Politik/Ausland

Russlands Offensive im Osten kommt voran: Schwere Kämpfe

Tag 77 im Krieg der Russen gegen die Ukraine: Schlechte Planung, mangelnde Versorgung, miserable Kampfmoral, aufgeweichter Boden, wochenlang steckte die russische Offensive fest. Inzwischen aber zeigt die Konzentration von Truppen und schweren Waffen im Osten der Ukraine Wirkung: Die russische Armee erzielt klare Geländegewinne im Donbass. Rund 80 Prozent der beiden Provinzen Donezk und Luhansk sollen bereits in russischer Hand sein, damit könnte Putin wenigstens eines der Ziele seines Krieges erreichen. „Der Feind führt seine Angriffsbemühungen in der Operationszone Ost weiter fort mit dem Ziel, die volle Kontrolle über die Gebiete Donezk, Luhansk und Cherson herzustellen und den Landkorridor zur vorübergehend besetzten Krim aufrecht zu erhalten“, so der ukrainische Generalstab am Donnerstag.
Die russischen Streitkräfte versuchen auch, Schwimmbrücken über den Fluss Donez zu bauen. Am Frontabschnitt vor Slowjansk, einem der wichtigsten Ziele der russischen Offensivbemühungen im Donbass, verstärkt Moskau seine Kräfte. Demnach sollen zur Vorbereitung neuer Angriffe rund 300 neue Militärfahrzeuge in dem Raum verlegt worden sein.

 

Harte Fronten in Mariupol

Wenig Veränderungen gibt es dem Lagebericht nach hingegen in Mariupol. Dort würden die im Stahlwerk verschanzten Verteidiger weiterhin bombardiert. Artilleriegefechte werden aus dem Süden der Ukraine gemeldet, sowohl aus dem Gebiet Saporischja als auch Richtung Mykolajiw und Kriwyj.

Gefangenenaustausch

Die ukrainische Führung schlägt dem russischen Militär ein Tauschgeschäft für die im Stahlwerk Asowstal in Mariupol verschanzten letzten Verteidiger der Hafenstadt vor. "Wir transportieren unsere schwerverwundeten Jungs in einem humanitären Korridor aus Asowstal ab", sagte Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk nach Angaben der Ukrajinska Prawda. Gleichzeitig lasse das ukrainische Militär russische Kriegsgefangene "nach Standardregeln für deren Austausch" frei.

Die Verhandlungen dazu dauerten noch an, noch sei keine Einigung erzielt worden.

In den vergangenen Tagen war mehrfach über das Leiden der verwundeten ukrainischen Soldaten im Stahlwerk berichtet worden. Nach Darstellung eines Sanitäters herrscht dort inzwischen absoluter Mangel an Medikamenten. Das weiträumige Stahlwerk ist die letzte Bastion der ukrainischen Truppen in der inzwischen schwer zerstörten Hafenstadt Mariupol. Das russische Militär fordert von den Verteidigern die Kapitulation, die ukrainischen Truppen lehnen das kategorisch ab.

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Kämpfe zwischen Cherson und Mykolajiw

Russische und ukrainische Truppen haben sich in der Region zwischen Cherson und Mykolajiw im Süden der Ukraine erneut erbitterte Gefechte geliefert. Dabei gaben die Verteidiger den russischen Angreifern "keine Gelegenheit zum Vordringen", wie die ukrainische Militärführung in der Nacht auf Donnerstag mitteilte.

Im Verlauf der Kämpfe seien mindestens 23 russische Soldaten getötet und zwei Panzer zerstört worden, ebenso wie ein Munitionslager, zitierte die Agentur Unian aus der Mitteilung. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.

Klitschko befürchtet weiterhin Angriffe auf Kiew

Ungeachtet des Abzugs russischer Truppen aus der Umgebung von Kiew befürchtet Bürgermeister Vitali Klitschko "jederzeit" einen neuen Angriff auf die ukrainische Hauptstadt. Im Gespräch mit dem US-Sender CNN schloss Klitschko sogar den Einsatz taktischer Atomwaffen nicht aus. Kiew bleibe weiterhin das Hauptziel des russischen Militärs. "Und solange in der Ukraine Krieg herrscht, können wir nicht einem Ukrainer irgendwelche Garantien geben", sagte der frühere Box-Weltmeister.

"Aktuell hat Sicherheit für uns oberste Priorität", erklärte Klitschko. Zwar werde das Land von "unseren Kriegern" verteidigt, doch das Risiko bleibe. "Und ohne unsere Partner, ohne die USA und die europäischen Staaten können wir nicht überleben."

Russisches Militär fordert Evakuierung ukrainischer Orte

Wohl zur Erleichterung eigener Angriffe hat das russische Militär internationale Organisationen zur Evakuierung ostukrainischer Orte aufgerufen. „Mit Blick auf die drohende katastrophale humanitäre Lage der meisten Zivilisten in Kramatorsk und Slowjansk rufen wir die Weltgemeinschaft, die UN, die OSZE und das Internationale Komitee des Roten Kreuzes auf, unverzüglich alle Maßnahmen zur schnellen und sicheren Evakuierung der Zivilisten aus diesen Städten unter der Kontrolle der ukrainischen Streitkräfte einzuleiten“, wurde der Generaloberst Michail Misinzew vom Verteidigungsministerium in Moskau von der Agentur Interfax zitiert.

Nach Misinzews Darstellung haben sich die ukrainischen Truppen in diesen Orten verschanzt und missbrauchten die eigene Zivilbevölkerung als lebenden Schutzschild. In Slowjansk und Kramatorsk hielten sich demnach rund 90.000 Zivilisten auf. Kramatorsk und Slowjansk gelten als Eckpfeiler der ukrainischen Abwehrlinien in der Ostukraine.

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Selenskij sieht Fortschritte bei internationalen Garantien

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij sieht deutliche Fortschritte bei den Bemühungen um internationale Sicherheitsgarantien für sein Land. "Wir verhandeln mit den führenden Nationen der Welt, um der Ukraine Vertrauen in die Sicherheit für die kommenden Jahrzehnte zu geben", sagte Selenskij am Mittwochabend in seiner täglichen Videoansprache. Unter anderem sei am 8. Mai beim Treffen der G7, an dem die Ukraine erstmals teilnahm, über dieses Thema gesprochen worden.

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"Dies ist nun das erste Mal in der Geschichte unseres Staates, dass solche Garantien erfasst werden können", sagte Selenskij. Und zwar nicht in irgendwelchen Memoranden oder unklaren Formulierungen, "sondern konkrete Garantien". Diese seien damit auch "nicht nur rechtsgültig, sondern auch so formuliert, dass klar ist: Was genau, wer konkret und wie konkret (der Ukraine) garantiert wird".

Die russische Armee hatte am 24. Februar ihre Offensive gegen die Ukraine gestartet. Eine der Forderungen Moskaus zur Beendigung der Kampfhandlungen ist ein klares Bekenntnis Kiews zur politischen Neutralität, für die das Land jedoch starke internationale Sicherheitsgarantien sucht.

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