Politik/Ausland

So werden Österreicher in der Türkei schikaniert

Diesmal wurde die Grünen-Zentrale in der Löwelstraße zwar nicht von Dutzenden Polizisten bewacht – dafür aber von ungewöhnlich vielen türkischen Journalisten gestürmt. Hatte der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz nach seinen Enthüllungen über die Spitzelaktivitäten AKP-naher Vereine doch konkrete Opfer der "Erdoğan-Stasi" angekündigt: also Österreicher – keine Doppelstaatsbürger –, die ohne Begründung in der Türkei verhaftet worden waren.

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Einer davon ist Kazim Özaslan (55), ein Gastwirt aus Mitterdorf im Mürztal, der im Oktober zu seiner Mutter in die Türkei flog. Am Flughafen in Istanbul erwartete ihn bereits die türkische Polizei. Drei Beamte nahmen ihn ohne Angabe von Gründen fest. "Man hat mir Pass und Handy abgenommen und mich wie einen Terroristen behandelt", schildert er.

72 Stunden – so viel, wie in der Türkei maximal erlaubt sei – habe man ihn festgehalten, erzählt Özaslan. In einem Raum ohne Fenster, ohne Betten und trotz Klimaanlage auch ohne Decken, gemeinsam mit 15 anderen Leuten. Die ganze Zeit habe das Licht gebrannt – schlafen konnte er kaum.

Kontakt mit der österreichischen Botschaft oder mit seiner Familie sei ihm verwehrt worden, sagt Özaslan. Nach drei Tagen habe man ihn schließlich nach Österreich zurückeskortiert.

Haftgrund ist unklar

Zurück in Wien übergab ihm ein türkischer Beamter sein Handy, seinen Pass und ein Dokument des Gouverneurs von Istanbul. Letzteres erklärte die Einreisverweigerung mit Gründen der "öffentlichen Sicherheit".

Wieder zu Hause, versuchte der Mürztaler herauszufinden, was ihm überhaupt zur Last gelegt wurde. Das erfuhr er im türkischen Generalkonsulat in Wien zwar nicht – dafür aber, dass es im türkischen Innen- und Außenministerium einen Akt über ihn gebe. Zudem bekam er einen Auszug aus dem türkischen Strafregister – wonach nichts gegen ihn vorliegt.

Die Ursache seiner Verhaftung kann Özaslan daher nur mutmaßen. "Ich bin nicht religiös, daher kann ich kein Mitglied der Gülen-Bewegung (die Erdoğan für den Putschversuch im Juli verantwortlich macht; Anm.) sein." Wohl aber sei er gegen die Politik des türkischen Präsidenten – was er auch gegenüber seinen Gästen im Restaurant betone.

Die Union Europäisch-türkischer Demokraten (UETD) wirft dem Steirer vor, er sympathisiere auf Facebook mit der TKHP-C (eine marxistisch-leninistische Untergrundorganisation) und der "Terrororganisation PKK". Özaslan erzählt dagegen, er sei in der "78-Gruppe" aktiv gewesen und nach dem Militärputsch 1980 drei Jahre in der Türkei im Gefängnis gesessen.

Ratlos ist auch der gebürtige Kurde Refet Eski (54). Der Wiener Jugendbetreuer wurde im Dezember auf dem Flughafen in Istanbul nach der Passkontrolle verhaftet und 24 Stunden lang verhört. Laut Dokument, das ihm nach dem erzwungenen Rückflug mit Turkish Airlines nach Wien von einem türkischen Beamten überreicht wurde, wurde ihm die Einreise verweigert, weil er außerhalb der Türkei "Unannehmlichkeiten bereitet" habe.

Vor 30 Jahren saß Eski in der Türkei für zwei Jahre in Haft – wegen "kurdischer Propaganda". Danach erhielt er in Österreich Asyl. Zuweilen demonstriere er hier gegen die "antidemokratischen Entwicklungen in der Türkei", erzählt er.

Keine Reisewarnung

Pilz sind noch drei weitere Fälle bekannt. Die Verhaftungen erfolgten entweder nach der Passkontrolle beim Einreiseversuch oder davor. Wobei Letzteres die Frage aufwirft, welche Informationen die türkische Polizei vorab hat, um Personen, die sich noch nicht ausgewiesen haben, abfangen zu können. Und woher diese Daten stammen.

Von jenen fünf Doppelstaatsbürgern, die (wie berichtet) bis dato in der Türkei festsaßen, durften laut Außenamt zwei ausreisen.

Kritik übt Pilz am österreichischen Innen- und Außenministerium. Ersteres zeige kaum Interesse an den Fällen, Letzteres lasse Austro-Türken "ungewarnt in die Erdoğan-Falle laufen". Obwohl auf der Außenamtshomepage dringend davon abgeraten wird, "in der Öffentlichkeit (auch über social media) politische Äußerungen gegen den türkischen Staat und dessen Oberste Organe zu machen", vermisst Pilz eine spezifische Reisewarnung.