Flüchtlinge: In Gabčíkovo kocht die Volksseele
Von Jana Patsch
Vielleicht sind sie schon da und keiner sagt es uns!" Gereizt reagiert die Zeitungsverkäuferin am Hauptplatz von Gabčíkovo auf die Frage, ob sie weiß, wann die Flüchtlinge aus Österreich kommen. "Es ist wie im alten Regime, die Obrigkeit entschied, wir erfuhren es aus dem KP-Blatt, wenn die Sache vollzogen war."
"Für einen 5000-Seelen-Gemeinde sind 500 Fremde einfach zu viel."
In Gabčíkovo brodelt es. Die Menschen sind aufgebracht. Die Slowakei hat Österreich bekanntlich zugesagt, 500 Asylwerber zu übernehmen. "Wir würden Österreich gerne helfen, 1968 hat es 100.000 tschechoslowakische Flüchtlinge aufgenommen, doch wir wollen Mitspracherecht", meint eine Krankenschwester an der Busstation nach Bratislava.
Selbst Bürgermeister Ivan Fenes hatte von dem geplanten Zuzug in seine Gemeinde aus den sozialen Netzen erfahren, wie er dem KURIER bestätigte. "Für einen 5000-Seelen-Gemeinde sind 500 Fremde einfach zu viel."
Referendum wird übergangen
So entstehen die unglaublichsten Gerüchte, die man auf der Straße hört. "Da es sich um junge Männer handelt, wissen wir nicht, ob es darunter nicht auch Terroristen gibt, die die Donau-Talsperre (einen Kilometer entfernt, Anm.) in die Luft sprengen." Oder: "Die Flüchtlinge bekommen 800 Euro Taschengeld, weit mehr als mein Gehalt sein wird", will Arpad S. wissen, der als Koch für die Kantine im Flüchtlingslager engagiert wurde. Auch er weiß nicht, wann es losgeht, ihm und weiteren fünf neuen Mitarbeitern wurde gesagt, sie sollen sich bereit halten. "Jedenfalls sind für die Küchen noch keine Vorräte angeschafft worden."
Radikale im Aufwind
Die Asylwerber aus Österreich sorgen für ein heißes innenpolitisches Thema in der ganzen Slowakei. Die Opposition wirft der Regierung Abgehobenheit vor. Die radikalen Parteien sind im Aufwind. Im kommenden März sind Wahlen. Sowohl die "Slowakische Nationale Partei" (SNS), die gegen Fremde hetzt, als auch die "Ungarische Koalition", die jetzt im Parlament nicht vertreten sind, würden die nötige Fünf-Prozent-Hürde locker überspringen.
Mehr als 90 Prozent der Einwohner Gabčíkovos sind ethnische Ungarn. Viele empfinden die Unterbringung aller Asylanten aus Österreich in ihrer Stadt als feindlichen Akt der slowakischen Mehrheit. Es gebe in der Slowakei auch andere Möglichkeiten zur Unterbringung, etwa in leer stehenden Kasernen. "Die Ungarn bauen einen Grenzzaun und wir importieren die Flüchtlinge freiwillig, ist das nicht absurd?", so Bürgermeister Fenes.
Die Slowakei hat kaum Erfahrung mit Flüchtlingen. Aktuell sind nur 67 Asylwerber registriert. Premier Robert Fico lehnt die Quotenregelung der EU ab, die Slowakei sollte demnach 1500 Flüchtlinge aufnehmen.
Selbst Intellektuelle in Bratislava haben für Ficos Flüchtlingspolitik kein Verständnis: "Manche Romasiedlungen bei uns sehen viel schlimmer aus als die überfüllten Lager der Asylsuchenden in Europa. Wir schaffen es nicht, sie zu integrieren. Bevor dies nicht annähernd gelöst ist, kann die EU von uns keine Solidarität erwarten", meint ein Arzt.