zu verhaften und ihn innerhalb von längstens 60 Tagen an Spanien auszuliefern.

All dies könnte möglicherweise erst nach dem für 21. Dezember angesetzten Urnengang geschehen. Katalonien muss neu wählen, hat die Zentralregierung in Madrid verordnet. Seit Montag hat sie die Macht in der Region vollständig übernommen und die katalanische Regionalregierung abgesetzt, nachdem diese Freitag die Unabhängigkeit Kataloniens ausgerufen hatte. Würde Puigdemont also erst nach dem Urnengang nach Spanien zurückkehren, hätte er theoretisch noch eine Chance, an den Wahlen teilzunehmen, wird spekuliert.

Die EU weigert sich indessen weiter, zur Katalonien-Krise Stellung zu nehmen. Von der EU-Kommission über den Rat bis hin zum Parlament vertritt man den Standpunkt: Spanien habe die Pflicht, seine Verfassung zu schützen – und die sieht eine Abspaltung Kataloniens nicht vor. Partner für die EU-Institutionen ist und bleibt die Zentralregierung im Madrid.

Für Belgien aber wird der Aufenthalt der zusammengeschrumpften Mannschaft um Puigdemont zunehmend zum lästigen Problem: Mit Argusaugen beobachtet die flämisch-nationalistische Regierungspartei N-VA das weitere Vorgehen von Premier Charles Michel.

Sympathien

Die Flämischen Nationalisten der N-VA (Neue Flämische Allianz), immerhin die größte Partei Belgiens, sympathisieren mit den Unabhängigkeitsbestrebungen der Katalanen. Würde die Regierung in Madrid an die Regierung Belgiens herantreten und Druck machen, werde "eine rote Linie überschritten", warnte N-VA-Politiker Williy De Waele. Anders gesagt: Man könnte die ohnehin fragile belgische Regierung stürzen. Noch aber sei es ja nicht so weit, beruhigte er.

Ein Europäischer Haftbefehl wird ausschließlich von zwei europäischen Justizbehörden geregelt – die Politik der jeweiligen Länder spielt dabei keine Rolle.